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Mainstockheim
Klappt es, klappt es nicht? Eine Arztpraxis aus Unterfranken testet das E-Rezept
Hausarzt Dr. Ahmadi will nicht warten, bis das E-Rezept im Januar verpflichtend kommt. Er probiert das System jetzt schon aus. Ein Besuch in seiner Mainstockheimer Praxis.
E-Rezept in der Testphase: Der Mainstockheimer Hausarzt Dr. Mohammad Ahmadi und die Mitarbeiterin Sabrina Ferkinghoff kontrollieren, ob das gerade ausgestellte E-Rezept im Empfangscomputer 'aufploppt'. 
Foto: Patty Varasano | E-Rezept in der Testphase: Der Mainstockheimer Hausarzt Dr. Mohammad Ahmadi und die Mitarbeiterin Sabrina Ferkinghoff kontrollieren, ob das gerade ausgestellte E-Rezept im Empfangscomputer "aufploppt". 
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:53 Uhr

Das Team der hausärztlichen Familienpraxis Dres. med. Mechler und Ahmadi in Mainstockheim im Landkreis Kitzingen hat beschlossen, mit der Einführung des E-Rezeptes nicht zu warten, bis es verpflichtend zum Januar 2024 kommt. Die vier Ärztinnen und Ärzte und die 14 Mitarbeiterinnen wollen das E-Rezept vorab im letzten Quartal des Jahres 2023 testen. Warum?

Dr. Mohammad Ahmadi, der auch unterfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands ist, nennt zwei Gründe: "Einmal testen wir auch stellvertretend für andere Praxen, können eventuell Erfahrungen weitergeben. Zweitens wollen wir verhindern, dass in unserer Praxis Anfang Januar das Chaos ausbricht."

Bundesweiter Start des E-Rezept im Januar: mitten im Infektionshoch

Dass das E-Rezept bundesweit ausgerechnet zum 1. Januar eingeführt werden soll, hält Ahmadi für eine schlechte Idee. "Nach Weihnachten kommen immer sehr viele Patienten, gleichzeitig ist ein Teil des Praxispersonals im Urlaub und außerdem ist um diese Zeit oft ein Infektionshoch. Stress pur also", sagt der Allgemeinmediziner. Aber es hilft ja nichts, SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach zwingt bundesweit Patienten, Ärzten, Apothekern zum neuen Jahr das E-Rezept auf – obwohl diesbezüglich noch viele Fragen offen sind, wie das Mainstockheimer Praxisteam im Testlauf feststellt.

E-Rezept im Testlauf: "Hey! Und warum geht das jetzt nicht?"

Eine dieser Fragen lautet: "Hey! Und warum geht das jetzt nicht?" Die medizinischen Fachangestellten Michaela Steinberger und Sabrina Ferkinghoff beugen sich am Empfang über den Bildschirm, auf dem jetzt eigentlich ein vom Arzt gerade ausgestellte E-Rezept aufploppen sollte. Tut es aber nicht. "Herr Doktor!",  ruft die Helferin. Der Arzt kommt, zu dritt beäugen sie die Aktionen des Computersystems. "Kommt es raus?", fragt Ahmadi. "Nichts kommt da", sagt Ferkinghoff. "Wieder irgendwo im Nirgendwo versandet", konstatiert der Arzt. Das Spiel kennen er und die Helferinnen schon.

Zweiter Versuch: Jetzt wird angezeigt, dass das E-Rezept da ist. Was den Fehler zuvor verursacht hat, kann aber niemand nachvollziehen. Derweil wartet vor der Empfangstheke ein älterer Patient, dem gerade erklärt wurde, dass von nun an Rezepte elektronisch versandt würden. "Und das funktioniert?", zweifelt der Mann.

Verordnungen werden nicht direkt auf den Gesundheitskarten gespeichert, sondern auf dem E-Rezept-Server, zu denen die Arztpraxen und Apotheken Zugang haben. 
Foto: Patty Varasano | Verordnungen werden nicht direkt auf den Gesundheitskarten gespeichert, sondern auf dem E-Rezept-Server, zu denen die Arztpraxen und Apotheken Zugang haben. 

Viele Patienten der Mainstockheimer Praxis hören erst beim Arztbesuch, dass das E-Rezept zwingend kommt. Wie das technisch geht? Ein Patient erklärt sich das so: "Das E-Rezept hat bestimmt was mit der E-Mail zu tun! Sonst würde es ja nicht E-Rezept heißen." Als der Mann erfährt, dass Mail-Server beim Transfer elektronischer Rezepte außen vor bleiben und stattdessen die Gesundheitskarten und auch Smartphones zum Einsatz kommen, muss er lachen. "Ich hab' s nicht so mit dem Digitalen. Bin ja froh, wenn ich mein Handy verstehe."

Patienten können in Zukunft ihre Rezepte nicht mehr sehen und auch nicht überprüfen

Andere Patienten nehmen fälschlicherweise an, dass ihre sämtlichen Rezepte fortan auf den Gesundheitskarten gespeichert werden. Und eine Praxisbesucherin fragt den Arzt, ob er ihr nicht ausnahmsweise weiterhin ihre Rezepte auf Papier ausdrucken könne? "Das geht leider nicht", sagt Ahmadi. "Aber dann kann ich ja gar nicht mehr auf Papier lesen, was Sie mir verschreiben", wendet sie ein. "Ja, das ist so", sagt der Mainstockheimer Arzt. Weder die Ärzte selbst, noch die Patienten könnten das ausgedruckte Rezept sehen und die Verschreibungen nachprüfen - "das ist eine große Gefahr".

Einschätzung des Arztes: E-Rezept-System ist zeitaufwändig und fehleranfällig

Denn nach Ahmadis Einschätzung ist das neue E-Rezept-System nicht nur sehr zeitaufwändig, sondern auch fehleranfällig. "Sehen Sie", sagt er und weist auf ein winziges weißes Computerfeld, in das der Aussteller die Medikamentendosierung eingeben muss. "Da muss man nur aus Versehen mit der Maus ganz leicht draufkommen, schon hat das System aus einer abends einzunehmenden Tablette fünf Tabletten gemacht."

Aufs konventionelle Papierrezept habe er beim Unterschreiben noch einen Blick werfen und dabei etwaige Fehler bemerken können, meint der Hausarzt. Genauso wie die Patienten übrigens, die oft ja über ihre üblichen Medikamentendosierungen Bescheid wüssten. Verschreibungsfehler der Ärzte, die passierten – da solle man sich keine Illusionen machen, meint Ahmadi  – könnten jetzt nur noch den Apothekern auffallen, wenn sie das Medikament aushändigen. "Mit dem E-Rezept wird es noch mal wichtiger, dass wir die Verschreibungen kontrollieren", bestätigt Apothekerin Christiane Müller, die in Mainstockheim die Apotheke gegenüber der Arztpraxis leitet.

Bei Privatrezepten, Verbandsmitteln oder Hilfsmitteln gibt es keine E-Rezepte 

Den Testlauf des Hausärzte-Teams findet Müller gut. Manchmal sei zwar noch ein E-Rezept von ihrer Apotheke nicht abrufbar, die meisten von der Arztpraxis versandten E-Rezepte würden aber funktionierten. Allerdings findet es die Apothekerin merkwürdig, dass die Umstellung aufs E-Rezept nicht für alle verordneten Medikamente und Präparate gelte. So würden etwa Rezepte von privat versicherten Patienten weiter auf Papier gedruckt.

Die medizinische Fachangestellte Michaela Steinberger erklärt einer Patientin, dass sie in  Zukunft zwingend bei jedem Praxisbesuch ihre Gesundheitskarte mitnehmen  muss. Ohne sie kann kein E-Rezept ausgestellt werden. 
Foto: Patty Varasano | Die medizinische Fachangestellte Michaela Steinberger erklärt einer Patientin, dass sie in  Zukunft zwingend bei jedem Praxisbesuch ihre Gesundheitskarte mitnehmen  muss.

Es gebe noch viel mehr Präparate, die nicht übers E-Rezept liefen, ergänzt das Hausarztpraxisteam. Auch die sogenannten "grünen Rezepte" mit Medikamenten, die der Arzt zwar empfehle, die aber nicht verschreibungspflichtig seien – Alltagsarzneien wie Aspirin etwa – würden weiterhin auf Papier gedruckt. Außerdem Hilfsmittel, Verbandsmittel, Teststreifen oder Betäubungsmittel wie Morphium oder Methadon: die Liste der Präparate, für die zunächst kein E-Rezepte zulässig ist, ist lang. Da bestehe für die Patienten ein "hoher Erklärungsbedarf", sagt Ahmadi.

Würde er lieber beim Papierrezept bleiben? "Ich bin nicht gegen Digitalisierung", sagt der Bezirksvorsitzende es Bayerischen Hausärzteverbandes. " Aber so, wie uns das jetzt angeboten wird – ja, da wäre ich eher beim Papier."

 
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  • Rainer Gaiß
    Ein weiterer Nachteil für Patienten und Apotheken: Man kann den Wunsch nicht mehr telefonisch vormelden und muss noch einmal in die Apotheke, falls das Medikament dann nicht verfügbar ist, was aktuell ja gar nicht so selten ist.
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