Wäre Unterfranken ein Paradies, genauer gesagt ein Paradies für Bäume, stünden einer großen Buche an einem Hitzetag über 100 Liter Wasser zur Verfügung. Das Gegenteil ist aber der Fall. Unterfranken ist ein Hotspot für Hitze und Trockenheit. Der Klimawandel verschärft das Problem. Überall vertrocknen, verbrennen und verdorren Bäume.
Alte Buchen verlieren ihre Blätter, ihre Kronen werden dürr. Junge Bäumchen vertrocknen, bevor ihre Wurzeln in tieferen Bodenschichten nach Wasser tasten können. Und durch Trockenheit geschwächte Bäume werden zur leichten Beute für Schädlinge und Pilze. Allein im Würzburger Stadtwald gingen im heißen Sommer 2019 etwa 6000 Bäume kaputt. Wie viele es heuer werden, hängt davon ab, wie lange die aktuelle Dürre noch andauert.
Und doch gibt es einen Lichtblick. Waldbesitzerinnen und -besitzer sowie Forstleute engagieren sich in Unterfranken mehr für den Artenschutz in ihren Wäldern als das andernorts in Bayern der Fall ist. Aktuell verzeichnen sie einen Rekord an heimischen Biotopbäumen. Warum das so ist und was Biotopbäume der Natur und uns allen bringen, erklären die Fachleute des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kitzingen-Würzburg sowie der Unteren Naturschutzbehörden aus den beiden Landkreisen Würzburg und Kitzingen bei einem Treffen im Gemeindewald in Rimpar (Lkr. Würzburg).
Engagieren sich in Unterfranken Waldbesitzer besonders stark für den Artenschutz?
Ja. Nach dem Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) Wald, das besonders wertvolle ökologische Lebensräume in heimischen Wäldern fördert, wurden 10,4 Millionen Euro an Fördermitteln bayernweit im Jahr 2021 ausgezahlt - davon 4,3 Millionen Euro allein in Unterfranken. Und davon wiederum 658.000 Euro im Landkreis Würzburg und 331.000 Euro im Landkreis Kitzingen. Dabei haben beide Landkreise mit 15.000 Hektar Wald im Raum Kitzingen und 22.000 Hektar Wald im Raum Würzburg nur 22 Prozent Waldanteil. Trotzdem nehmen die beiden Regionen fast zehn Prozent der Fördermittel für ganz Bayern ein. Mehr als 6000 Biotop- und Totholzbäume wurden so allein im vergangenen Jahr in den beiden Landkreisen gefördert. "Das ist enorm viel", sagt Elfi Raunecker, Bereichsleiterin Forsten und stellvertretende Behördenleiterin am AELF Kitzingen-Würzburg. In diesem Jahr sind bereits ähnliche Fördersummen beantragt.
Warum können in waldarmen Landkreisen so viele Biotopbäume gefördert werden?
Dadurch, dass Unterfranken schon immer einer der trockensten Standorte in Bayern war, gibt es hier kaum noch Fichten und gar keine Fichtenmonokulturen, sagt Michael Grimm, Abteilungsleiter am AELF Kitzingen-Würzburg. Zum Vergleich: Während 2021 bayernweit der Anteil der Fichten noch bei fast 40 Prozent lag, waren es im Landkreis Würzburg gerade mal zwei Prozent. Dafür wachsen in Unterfranken, etwa im Raum Würzburg und Kitzingen, viele Laubwälder, die als besonders wertvoll gelten und als FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Gebiete) ausgewiesen sind. Ein Beispiel ist der Rimparer Gemeindewald. Hier gibt es jahrhundertealte Buchen, sogenannte Methusalembäume. Vor über 20 Jahren habe man hier schon knapp zehn Hektar Waldfläche aus der Nutzung genommen, sagt Burkard Losert, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Rimpar.
Was sind Biotopbäume und warum sind sie so wichtig?
Als Biotopbäume werden Bäume mit größeren Verletzungen am Stamm, Bäume mit viel Totholz in der Krone, Bäume mit Spechthöhlen oder Bäume, die Horste für baumbrütende Vogelarten beherbergen, bezeichnet. Auch uralte Bäume und Totholz können zum Biotop werden. Biotopbäume haben eines gemeinsam: Für spezialisierte Tier-, Moos- und Flechtenarten sind sie ein wichtiger Lebensraum. "In aufgeräumten Wäldern ohne Biotopbäume fehlen diese Spezialisten", sagt Elfi Raunecker. Etwa 10.000 verschiedene Pilze, Moose, Farne, Insekten, Vögel, Säugetiere und Bakterien leben am und im Tot- und Biotopholz, sagt Raunecker und zeigt auf eine 200 Jahre alte Buche mit einem Zwiesel. Ihr Hauptstamm ist auseinander gebrochen und zweigt jetzt in zwei gleich starken Ästen nach oben. Heimische Arten, die von Biotopbäumen profitieren, sind zum Beispiel die Mopsfledermaus, der Schwarzspecht und der Stachelbart, ein seltener Pilz.
Was bringt Artenschutz den Waldbesitzern?
Das Holz von Biotopbäumen sei wirtschaftlich nicht mehr so wertvoll, weil sich die Bäume bereits in der Zerfallsphase befinden, sagt Michael Grimm. Doch Waldbesitzer könnten den Baum immer noch als Brennholz vermarkten. Damit das nicht geschehe, gebe es als Anreiz die staatliche Förderung, so Grimm. Sie liegt je nach Durchmesser, Alter und Baumart zwischen 50 und 220 Euro pro Baum. Im Gegenzug muss der Baum zwölf Jahre lang stillgelegt werden. Die Unteren Naturschutzbehörden kontrollieren stichprobenartig, ob Bäume förderfähig sind und ob die geförderten Bäume auch nach zwölf Jahren noch tatsächlich im Wald stehen.
Biotopbäume werden nur gefördert, wenn sie kein Sicherheitsrisiko darstellen und sich nicht zu nah an Waldwegen befinden. Waldbesitzer können sich vom örtlich zuständigen Revierleiter beraten und bei der Antragstellung helfen lassen. Dazu gibt es auf der Internetseite des AELF Kitzingen-Würzburg eine Suche, den sogenannten "Försterfinder".
Was bringt Artenschutz dem Wald und uns Menschen?
Gerade bei dicken alten Buchen, die von der Trockenheit geschädigt sind, sei es eine gute Alternative, einen Baum als Biotopbaum stehen zu lassen, sagt Elfi Raunecker. Denn das Ökosystem Wald funktioniere nur gut in einem gemischten Laub- und Nadelwald mit verschiedenen Schichten oben, unten und in der Mitte. In solch einem Bilderbuch-Wald sei das ökologische Gleichgewicht so ausgewogen, dass Beute und Räuber in Einklang miteinander leben. Ein Schädling wie der Schwammspinner an einer einzelnen durch die Trockenheit geschädigten Eiche sei dann auch kein Problem mehr. Er würde vom Kuckuck oder von Meisen gefressen. Der Wald sei widerstandsfähiger je mehr Arten in ihm leben. Und könne so auch besser seine Funktionen für uns Menschen als Erholungsraum, CO2-Senke und Grundwasserspeicher erfüllen.