"Jetzt noch eine Anhöhe, dann sind wir oben. Im Frankenland geht ohne Berge nichts.“ Mit sicherem Schritt geht Richard Full auf einem schmalen Feldweg voran. Linker Hand wechseln sich blühende Wiesen und Getreidefelder ab, rechts lockt der Schatten der Bäume. Für unsere Tour auf dem „Besinnungsweg Retztal“ haben wir ausgerechnet einen der heißesten Tage des Jahres erwischt. Der Aufstieg endet auf einer kleinen Anhöhe am „Thüngersheimer Kreuz“. Unter einem mächtigen Nussbaum finden sich ein Bildstock und eine Sitzgarnitur aus Holz. Der Ausblick ist spektakulär.
Der „Besinnungsweg Retztal“ ist nur einer von vielen Wanderwegen rund um Retzbach und Retzstadt. Allein sieben sind auf der Rückseite des Ortsplans von Retzstadt eingezeichnet. Sie tragen verlockende Namen wie „Wein und Natur“ oder „Planetenweg“. Für Full ist jedoch klar: „Der Besinnungsweg ist der Schönste. Er hat von allem etwas.“ Dieser wird vom Pressedienst des Ordinariats vorgestellt.
Full ist Mitglied des Trägervereins „Besinnungsweg Retztal“. Er führt Gruppen auf dem Besinnungsweg und sorgt als einer von vielen Wegpflegern dafür, dass der Weg und die Wegmarkierungen in einem guten Zustand sind. Unser Startpunkt ist das Marienbrünnlein gleich hinter der Wallfahrtskirche „Maria im Grünen Tal“ in Retzbach. Im Schatten der Bäume plätschert kühles Trinkwasser aus einem Stein, in den eine Abbildung der Gottesmutter gemeißelt ist. Viele Menschen würden das Wasser in Kanister abfüllen und mitnehmen, erzählt Full. „Oft stehen sechs oder sieben Autos hier.“
Mit Glück sieht man Bieber
Gegenüber vom Marienbrünnlein führt eine Steintreppe steil nach oben. Auf einem idyllischen Waldweg geht es nun erst einmal immer geradeaus. Eine Weile verläuft der Weg parallel zur Kreisstraße. Dann kommt von links die Retz in den Blick und schließlich die türkisgrün schimmernden Teiche des Anglervereins Retzbach. Mit ein wenig Glück könne man hier Bieber sehen, sagt Full.
Fast hätte ich das „Fischernetz“ am Wegesrand übersehen. Die halbkugelförmige Schweißarbeit ruht auf drei mit Moos überzogenen Steinquadern. Eine Gymnasiastin aus Karlstadt habe die Skulptur im Rahmen eines Kunstprojekts angefertigt, erzählt Full. Der Weg führt stetig leicht bergauf.
Nachdem wir zwei rot-weiße Schranken passiert haben, verlassen wir den Wald. Vor uns liegen eine blühende Sommerwiese und ein Feldweg, auf dem man entweder links oder rechts gehen kann. Full zeigt mir einen knapp kniehohen Stein, auf dem ein Andreaskreuz, ein Baum und Wellen zu sehen sind. Ein roter Stein markiert die lange Strecke, ein grüner die Abkürzung. Wir wollen die Abkürzung nehmen, die rechts herum führt.
Breitfeldhöhe ist höchste Erhebung
In sanften Kurven folgt der Weg dem Verlauf des Waldrands, durch Wiesen und Felder, dann ein Stück hinein in den Wald und wieder heraus. Am „Thüngersheimer Kreuz“ kann man sich erneut entscheiden: Links geht es nochmals in Richtung Retzstadt. Würde man nun auf die lange Variante wechseln, käme man zur Breitfeldhöhe, mit 387 Metern die höchste Erhebung im Maindreieck, und hätte bei klarem Wetter einen weiten Rundblick auf Spessart, Rhön und Steigerwald. Die Abkürzung führt durch und am Wald entlang zurück nach Retzbach.
Wir erreichen die schmucke Kolpingkapelle. Auch hier gibt es reichlich Sitzgelegenheiten, und letztmals genießen wir den weiten Blick über das Maintal. Weiter geht es bergab, am Fuß der Anhöhe biegt der Besinnungsweg vor einem Feld nach rechts ab. Beim Schild „Weg ist für Mountainbiker gesperrt“ geht es nach links ein kurzes Stück in den Wald. Dann sehen wir auch schon den Kreuzweg, den wir kurzerhand in der entgegengesetzten Richtung hinunterlaufen. Nach gut zweieinhalb Stunden stehen wir wieder an der Wallfahrtskirche.
Feier zum 20-jährigen Bestehen
Super geeignet ist der „Besinnungsweg Retztal“ für Familien mit Kindern. Zu jeder Jahreszeit gibt es hier eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren zu entdecken. Sehenswert sind auch die Kirchen und Kapellen, beispielsweise die Barockkirche Sankt Laurentius in Retzbach, ein Werk von Balthasar Neumann, oder die Pfarrkirche Sankt Andreas in Retzstadt, die ebenfalls unter Mitwirkung von Balthasar Neumann entstand.
In diesem Jahr feiert der „Besinnungsweg Retztal“ sein 20-jähriges Bestehen. Dazu hat das Würzburger katholische Sonntagsblatt die Geschichte des Wegs und die Menschen dahinter in dem Bericht „Durch die Natur zu Gott“ vorgestellt. Die Jubiläumsveranstaltung „20 Jahre Besinnungsweg“ wird am Sonntag, 10. November, um 14 Uhr im Monsignore-Postler-Haus in Retzbach gefeiert.