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Würzburg/Mainstockheim
Jetzt gilt das E-Rezept: Manche Patienten sind schneller in der Apotheke als ihr Rezept
Grundsätzlich läuft's in Unterfranken mit den digitalen Rezepten. Warum manche aber nicht einlösbar sind und Pflegeheime jetzt QR-Codes an Apotheken faxen müssen.
Über die Gesundheitskarte können Apothekerinnen und Apotheker seit Jahresbeginn ein vom Arzt verordnetes Medikament abrufen. In der Sonnenhof-Apotheke Würzburg demonstriert eine Apothekerin den Vorgang.
Foto: Thomas Obermeier | Über die Gesundheitskarte können Apothekerinnen und Apotheker seit Jahresbeginn ein vom Arzt verordnetes Medikament abrufen. In der Sonnenhof-Apotheke Würzburg demonstriert eine Apothekerin den Vorgang.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 18:41 Uhr

"Ich hätte da ein Rezept", sagt die Kundin in der Würzburger Sonnenhof-Apotheke. Weil am 1. Januar bundesweit die E-Rezept-Zeit angebrochen ist, reicht sie der Apothekerin kein rosa Papierrezept mehr. Sondern ihre Gesundheitskarte, über die E-Rezepte ab sofort in Apotheken einlösbar sein sollen. Als die Apothekerin die Karte der Kundin ins Terminal steckt, stellt sie fest: "Da ist nichts drauf."

Es ist nicht der erste Fall dieser Art an diesem Tag in der Sonnenhof-Apotheke. Und einer von Dutzenden Fällen in dieser Woche, erklärt Apothekerin Beatrice Kelm: "Wenn Ärzte ein Rezept nur ausgestellt, aber nicht elektronisch unterschrieben haben, ist es nicht abrufbar."

Verifizierung fehlt: Ungültige Rezepte bedeuten in den Apotheken Mehrarbeit

Fürs Apothekenpersonal bedeutet ein "ungültiges Rezept" Mehrarbeit – und das in einer Zeit, in der wegen vieler Grippe- und Corona-Kranker ohnehin viel zu tun ist. "Wir versuchen dann, den Arzt anzurufen, damit er das Rezept verifiziert, also elektronisch unterschreibt", sagt Kelm. Eine zeitaufwändige Sache, weil Ärzte seien oft mitten in der Behandlung und nicht erreichbar seien. Für die Kunden bedeutet das, dass sie lange warten oder später wiederkommen müssen.

Erst nicht einlösbar, dann nicht lieferbar: Drei mal in die Apotheke für ein Medikament

In der Marien-Apotheke in Reichenberg (Lkr. Würzburg) berichtet Apothekeninhaberin Maria Schwab von einem Kunden, der wegen eines einzigen Rezepts drei Mal in die Apotheke kommen musste: Ihm hatte der Arzt ein Antibiotikum verschrieben, das Rezept konnte die Apotheke wegen der fehlenden elektronischen Signatur aber nicht einlösen. "Viele Ärzte signieren ihre ausgestellten Rezepte offenbar im Bündel, wenn sie Zeit haben, also etwa in der Mittagspause", vermutet die Apothekerin.

Eingesteckt: Seit 1. Januar werden Rezepte in den Arztpraxen über die Gesundheitskarte der Patientinnen und Patienten ausgestellt.
Foto: Patty Varasano | Eingesteckt: Seit 1. Januar werden Rezepte in den Arztpraxen über die Gesundheitskarte der Patientinnen und Patienten ausgestellt.

Nach einem Anruf in der Arztpraxis sei das Antibiotikum-Rezept verifiziert worden. "Nur war dieses Produkt nicht lieferbar", berichtet Schwab. Gefühlt würden bei "jedem zweiten Medikament" Lieferprobleme auftreten. Erneut war ein Anruf beim Arzt nötig - desgleichen ein neues Rezept und eine neue Verifizierung. Der Reichenberger Patient, der schon am Morgen in der Apotheke erschienen war, habe sein Antibiotikum schließlich erst abends erhalten, sagt Schwab.

Problem mit der elektronischen Unterschrift: Frage der Software-Einstellungen

Warum signieren Ärzte ihre Rezepte nicht gleich beim Ausstellen, um den Apotheken die Anrufe zu ersparen? Der Grund für Verifizierungsverzögerungen seien Software-Einstellungen, sagt Dr. Mohamad Ahmadi, unterfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands.

"Die Praxen haben die Wahl zwischen einer Komfortsignatur, bei der jedes Rezept sofort elektronisch unterschrieben wird und einer Stapelsignatur, bei der nach ein paar Stunden rund hundert Rezepte auf einmal signiert werden", erklärt der Hausarzt aus Mainstockheim (Lkr. Kitzingen). Es brauche eine Einführungsphase, bevor alles rund laufe. Ahmadi selbst hat in seiner Praxis die Einführung des E-Rezepts in den Oktober vorgezogen, um auszuprobieren, wo Fehlerquellen lauern. Im Herbst gab's deshalb Stress, dafür "läuft bei uns jetzt alles fantastisch". 

Der Mainstockheimer Hausarzt Dr. Mohammad Ahmadi - hier mit Mitarbeiterin Sabrina Ferkinghoff -  führte schon im Oktober in seiner Praxis das E-Rezept ein. Damals gab's Stress, dafür laufe es jetzt gut. 
Foto: Patty Varasano | Der Mainstockheimer Hausarzt Dr. Mohammad Ahmadi - hier mit Mitarbeiterin Sabrina Ferkinghoff -  führte schon im Oktober in seiner Praxis das E-Rezept ein. Damals gab's Stress, dafür laufe es jetzt gut. 

Auch der Vorstandsbeauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung, Joachim Lentzkow, berichtet von einer "reibungslosen Umstellung" in der eigenen Praxis. Die Rückmeldungen der Kollegen seien aber sehr unterschiedlich: "Es steht und fällt mit der verwendeten Praxis-Software", meint der Allgemeinmediziner aus Goldbach (Lkr. Aschaffenburg) zur holprigen Einführungsphase.

Deutschland ist bei der Einführung des E-Rezepts spät dran

Dass die Umstellung vom analogen auf das digitale Rezept Rezepte nötig ist, betont die Sprecherin des Bayerischen Apothekenverbands für Main-Spessart, Anne Lahoda. "In Ländern wie etwa Dänemark oder Polen funktioniert das E-Rezept schon seit Jahren gut. Deutschland hinkt da hinterher und muss aufholen."

Aus Sicht von Lahoda, die in der Lohrer Marienapotheke arbeitet, waren die "Berge von rosa Papierrezepten, die bei uns in der Apotheke auch mal zerknittert oder befleckt ankamen und per Autokurier ins Abrechnungszentrum geschickt werden mussten" nicht optimal. "Werden Rezepte digitalisiert, sind Verschreibungen transparenter", sagt die Apothekerin.

Doch viele Patientinnen und Patienten würden verunsichert aufs E-Rezept reagieren, hat Lahoda festgestellt. Apotheken müssten derzeit viel Aufklärungsarbeit leisten: "Da hätten wir uns eine bessere Aufklärungsarbeit der Regierung gewünscht, durch Anzeigenkampagnen in Medien etwa."

Versäumnis: Pflegeheime sind bei der Einführung des E-Rezepts noch außen vor

Ein weiteres Versäumnis sprechen alle befragten Apothekerinnen an: Die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen seien vom Bundesgesundheitsministerium "vergessen" worden. Tatsächlich bemängelt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, dass Pflegeheime bisher so gut wie gar nicht an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen seien. Das Ausstellen der E-Rezepte sei dort praktisch unmöglich.

In der Stiftung Bürgerspital Würzburg wird dies bestätigt: "Als Pflegeheim sind wir in keiner Weise digital an das neue Verfahren angebunden. Wir bekommen weiter Ausdrucke von den Ärzten in Form der gewohnten rosa Rezepte oder nun neu in Form eines QR-Code", sagt Jessica Buchert, Assistentin der Stiftungsleitung. Die Gesundheitskarten der Bewohner einzusammeln und anschließend die E-Rezepte in der Apotheke einzulesen, sei weder für Heime noch für Apotheken praktikabel. "Der Aufwand, besonders personell, wäre viel zu hoch."

Auch eine Nutzung der App sei nicht möglich, sagt Buchert: "Es bleibt nur der Weg, den ausgedruckten QR-Code an die Apotheken zu faxen, um die Medikamente anschließend geliefert zu bekommen." Eine Vereinfachung der Verschreibungen durch ein digitales Procedere gebe es für Heime also derzeit nicht.

 
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