Grüne Weinberge, üppige Wiesen, zwei Lamas. Wer in der Hofeinfahrt von Kerstin Sprott steht, denkt an nichts Böses. Die 48-Jährige betreibt hier draußen im Retztal, vor den Toren Retzstadts im Landkreis Main-Spessart, mit ihrer Familie und Helferin Claudia Wenzel eine Lama Ranch. Ein Landidyll – wäre da nicht die Kreisstraße von Retzbach nach Gramschatz, die direkt an Sprotts Hof vorbeiführt. Wegen ihrer Kurven ist die Strecke sehr beliebt bei Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern, sagt Sprott.
Seit Jahren nervt sie, was sich am Wochenende regelmäßig vor ihrer Haustür abspielt. Rasende Autos, aufheulende Motorräder: "Der Lärm ist irre." Im Sommer arbeitet die Heilpraktikerin mit den Lamas und ihren Gästen zur Therapie draußen an der frischen Luft, veranstaltet Kindergeburtstage oder unternimmt Wanderungen, die Besucherinnen und Besuchern eine Auszeit von Stress und Trubel des Alltags bringen sollen.
"Was da manchmal abgeht, vor allem am Sonntag", sagt die Hofbetreiberin, "wenn ich eine Gruppe zu Besuch habe und etwas erkläre, da hört mich kein Mensch mehr." Abenteuerlich werde es, wenn sie mit ihren Lamas die Straße überqueren müsse, um auf die Wiese gegenüber zu kommen.
"Ich bin selbst fast 30 Jahre Motorrad gefahren, mein Lebenspartner ist sogar Mitglied in einem Motorradclub", sagt die 48-Jährige. "Mittlerweile habe ich keine Lust mehr, weil ich mich so aufrege über die." Seit Jahren wünsche sie sich ein Tempolimit. Geschehen sei jedoch nichts.
Tempolimit an der Kreisstraße: Landratsamt Main-Spessart sieht keine Notwendigkeit
Zuständig für die Straße ist der Landkreis Main-Spessart. Auf Nachfrage, warum auf der Straße kein Tempolimit gilt, erklärt das Landratsamt: Eine Beschränkung sei nur dann rechtlich durchsetzbar, wenn "aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Verkehrsrisiko erheblich übersteigt", sagt Sprecherin Andrea Stiel.
In Sachen Lärm mute man zudem Anliegern an verkehrstechnisch wichtigen Kreisstraßen mehr zu, als denen, die in reinen "Wohnstraßen" leben, so Stiel. Gemessen an den bisherigen Werten und Berechnungen, gehe das Landratsamt an der Strecke nicht von einer unzumutbaren Lärmsituation aus.
Verkehrslärm hat laut ADAC zugenommen
Forderungen nach Tempolimits bis hin zu Fahrverboten von Motorrädern auf bestimmten Strecken hat es auch in anderen Teilen Unterfrankens schon gegeben. Gerade die ländlichen Regionen Nordbayerns lockten mit ihren schönen Landschaften und kurvigen Strecken an den Wochenenden viele Motorrad- und Autofahrer an, sagt Simon Hiller, Sprecher des ADAC Nordbayern.
Auch der ADAC verzeichne in den vergangenen Jahren mehr Lärm im Straßenverkehr. Während Städte und Ortschaften meist wegen der schieren Menge an Fahrzeugen von Verkehrslärm betroffen seien, fielen im ländlichen Raum eher einzelne laute Fahrzeuge auf, sagt Hiller. Die lautesten Lärmverursacher seien in erster Linie Motorräder und Sportwagen, die mit aufgemotzten Auspuffanlagen teilweise "die Grenzen des gesetzlich Möglichen" ausnutzten. "Hier ist der Sound des Gefährts für viele ein wichtiger Faktor", so der ADAC-Sprecher.
Lärmproblem in der Tuning- und Poserszene hat weiter zugenommen
Das Polizeipräsidium Unterfranken bestätigt, dass das Lärmproblem vor allem in der Autotuning- und Poserszene in den vergangenen Jahren weiter zugenommen habe. Eine konkrete Zahl lasse sich nicht benennen. Doch gerade in Innenstädten und an Busbahnhöfen seien lautstarke und grundlos umherfahrende Fahrzeuge ein Problem, erklärt Polizeioberkommissar Philipp Hümmer. Außerorts werden bestimmten Strecke erst dann hinsichtlich des Lärmschutzes überwacht, wenn vermehrt Beschwerden aus der Bevölkerung eingehen, erklärt Gerhard Popp, Polizeihauptkommissar aus Aschaffenburg.
ADAC startet Verkehrsinitiative für weniger Lärm
Beim ADAC gingen zuletzt immer mehr Beschwerden über das Problem ein. Deshalb startete der Verkehrsclub in diesem Jahr die "Verkehrsinitiative für weniger Lärm" in Kooperation mit den Bayerischen Verkehrs- und Innenministerien. Der ADAC Nordbayern stelle den Gemeinden Hinweistafeln zur Verfügung, die an Problembereichen aufgestellt werden könnten, erklärt Sprecher Simon Hiller. Fahrerinnen und Fahrer sollen so einen Anreiz bekommen, ihre Fahrweise zu überdenken und gegebenenfalls die Drehzahl zu drosseln. ADAC Ortsclubs, Gemeinden oder Initiativen können sich beim ADAC Nordbayern um die Tafeln bewerben, sagt Hiller.
Dass an diesen viel befahrenen Straßen auch Menschen leben, die unter dem Lärm leiden, juckt niemanden.
Lama müsste man sein....
Geht´s auch eine Nummer kleiner?
neue Fahrzeuge dürfen nur noch soviel Lärm produzieren wie den Umständen nach unvermeidbar (s. StVO)? Und wer meint, ohne den "Sound" nicht leben zu können, bekommt eine Zulassung, die es (nur noch) gestattet, auf einer Rennstrecke so lange im Kreis herum zu fahren, bis die Ohren klingeln? Interessant überhaupt, dass Lärm immer nur dann Lärm ist, wenn ihn jemand anders produziert...
Zu mehr Verkehr auf der Bundesstraße kommt da noch die Bahn dazu.
Und wenn noch 30 % des LKW Verkehrs auf die Bahn verlagert sind, wandern die Lamas bestimmt aus.
Es war die Deutsche Automobilindustrie welche die Legalisierung des Klappenauspuffs für Autos und Motorräder durchgesetzt hat. Seither dürfen damit ausgerüstete Fahrzeuge zumindest ausserorts unbegrenzt Lärm machen.
Die Grenzwerte und auch das Messverfahren, welches gewisse Schlupflöcher bietet, werden seit Jahrzehnten durch die EU vorgegeben und wurden durch Deutschland komplett.umgesetzt
Bei der Vorfahrt zum TÜV stimmen die Werte und nachher wird vom Tuner wieder umgebaut. Weil der "Sound" so geiler ist.
Schwachsinn gegen den kaum vorgegangen wird.
Die Straße war jedenfalls vor den Lamas da. Frau Sprott wusste worauf sie sich einlässt, wenn sie hier baut. Ähnlich verhalten sich Leute, die neben der Autobahn bauen und sich über Verkehr beschweren, die aufs Land ziehen und dann sind die Glocken zu laut oder der Hahn kräht.
Und hier wieder mal die bösen bösen Motorradfahrer.