Nach jahrelangen Verzögerungen und technischen Problemen soll Deutschlands Gesundheitswesen digitaler werden. So sehen es die Gesetzespläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor. Statt die rosa Zettel werden Patientinnen und Patienten künftig elektronische Rezepte vom Arzt bekommen, Gesundheitsdaten sollen statt in dicken Ordnern in der elektronischen Patientenakte (ePA) liegen.
Was heißt das für Erkrankte? Wie können sie E-Rezepte einlösen und woher bekommt man die ePA? Und vor allem: Wer hat Zugriff auf die Daten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie funktioniert das E-Rezept?
Das E-Rezept ermöglicht es Ärztinnen und Ärzten, Verschreibungen elektronisch auszustellen - es ersetzt das traditionelle rosa Kassenrezept. Dafür benötigen die Praxen allerdings neue Hard- und Software.
Grundsätzlich wird das E-Rezept laut Bundesgesundheitsministerium vom Arzt digital erstellt, signiert und in der Praxis auf einem zentralen System (E-Rezept-Fachdienst) gespeichert. Anschließend können Patienten es in einer Apotheke einlösen. Dies soll auf drei Arten möglich sein: per E-Rezept-App, mit einem Papierausdruck oder mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK).
Wie kann ich das E-Rezept einlösen?
Grundidee ist, dass das E-Rezept über die elektronische Versichertenkarte in der Apotheke eingelöst werden kann. Dabei fungiert die Karte wie eine Art Schlüssel, der ins Lesegerät gesteckt wird und ermöglicht, dass die Apotheke das E-Rezept vom Server holen kann. Voraussetzung ist, dass die Arztpraxis technisch in der Lage ist, E-Rezepte an den E-Rezept-Fachdienst, den Server, zu schicken. Auch die Software der Apotheke muss aktualisiert sein. Bislang sind jedoch bei weitem noch nicht alle Arztpraxen und Apotheken entsprechend ausgerüstet.
Daneben gibt es zwei weitere Wege, E-Rezepte einzulösen: Zum einen können Versicherte den digitalen Code in der Arztpraxis als Papierausdruck bekommen. Den Code können sie selbst nicht lesen, da die Daten verschlüsselt sind.
Zum anderen können sie die E-Rezept-App nutzen, was allerdings kompliziert ist. Nötig ist beispielsweise eine NFC-fähige Gesundheitskarte. NFC steht für "Near Field Communication" und meint die Möglichkeit zum Auslesen der Karte per Funk. Daneben müssen die Patienten ein NFC-fähiges Smartphone mit modernem Betriebssystem (mindestens iOS 15 beziehungsweise Android 7) haben.
Und: Für die App benötigen Versicherte eine PIN benötigen, die sie bei der Krankenkasse anfordern müssen. Diese erhalten sie nur, wenn sie sich bei der Krankenkasse authentifiziert haben.
Müssen Ärztinnen und Ärzte E-Rezepte ausstellen?
Überwiegend sind Praxen und Apotheken technisch ausgestattet und können E-Rezepte ausstellen. Die Mediziner sind seit längerem dazu angehalten, E-Rezepte vermehrt zu verwenden. Pflicht sollen die E-Rezepte ab 1. Januar 2024 werden.
Was ist die elektronische Patientenakte?
Die elektronische Patientenakte (ePA) gibt es seit 2021, bisher ist die Nutzung freiwillig. Bei der Akte handelt es sich um einen Datenspeicher für Arztbriefe, Befunde, Röntgenbilder oder Medikamentenlisten. Auch Dokumente wie Mutterpass, Impfausweis oder Zahnbonusheft können in der ePA abgelegt werden.
Wie funktioniert die Anmeldung für die ePA?
Um die ePA nutzen zu können, muss man die dafür vorgesehene App seiner Krankenkasse herunterladen und sich bei der Kasse für die Nutzung registrieren lassen. Danach kann man sich in der App registrieren.
Nach Angaben der Gematik, der nationalen Agentur für digitale Medizin, gibt es dafür zwei Wege: Besitzt man eine neue, NFC-fähige Gesundheitskarte samt PIN, kann man diese für die Anmeldung in der App nutzen. Alternativ ist eine Anmeldung über die "Zwei-Faktor-Authentifizierung" möglich. Der erste Faktor ist dabei die Gerätebindung, die App läuft also nur auf einem Gerät, beispielsweise dem Smartphone. Der zweiter Faktor für Sicherheit ist zum Beispiel ein biometrischer Schlüssel.
Wie nutze ich ohne Smartphone die ePA?
Wer kein Smartphone besitzt, muss sich laut der Gematik schriftlich oder telefonisch an seine Krankenkasse wenden und erhält eine Teilnahmeerklärung. Liege diese unterschrieben bei der Krankenkasse, wird demnach eine ePA eingerichtet.
Mit der elektronischen Gesundheitskarte und der PIN können Versicherte ihre Akte dann in der Arztpraxis mit Daten befüllen lassen. Alternativ kann zum Beispiel ein Familienmitglied die ePA verwalten.
Wer kann auf die elektronische Patientenakte zugreifen?
"Bei der ePA handelt es sich um eine patientengeführte Akte", heißt es in den Informationen der nationalen Agentur Gematik. Das bedeutet, Patienten entscheiden, was in der Akte gespeichert wird und wer auf ihre Akte zugreifen darf. Laut Bundesgesundheitsministerium können die Daten beispielsweise für Ärzte oder Apotheken freigeben werden – "entweder nur für die aktuelle Behandlung oder für einen längeren Zeitraum".
Ähnlich wie bei der Bankkarte sollen die Patienten laut Ministerium die medizinischen Daten mittels ihrer elektronischen Gesundheitskarte und einer persönlichen PIN freischalten können. "Ärztinnen und Ärzte benötigen für den Zugriff einen zweiten Schlüssel, nämlich ihren Heilberufsausweis und ebenfalls eine PIN."
Wie sicher sind die Daten auf der elektronischen Patientenakte?
Die Daten würden in der ePA verschlüsselt abgelegt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit. "Niemand außer der oder dem Versicherten und denjenigen, die von diesen zum Zugriff berechtigt wurden, können die Inhalte lesen." So dürfe beispielsweise die Krankenkasse nicht auf die Inhalte zugreifen. Generell erfolge der Zugriff auf die ePA über die Telematikinfrastruktur, "ein sicheres, in sich geschlossenes Netz", so das Ministerium.
Werden Daten auf der ePA zu Forschungszwecken genutzt?
Ziel des Bundesgesundheitsministers ist es, die Forschung mithilfe von Gesundheitsdaten voranzubringen. So sollen an einer zentralen Stelle Daten, etwa aus Krebsregistern und von Krankenkassen, verknüpft werden. Die Daten sollen dazu verschlüsselt (pseudonymisiert) werden. Für Daten, die in E-Akten gespeichert werden, ist ein "Opt-Out"-Modell geplant: Der Patient muss aktiv widersprechen, wenn er das nicht möchte.
Was bringt die elektronische Patientenakte für Vorteile für Erkrankte?
Grundgedanke ist, dass in der Akte alle Gesundheitsdokumente digital an einem Ort gespeichert werden können. Ärzte könnten sich so schnell über den Gesundheitszustand ihrer Patienten informieren. Die Befürworter hoffen, dass so Mehrfachuntersuchungen oder Wechselwirkungen von Medikamenten vermieden werden und künftig wichtige Gesundheitsinformationen im Notfall schnell abrufbar sind.
Ab wann muss man die elektronische Patientenakte nutzen?
Bislang ist die ePA freiwillig und wird von nicht einmal einem Prozent der gesetzlich Versicherten genutzt. Nach dem Willen der Koalition soll sich das ändern: Laut Gesetzentwurf sollen die Krankenkassen breit informieren und dann bis 15. Januar 2025 automatisch die elektronische Patientenakte für alle gesetzlich Versicherten einrichten. Es soll dann das Prinzip "Opt-Out" gelten: Wer die ePA nicht nutzen möchte, muss widersprechen.