
Ernährungswissenschaftlerin Dr. Isabell Englert hat eine Praxis für Ernährungsberatung und -therapie in der ehemaligen Sparkassen-Geschäftsstelle in der Marktstraße. In einem Gespräch berichtet sie über spezielle Themenfelder und Herausforderungen in einem ländlichen Raum wie der Rhön.
Isabell Englert: Während meines Oecotrophologie-Studiums absolvierte ich ein 16-wöchiges Praktikum in einer ambulanten Praxis für Ernährungsberatung und -therapie. Bereits damals spürte ich die Begeisterung für diesen Beruf. Im Anschluss daran folgte aber zunächst ein Masterstudium im Bereich Public Health Nutrition und meine Promotion zur Doktorin der Naturwissenschaften. Anfang letzten Jahres war der perfekte Zeitpunkt gekommen. Nachdem die notwendigen Vorbereitungen getroffen worden waren, startete ich offiziell im April 2023 mit meinen Beratungstätigkeiten.
Englert: Essen und Trinken ist schon seit meiner Kindheit ein großes Thema für mich. Auf das gemeinsame Essen zu Mittag wurde in meiner Familie viel Wert gelegt. Das möchte ich nun auch so an meine drei Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren weitergeben. Ich backe und koche leidenschaftlich gerne. Unsere Ernährungsweise hat das Potenzial, vielen chronischen Erkrankungen vorzubeugen oder Symptome zu lindern. Ein großes Problem in Deutschland ist und bleibt jedoch das Übergewicht.
Englert: Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist übergewichtig. Ein Anteil, der seit Jahren konstant geblieben ist und sich nicht gebessert hat. Dabei zählt Übergewicht zu den bedeutendsten Einflussfaktoren für Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebs.
Englert: Man unterscheidet zwischen der Ernährungsberatung, die sich an Gesunde richtet und der Ernährungstherapie, die die Krankenkassen auf Notwendigkeitsbescheinigung des Arztes hin finanzieren. Beides biete ich an. Auch Einkaufstraining, Kochkurse, Workshops und Vorträge gehören zu meinem Portfolio. Zudem wird es ab diesem Frühjahr Gruppenkurse zum Abnehmen geben, die ebenfalls von den Krankenkassen bezuschusst werden.
Englert: Am wichtigsten ist mir, den Klienten von Beginn an die Angst und die Scham vor der Ernährungsberatung zu nehmen. Ungesunde Ernährung und damit verbundene gesundheitliche Probleme wie Übergewicht sind für die meisten doch noch sehr intime Themen. Viele Patienten nehmen zunächst eine Art Verteidigungshaltung ein. Dem versuche ich von Beginn an entgegenzuwirken. Wichtig ist mir, dass niemand verurteilt wird. Und ich bin absolut kein Freund von Verboten. Ich gebe Hilfe zur Selbsthilfe. Ich möchte meinen Klienten zeigen, was ihnen guttut und möchte mit ihnen gemeinsam Strategien zu einem besseren Leben erarbeiten.
Englert: Ich würde sagen, ja. Die Skepsis gegenüber einer Ernährungsberatung ist hier meiner Erfahrung nach höher als in manchen Stadtbezirken. Zudem muss man als Ernährungsberaterin ein viel breiteres Spektrum bedienen können.
Englert: Interessante Frage. Darüber gibt es, soweit ich weiß, keine wissenschaftlichen Studien. Mein Eindruck ist jedoch, dass auf dem Land sogar eher kalorien- und fettreicher gegessen wird als in manchen Stadtbezirken. Auch habe ich den Eindruck, dass es in ausgewählten Stadtbezirken mehr Bevölkerungsgruppen gibt, die sich gesundheitsbewusster ernähren als auf dem Land.
Englert: Ich erlebe häufig deutliche Wissenslücken, wenn es um gesunde Kinderernährung geht. Oft muss es schnell gehen und zudem kostengünstig sein. Dass sich eine gesunde Ernährung mit diesen beiden Aspekten verbinden lässt, ist vielen nicht bewusst. Immer wieder höre ich die Aussagen "mein Kind isst das nicht", "mein Kind mag nur süß", "was mein Kind nicht kennt, isst es nicht". Wenn man einem 12 Monaten altem Baby statt der Süßigkeit jedoch etwas anderes wie zum Beispiel eine gekochte Kartoffel oder Karotte anbietet, überwiegt beim Kind definitiv die Neugier. Kleinkinder bitten nicht um Süßigkeiten, wenn sie diese nicht kennen.
Englert: Individuelle Ernährungspläne erstelle ich nicht, da ich nicht viel Sinn darin sehe. Ich möchte dem Klienten helfen, neue Wege zu gehen, sich selbst gesund zu ernähren. Wenn ich einen Zwei-Wochen-Ernährungsplan für einen Klienten aufstelle, dann mag das erst mal hilfreich sein. Aber was ist danach? Ich erarbeite mit den Klienten eine individuelle Ernährungsstrategie. Die Ernährungspyramide ist dabei ein gern benutztes, gut visualisiertes Instrument.
Englert: Viele sind erstaunt, wie viel sie essen können und trotzdem abnehmen. Dann höre ich Sätze wie: "Das kann ich ja gar nicht alles essen, so viel darf ich essen."
Englert: Es freut mich immer unheimlich, wenn die Patienten durch meine Unterstützung Linderung bei ihren Beschwerden erfahren.
Englert: Langfristig möchte ich auf unserem Grundstück neben unserem Haus eine Praxis eröffnen, die von einem Selbstversorgergarten umgeben ist. So wird es mir möglich sein, das Gemüse gemeinsam mit den Klienten zu ernten und bei meinen Kochkursen direkt zu verarbeiten. Das ist eine Vision von mir.