Salat oder Pizza? Abends zum Sport oder ins Kino? Im Alltag gibt es ständig was zu entscheiden - und manchen Menschen fällt das nicht leicht. Warum? Was passiert im Gehirn, wenn wir Entscheidungen treffen? Würzburger Wissenschaftler untersuchen dies derzeit in mehreren Studien. Generell neigen Menschen dazu, gute Erfahrungen zu wiederholen, sagt Psychologin Prof. Andrea Reiter, Studienleiterin am Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) der Uniklinik Würzburg und dem Institut für Psychologie der Universität.
Im Interview sagt Reiter, welchen Einfluss Intelligenz auf die Entscheidungsfreude hat - und wie man lernt, sich besser und leichter zu entscheiden.
Prof. Andrea Reiter: Wissenschaftlich gut belegt ist, dass wir Entscheidungen wiederholen, die zu einem guten Ergebnis oder einer Belohnung, geführt haben. Umgekehrt unterlassen wir, was zu einem negativen Ergebnis führt – zu einer Bestrafung oder einem Nachteil. Wenn ich mit einer Sache gute Erfahrungen gemacht habe, werde ich das in der Zukunft eher wiederholen. Dieser Mechanismus funktioniert nicht nur bei Menschen von der Geburt bis ins hohe Alter, sondern interessanterweise auch bei anderen Spezies.
Reiter: Wenn immer alles gleich bleiben würde, würde das super funktionieren: Dann entscheiden wir uns immer für die beste Option und bekommen immer das gleiche Resultat. Das Problem aber ist, dass wir in einer wechselhaften Welt leben. Was gestern in einer Situation gut war, kann morgen schlecht sein, weil sich der Kontext oder die Umweltbedingungen geändert haben. Und das macht es so schwierig, Entscheidungen zu treffen.
Reiter: Das beginnt schon im Kindergarten: Dort machen Kinder die Erfahrung, dass Rennen und Toben in Ordnung sind – und dann kommen sie in die Schule und sollen ruhig sitzen und bekommen Ärger, wenn sie im Unterricht herumrennen. Aus dem positiven Outcome ist plötzlich eine negative Konsequenz geworden. Da kommt die Schwierigkeit in den Prozess der Entscheidungsfindung, wir müssen unser Verhalten anpassen. Und genau das interessiert uns: Wie machen Menschen das? Wie übertragen sie ihr Wissen von einem Kontext auf den anderen?
Reiter: Das Gehirn wägt beide Entscheidungsoptionen in ihrem Wert ab und entscheidet sich dann aufgrund der bisherigen Erfahrungen und einer Art kognitiven Karte, die wir alle von unserer Umwelt haben, für die vermeintlich bessere Option. Ein klassisches Beispiel ist die Frage: Esse ich jetzt einen Salat oder nehme ich die Pizza? Man denkt dann vielleicht, leckerer ist die Pizza, aber der Arzt rät mir wegen Bluthochdruck zur Diät. Und die anderen am Tisch schauen bestimmt komisch, wenn ich zu viel esse – solche Aspekte wägt das Gehirn blitzschnell ab und faktorisiert sie. Das heißt, das Gehirn berechnet Entscheidungswerte und nimmt letztlich eher die Option mit dem höheren Entscheidungswert.
Reiter: Bei diesem Prozess wirken unterschiedliche Hirnbereiche zusammen. Die evolutionär jüngeren, präfrontalen Hirnbereiche werden dafür genutzt, höhere Ziele und Aspekte in Entscheidungen einzubeziehen. Im Essensbeispiel wäre das der Anspruch, ich möchte mich gesund ernähren. Ältere Bereiche im Gehirn setzen eher Impulse um, wie eben das Gefühl, ich habe jetzt Hunger und will essen. In der Wissenschaft geht man davon aus, dass diese beiden Hirnbereiche interagieren, um zu einer möglichst guten Entscheidung zu kommen. Je besser das klappt, desto flexibler kann man in Situationen entscheiden.
Reiter: Das ist die große Frage unserer Arbeitsgruppe. Wir gehen davon aus, dass mehr Erfahrungen vorteilhaft sind, da man sich dann ein akkurates Bild von der Umwelt machen kann. Und je genauer meine kognitive Landkarte einer Situation ist, desto besser kann ich sie einschätzen. Gleichzeitig können scheinbar vor allem die Menschen besonders gute Entscheidungen treffen, denen es gelingt, das gewohnheitsmäßige Handeln, das eben auf Erfahrungen beruht, und das flexible Planen von Neuem zu kombinieren.
Reiter: Beides. Es gibt Hinweise auf genetische Einflüsse. Und je intelligenter man ist, desto besser kann man kombinieren, desto schneller reagieren und desto mehr Hintergrundwissen hat man. Das sind alles Voraussetzungen, gute Entscheidungen zu treffen.
Reiter: Unter Stress wechseln wir schneller zwischen mehreren Optionen hin und her und nutzen die gelernten Entscheidungswerte weniger. Es gibt auch Hinweise darauf, dass man unter Stress eher als Habitus auf das zurückgreift, was sich als gut bewährt hat und weniger das Planungssystem nutzt.
Reiter: Ja, davon gehen wir aus. Das Wissen wird im Laufe des Lebens immer mehr. Allerdings nehmen gleichzeitig die kognitive Schnelligkeit oder Flexibilität bereits ab dem mittleren Erwachsenenalter ab und auch unser Gehirn verändert sich: Während der präfrontale Kortex bis ins junge Erwachsenenalter reift, nimmt das Volumen über das mittlere Alter bis ins hohe Alter wieder ab. Kurz gesagt: Wie viel Menschen sich auf welches System und auf welchen Hirnbereich verlassen, das verändert sich im Laufe des Lebens.
Reiter: Im Prinzip ist das das Ziel von Psychotherapie, zum Beispiel der kognitiven Verhaltenstherapie – und ja, man kann lernen, besser Entscheidungen zu treffen. Im Grunde geht es dabei darum, neue Dinge auszuprobieren, zu schauen, was funktioniert und diese Verhaltensweisen bewusst in den Alltag einzuplanen.