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WÜRZBURG
"Hochkarätige Wissenschaftler nach Würzburg holen"
Uni-Präsident Alfred Forchel im Interview mit dieser Redaktion: Der Physiker will in seinen verbleibenden drei Amtsjahren noch mehr Exzellenz nach Würzburg holen.
Foto: Patty Varasano | Uni-Präsident Alfred Forchel im Interview mit dieser Redaktion: Der Physiker will in seinen verbleibenden drei Amtsjahren noch mehr Exzellenz nach Würzburg holen.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:07 Uhr

Vor wenigen Tagen ist das Wintersemester 2018/19 mit den Vorlesungen gestartet, rund 28 000 Studierende sind aktuell an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) eingeschrieben. Kann sich die Hochschule im Wettbewerb behaupten? Ist sie den Herausforderungen gewachsen? Über die Perspektiven sprachen wir mit Uni-Präsident Alfred Forchel. Der 66-Jährige Nanophysiker steht seit 2009 an der Spitze der JMU, seine zweite Amtszeit endet im September 2021.

Frage: Herr Forchel, die Uni war in der Endrunde um so genannte Exzellenzcluster mit einem von drei Anträgen erfolgreich– gemeinsam mit der TU Dresden. Ist das lachende oder das weinende Auge größer?

Alfred Forchel: Auch wenn ich Hoffnung hatte, dass alle drei Projekte durchkommen – das Positive überwiegt. Wir sind zum ersten Mal überhaupt mit einem Exzellenzcluster vertreten, spielen also auf diesem Niveau mit. Außerdem haben wir viel gelernt, um in der nächsten Runde noch erfolgreicher zu sein.

Was ist denn dafür zu tun?

Forchel: Wir müssen im Vorfeld eines solchen Wettbewerbs die Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern noch stärker besetzen. Das haben wir hier in Form von Verbünden versucht. Schön wäre es, wenn wir hervorragende Teams allein in Würzburg zusammenstellen könnten. In Kooperation mit einem Partner würde man sich dann bei ausgewählten Themen gezielt verstärken. So wird Spitzenforschung gemacht – durch einen sehr harten Ausleseprozess.

Wie bewerten Sie das Abschneiden Bayerns bei der Exzellenzstrategie?

Forchel: Bayern insgesamt hat sicherlich nicht so abgeschnitten, wie sich das Wissenschaft und Politik vorgestellt haben. Neben internen gibt es dafür auch externe Gründe. So hat in Würzburg die außeruniversitäre Landschaft in den letzten Jahren zwar Fortschritte gemacht, ist aber gegenüber vergleichbaren Universitätsstandorten noch zu wenig bestückt. Wir brauchen noch mehr außeruniversitäre Institutionen: Sie verstärken sehr gute Arbeiten an der Universität mit einer besonderen Blickrichtung.

Ist das der entscheidende Nachteil gegenüber dem starken Wissenschaftsraum München?

Forchel: Das ist ein gravierender Nachteil, auch für den Freistaat insgesamt. Hier haben wir Nachholbedarf. Ein starker Wissenschaftsraum München führt erst in der Kombination mit starken Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der Fläche zu einem Wissenschaftsland Bayern mit einem deutlichen Zuwachs an Forschungsstärke und Innovationskraft.

Was können Sie selbst dafür tun, um aufzuholen?

Forchel: Wir stehen in Verbindung mit verschiedenen außeruniversitären Organisationen, die mit der Universität zusammenarbeiten wollen und Interesse zeigen, Institute ins Leben zu rufen. Diesen Prozess möchte ich in den nächsten Jahren gerne voranbringen. Hier geht es schnell um einige hundert Wissenschaftler – und die brauchen eine Startphase von vielleicht fünf Jahren. Wir müssen also schon jetzt für die nächste Exzellenzinitiative arbeiten.

Bleibt das Ziel „Elite-Uni“? Wie traurig sind Sie, dass die JMU mangels eines zweiten Exzellenzclusters aus der laufenden Bewerbungsrunde herausgefallen ist?

Forchel: Das fehlende zweite und dritte Cluster macht mich traurig – vor allem, weil wir die Chancen der Projekte nicht wie erhofft vorantreiben können. Wir werden diese hervorragenden Projekte aber auf jeden Fall weiter verfolgen und für strategische Zukunftsprojekte nutzen. Das Label „Elite-Universität“ wäre schön. Aber entscheidend ist, dass die Spitzenforschung an unserer Universität wahrgenommen wird. Da sind wir auf einem guten Weg.

In Bayern dominierten die beiden Münchner Universitäten, während Baden-Württemberg mehr Exzellenz-Standorte ausgebildet hat. Haben wir im Freistaat ein Verteilungsproblem im Vergleich zu anderen Flächenländern?

Forchel: Also ich will es lieber als Chance formulieren. Wir haben ein extrem starkes Zentrum München mit zwei Eliteuniversitäten, mit einer Vielzahl von Forschungseinrichtungen. Und wir haben in der Peripherie, und dazu zähle ich Würzburg, eine relativ dünn besiedelte Landschaft an außeruniversitären Forschungsinstituten. In Baden-Württemberg tragen Einrichtungen verteilt im Land zur wissenschaftlichen Stärke bei. Es ist nicht in unserem Interesse, das wissenschaftliche Zentrum München zu gefährden. Aber Bayern kann sehr viel gewinnen, wenn es leistungsstarke Zentren wie Würzburg weiter fördert.

Ärgert Sie es, wenn der Freistaat viele Millionen Euro jährlich in eine neue Fakultät für Raumfahrttechnik ausgerechnet wieder an der TU München steckt? Wird dadurch nicht gerade die Zentralität weiter verstärkt? Würzburg hat hier mit seiner Satellitenforschung auch einen spannenden Bereich …

Forchel: Die Münchner Universitäten werden ausgebaut, dazu gibt es die Pläne für Nürnberg. Das zeigt, dass der Staatsregierung die Hochtechnologie und Wissenschaft am Herzen liegen. Wichtig ist nur, dass andere Standorte auch beteiligt werden. Die Staatsregierung sollte hier merkliche Akzente setzen, die eine weithin sichtbare wissenschaftliche Wirkung entstehen lassen.

Wie nachteilig kann es da sein, dass Würzburg mit Wahl des neuen Landtags keine politische Stimme mehr in der Staatsregierung hat?

Forchel: Das ist für mich noch nicht absehbar. Wir sind sehr dankbar, was die Abgeordneten Barbara Stamm und Oliver Jörg für die Universität erreicht haben und hoffen sehr, dass die Staatsregierung künftig die Uni Würzburg, unabhängig von der personellen Vertretung, unterstützen wird.

Justizminister Winfried Bausback hat in Würzburg Jura studiert. Werden solche Verbindungen, zum Beispiel über Ehemalige, jetzt wichtiger?

Forchel: Zu Herrn Justizminister Bausback bestehen die ganzen Jahre sehr gute Kontakte, er ist Mitglied im Kuratorium der Universität. Ganz generell beziehen wir gerne Alumni ein und ich hoffe, dass auch Barbara Stamm und Oliver Jörg uns weiter unterstützen werden.

Zurück zur Spitzenforschung: Wie bringen Sie die JMU – außer der Hoffnung auf außeruniversitäre Institute – weiter?

Würzburgs Uni-Präsident Alfred Forchel (rechts) im Gespräch mit dieser Redaktion: Redakteur Andreas Jungbauer über die Perspektiven der Julius-Maximilians-Universität.
Foto: Patty Varasano | Würzburgs Uni-Präsident Alfred Forchel (rechts) im Gespräch mit dieser Redaktion: Redakteur Andreas Jungbauer über die Perspektiven der Julius-Maximilians-Universität.

Forchel: Es geht vor allem über die Besetzungspolitik: Wir müssen in möglichst vielen Fächern sehr hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Würzburg bekommen. Damit wächst die Leistungsfähigkeit der JMU in Forschung und Lehre.

Wie überzeugen Sie solche Wissenschaftler von Würzburg? Welche Faktoren sind entscheidend?

Forchel: Es ist eine Mischung. Im Bereich der Natur- und Lebenswissenschaften sind die Arbeitsbedingungen, oft sehr aufwändige Labors, entscheidend. Trotzdem sind die weichen Standortfaktoren nicht unerheblich, etwa eine gute Verkehrsanbindung. Es ist uns in den letzten Jahren durchaus gelungen, hochkarätige Wissenschaftler nach Würzburg zu berufen, andere konnten wir trotz verlockender Angebote von außen halten.

Eines Ihrer erklärten Ziele ist, mehr Frauen in Professuren zu bringen. Haben Sie dabei Erfolg?

Forchel: Frauen und Männer ergeben erst zusammen das Intelligenzreservoir, aus dem wir schöpfen. Frauen hatten wir dabei in der Vergangenheit zu wenig adressiert. Und ohne steuernde Maßnahmen kommt man aus dieser Falle nicht heraus. Wir haben vor ein paar Jahren damit begonnen. Wenn wir jetzt dranbleiben, ist das in wenigen Jahren ein selbstlaufender Prozess, der zu einer weiteren Erhöhung des Frauenanteils in allen Fächern und in Führungspositionen führt.

Was haben Sie denn konkret dafür gemacht?

Forchel: Wir haben einen Berufungsleitfaden erstellt, in dem genau geregelt ist, wie viele Frauen in den Besetzungskommissionen mitwirken. Zudem nutzen wir Talent-Scouts, um hochkarätige Frauen zu identifizieren. Unsere Maßnahmen haben dazu geführt, dass der Anteil der Professorinnen auf 20 Prozent gestiegen ist.

Mehr als die Hälfte der Studierenden ist weiblich. Warum aber kommen so wenige Frauen in den Professuren an?

Forchel: Den Einbruch gibt es noch nicht bei der Promotion, sondern bei der Habilitation und der Juniorprofessur. Hier haben wir oft sehr unsichere Arbeitsverhältnisse, befristete Stellen – das führt dann dazu, dass Frauen die Universität verlassen und zum Beispiel in die Wirtschaft gehen.

Sind diese befristeten Stellen auch Ergebnis der zunehmenden Abhängigkeit von projektbezogenen Drittmitteln?

Forchel: Das ist ein wesentlicher Faktor. Aber auf dem Weg zur Professur ist die Universität auch Ausbildungsbetrieb – für eine Stelle in der Wirtschaft, Verwaltung und an anderen Hochschulen. Deshalb wird es zwangsläufig immer einen hohen Befristungsanteil unter den universitären Stellen geben. Wir werden ein System etablieren, damit Wissenschaftler bei sehr guten Leistungen auch eine Dauerstelle an der eigenen Universität erhalten können.

Wenn sich Unis immer stärker über Drittmittel finanzieren müssen: Besteht hier nicht die Gefahr von allzu starken Abhängigkeiten, etwa von der Industrie?

Forchel: Ich bin das gewohnt von wissenschaftlicher Kindheit an. Meine eigene Doktorandenstelle in Stuttgart wurde durch Drittmittel finanziert. Sie kommen überwiegend von öffentlichen Geldgebern wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium, der EU oder staatlichen Ländereinrichtungen. Das entspricht dem Motto „Wissenschaft für die Gesellschaft“. Da sehe ich kein Risiko von Abhängigkeit.

Und Verträge mit der Wirtschaft? Können sie die wissenschaftliche Freiheit einschränken?

Forchel: Das ist nicht grundsätzlich auszuschließen, es könnte vorkommen. Hier ist die Integrität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Universitätsleitung gefordert: Sie müssen darauf achten, dass entsprechende Kooperationen mit den ethischen Maßstäben von Wissenschaft vereinbar sind.

Auch die Universität Würzburg nimmt Drittmittel aus der Wirtschaft entgegen. Wie stehen Sie einer Zivilklausel gegenüber, die Finanzierung durch Unternehmen der Rüstungsindustrie ausschließen würde?

Forchel: Solange sich ein Unternehmen im Rahmen unserer Gesetze bewegt, ist gegen eine Kooperation nichts einzuwenden.

Sie würden also auch militärische Forschungszwecke wissenschaftlich unterstützen?

Forchel: Das ist eher eine Frage für technische Universitäten, wie wir es nicht sind. Aber prinzipiell ergeben sich die Regelungen aus den gültigen Gesetzen.

Mit Nürnberg entsteht eine weitere technische Universität, die zehnte staatliche Uni in Bayern. Könnte Würzburg ins Hintertreffen geraten?

Forchel: Wettbewerb zwischen den Universitäten gibt es immer, er belebt das Geschäft. Wir müssen uns weiterhin gut aufstellen.

Kann man sich innerhalb von 100 Kilometern auch kannibalisieren?

Forchel: Die Hälfte unserer Studierenden kommt nicht aus Bayern, sondern aus anderen Bundesländern. Da wird es Leute geben, die wegen der speziellen Angebote nach Nürnberg gehen. Aber wir müssen unser eigenes Profil weiterentwickeln. Die Mobilität wird wachsen. Gut denkbar, dass wir noch mehr Augenmerk auf Studierende aus dem Ausland richten. Wir sollten keine allzu großen Sorgen haben, sondern jetzt unsere Attraktivität weiterentwickeln.

Wo sehen Sie denn das besondere Profil der Uni Würzburg?

Forchel: Wir sind eine Volluniversität mit Ausnahme der allgemeinen Ingenieurwissenschaften. Wir haben Schwerpunkte in den Naturwissenschaften, den Lebenswissenschaften, der Medizin – ebenso wie sehr gute Leistungen im Bereich der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Wir wollen Leistungsfähigkeit an allen Stellen fördern und nicht einzelne Bereiche abschreiben.

Das ist oft die Befürchtung: Dass die Geisteswissenschaften an der Würzburger Uni angesichts starker Naturwissenschaften hinten runter kippen… berechtigt?

Forchel: Nein, das finde ich nicht. Forschungserfolge in den Natur- und Lebenswissenschaften steigern das Renommee der Universität und führen natürlich wiederum zu Finanzströmen hauptsächlich in diese Felder. Bezüglich des Renommees gilt gleiches auch für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Zu einer sehr guten Volluniversität gehört beides.

Stichwort Internationalisierung: In Würzburg waren zuletzt 9,6 Prozent ausländische Studierende eingeschrieben. Das sind rund drei Prozentpunkte unter dem Bundesschnitt. Sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Forchel: Wir werden in den kommenden Jahren unsere Anstrengungen im Bereich Internationalisierung weiter steigern. Wichtig ist, dass wir aus dem Ausland sehr gute Studierende an unsere Universität bringen. Wie dies am besten erfolgt, ist auch an anderen Standorten nicht gelöst. Die absoluten Anteile geben hierüber keine Auskunft. Neben der Steigerung unserer wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit wollen wir in bestimmten Weltregionen Bildungschancen eröffnen, die begabte junge Menschen dort nicht haben.

 
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