
Ein frostiger Samstagnachmittag. Katharina Räth, Direktkandidatin der SPD für die Bundestagswahl, geht Klinkenputzen in Ochsenfurt. Haustürwahlkampf mit Schal und Mütze. Dabei hatte sie sich nach ihrer Nominierung im vergangenen Oktober auf einen Sommerwahlkampf eingestellt. Nach ihrem Studium hatte sie eine Ausbildung zur Sommelière gemacht und hätte ihr Wissen gern im Wahlkampf eingesetzt, "mit Weinwanderungen, einem kleinen Weinfest, so etwas in die gesellige Richtung", sagt sie. "Für mich war es schon ein Schock, als ich erfahren habe, dass die Koalition auseinanderbricht, und der Wahlkampf ein halbes Jahr früher kommt, als erwartet. Jetzt mache ich halt das Beste draus."
Im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses drückt Katharina Räth auf eine Klingel. Ein Hund bellt, dann öffnet sich die Tür. "Ich will nicht lange stören", sagt die Kandidatin, "ich will mich nur kurz vorstellen und Sie bitten, am 23. Februar zur Wahl zu gehen." Ein Flyer geht von Hand zu Hand. Ein kurzer Dank, dann ist das Gespräch auch schon beendet. "Das ist schon okay so", sagt Räth, "viele freuen sich, wollen aber gar nicht lange ins Gespräch kommen."
Bei einem Rentner, der ein paar Häuser weiter an die Gartentüre tritt, ist es anders. "Als ich noch gearbeitet hab, gab's einen Chef, der hat gesagt, wo es langgeht", sagt er und spielt auf das chaotische Ende der Ampel an. Katharina Räth kann nicht widersprechen, weist aber darauf hin, dass die Koalition viele Gesetze gerade für Rentner und Geringverdiener auf den Weg gebracht hat. "Mir ist wichtig, zu den Leuten hinzugehen und nicht zu warten, bis sie auf einen zukommen", sagt Räth. Deshalb schätze sie den Haustürwahlkampf.
Zusammen mit fünf jüngeren Geschwistern ist Katharina Räth in Schweinfurt aufgewachsen
Geboren und aufgewachsen ist Katharina Räth in Schweinfurt als älteste von sechs Geschwistern in einem eher konservativen Elternhaus. Vor 22 Jahren trat die heute 41-Jährige in die SPD ein. "Ich wollte mich politisch engagieren und habe mir die Partei ausgesucht, die am besten zu mir passt", sagt Räth. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und das Streben nach Gerechtigkeit, wie es die SPD verkörpere, sei dabei ein ausschlaggebender Grund gewesen. Deshalb trat sie auch fünf Jahre später in die Gewerkschaft Ver.di ein. "Der Solidargedanke ist mir wichtig", sagt sie, "unser Slogan 'Gemeinsam geht mehr' ist auch das, was die Gewerkschaft ausmacht."
Seit 2014 lebt Katharina Räth in Würzburg. Auch dort war sie weiterhin für die SPD und die Gewerkschaft aktiv. 16 Monate lang war sie Vorsitzende des SPD-Unterbezirks. 2022 wurde sie zur Ver.di Ortsvorsitzenden gewählt und nur ein Jahr später als Gewerkschaftssekretärin beim Ver.di-Bezirksverband Mittelfranken angestellt. "Für mich war das der Traumberuf", sagt sie, "weil ich jetzt hauptberuflich machen konnte, was ich früher ehrenamtlich getan habe." In Mittelfranken vertritt sie unter anderem die Kita-Beschäftigten und Angestellten in den Behörden des Freistaats und des Bundes.
Die SPD hat aus den Fehlern der Schröder-Ära gelernt
Dass die SPD von vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr als Arbeiterpartei wahrgenommen wird, schmerzt die Gewerkschafterin. "Ich glaube, das sind die Nachwehen der Agenda 2010 und der Schröder-Ära, in der die SPD ja wirklich auf einem neoliberalen Kurs war. Aber wir haben das verstanden und in den letzten Jahren die echten Leistungsträgerinnen wieder in den Mittelpunkt unserer Politik gestellt, die kleinen Leute, die Arbeitnehmenden."
Bedauerlich findet Katharina Räth, dass die Streitigkeiten gegen Ende der Ampel-Koalition ihre Erfolge aus der öffentlichen Wahrnehmung nahezu verdrängt haben. "Wir haben 33 Milliarden in die Schiene investiert, was jahrelang nicht gemacht wurde, wir haben die Digitalisierung zumindest mal angegriffen und sind energiepolitisch unabhängiger geworden", sagt sie. Energiepreisbremsen, Inflationsausgleichsprämien, die Verlängerung der Kurzarbeit – "gerade die Menschen mit unteren und mittleren Einkommen müssten eigentlich sagen: Ihr habt wirklich was für uns gemacht."
Katharina Räth warnt davor, der AfD auf den Leim zu gehen
Aber natürlich habe die Ampel unter Kanzler Olaf Scholz auch Fehler gemacht. "Wir hatten nicht die beste Kommunikationsstrategie", konstatiert Räth, "aber wir hatten auch die Medien nicht auf unserer Seite, wenn man sich anschaut, was in der Bild-Zeitung so steht."
Gegenwärtig beherrscht das Thema Migration den Wahlkampf. Katharina Räth warnt davor, die AfD zu überhöhen. "Ich finde, das ist eine sehr gefährliche Partei, aber wir dürfen ihr nicht auf den Leim gehen, indem wir uns die Themen vorgeben lassen." Wichtiger wäre es, deutlich zu machen, dass es längst Gesetze zur Begrenzung der illegalen Zuwanderung gibt, die auch bereits ihre Wirkung entfalten, und dass Migration nur im europäischen Kontext wirksam reguliert werden kann. "Wir haben ja Asylgesetze, die einfach mal umgesetzt werden müssen."
Wenn sich eine junge Frau für ihre Mitmenschen und unsere Demokratie engagiert ist mir das wertvoller als so mancher Kommentar hier.
Wenn jemand (meist zur Unzeit) bei mir an der Tür klingelt und mit mir über Go... - äh, Politik reden will, empfinde ich das nicht als nettes Angebot, sondern als Belästigung.
Wenn ich was über eine bestimmte Partei erfahren will, gehe ich zu einer Informationsveranstaltung.
Ich glaube das würde vielen die SPD näher bringen, das wäre mal wieder glaubhaft.
Immer wieder die heeren Worte mit der "schwierigen Kommunikation" (so auch Esken, Klingbeil etc. in Interviews) regen mich auf, als ob die Leute zu dumm wären. Nein, wir haben es schon verstanden, ja ihr habt natürlich auch gute Politik gemacht. Die, die es nicht verstehen, wollen es nicht verstehen. Aber es gibt TROTZDEM einiges an Kritik und da wäre es schön diese auch mal anerkannt und ehrlich damit umgegangen zu wissen.