
Kein Festakt mit hunderten Gästen, nur ein Dutzend Stühle verteilt in der Würzburger Neubaukirche: Prof. Alfred Forchel wurde am Freitag vor allem virtuell als Universitätspräsident verabschiedet. Gerührt war der Physiker trotzdem. Es war zu spüren, wie emotional sich der 68-Jährige der Alma Julia verbunden fühlt. Forchel wird ihr nach seinem altersbedingten Ausscheiden aus dem Amt zwar über eine Seniorprofessur erhalten bleiben. Doch ihren Kurs wird er nicht mehr mitbestimmen. Das ist ab 1. April die Aufgabe seines Nachfolgers, des Psychologen Prof. Paul Pauli.
Erstmals seit 2003 steht dann nicht ein Physiker an der Spitze der Julius-Maximilians-Universität. Eine Zeitenwende? Das wäre überhöht. Gleichwohl wird es Veränderungen geben, schon im Führungsstil. Es sind bewegte Zeiten für die Hochschulen, nicht nur wegen der Pandemie. Sie hat den Uni-Betrieb auf den Kopf gestellt, Studierende aus den Hörsälen vertrieben, die Lehre zwangsdigitalisiert. Die Würzburger Universität hat diese Herausforderung bisher mit großer Flexibilität geschultert, auch wenn der Frust über das Online-Studium wächst.
Hochschulreform: Uni muss sich neu aufstellen
Ausgerechnet jetzt aber kommt in Bayern eine Reform, die laut Minister die Hochschulen "entfesseln" und einen "Systemwandel" bringen soll. Sie sollen freier und selbstständiger agieren, was bedeutet: Die Universität wird sich neu aufstellen müssen. Ein Präsidentenwechsel in dieser Zeit?

Er kommt im rechten Moment. Denn was es in dieser Phase des Umbruchs braucht, ist ein starker Kommunikator. Einer, der alle zehn Fakultäten mitnimmt. Der zuhört und zusammenführt. Der gemeinsam mit Kompetenzteams die besten Lösungen destilliert. Die Zeichen in der Wissenschaft stehen auf Kooperation – über die Uni hinaus und im Verbund mit anderen Hochschulen.
Psychologe Pauli spricht von einem "Wir-Gefühl", das er stärken wolle. Ein guter Vorsatz. Denn das Forschen über Fächergrenzen hinweg gewinnt weiter an Bedeutung. Die wissenschaftliche Begleitung der Corona-Krise ist dafür bestes Beispiel.
Alfred Forchel hat die Universität in zwölf Jahren vorangebracht. Er wusste um die Bedeutung außeruniversitärer Einrichtungen und konnte einige nach Würzburg holen, man denke an die Max-Planck-Gruppen oder das Helmholtz-Institut. Damit könnte es künftig wieder besser laufen bei der Exzellenz-Strategie von Bund und Ländern. Die Erweiterung auf dem Gelände der ehemaligen Leighton Barracks – eine Campus-Verdoppelung – bietet dafür auch räumlich eine Riesenchance. Forchel hat sie ergriffen. Dass der Freistaat 2009 das Areal für die Uni ankaufte, hatte der Präsident indes dem politischen Einsatz anderer zu verdanken, voran der damaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm.
Mit "Außenpolitik" hat Forchel gefremdelt: Im bayerischen Verteilungskampf haben sich andere Hochschulpräsidenten breiter gemacht. Forchel blieb der nüchterne Wissenschaftler, der sachlich Argumente vortrug. Doch politisches Klappern gehört zum Geschäft. Das gilt auch am Hochschulstandort selbst. Eine neue Straßenbahn ans Hubland – ideal, um den neuen Campus zu erschließen und Uni-Standorte zu verbinden? Bei dem drängenden Thema war der Präsident seltsam still.
Sichtbare Fortschritte in Forchels zweiter Amtszeit
Forchel galt als beharrlich, fleißig, detailversessen – und bisweilen als "Kontrolletti", der sich im Kleinklein verzettelte. Gerade in seiner ersten Amtszeit eckte er mit seinem Führungsstil an. Zu autokratisch und zu wenig kooperativ, lautete die Kritik. Sie wurde leiser nach der Wiederwahl 2015, und auch Forchel wirkte im Fortgang gelassener und versöhnlich.
Die sichtbaren Fortschritte mit millionenschweren Forschungsneubauten, einem Exzellenz-Cluster für die Quantenphysik oder dem Zentrum für Künstliche Intelligenz dürften dabei eine Rolle gespielt haben. Insofern ist die Basis für seinen Nachfolger eine gute – und die Herausforderung groß: Die Uni steht vor spannenden Jahren.