
Es gibt kaum noch Zweifel: Der 15-jährige Angeklagte aus Lohr (Lkr. Main-Spessart), der im September 2023 mit einer gestohlenen Pistole einen Mitschüler getötet hat, wird in einer Jugendstrafanstalt untergebracht werden. Nach den Plädoyers am Donnerstag am Würzburger Landgericht lautet die Frage vor allem: für wie lange?
Wird der Jugendliche am kommenden Montag zu knapp neun Jahren für heimtückischen Mord verurteilt, wie es der Staatsanwalt und die Eltern des Opfers als Nebenkläger fordern? Oder zu sechs Jahren für Totschlag, wofür seine Verteidiger plädieren?
Nach 14 nicht öffentlichen Verhandlungstagen geschah an diesem Donnerstag, womit kaum noch jemand gerechnet hatte: Der 15-jährige Angeklagte, der offenbar wochenlang regungslos zwischen seinen Verteidigern gesessen hatte, brach sein Schweigen. "Es tut mir leid, dass ich Gott gespielt und über Leben und Tod entschieden habe", gestand der Jugendliche Prozessbeteiligten zufolge in seinem "letzten Wort".
Angeklagter und seine Mutter wenden sich an die Familie des Opfers
"Er hat sich entschuldigt, auch wenn er sich bewusst war, dass seine Tat nicht entschuldbar ist", sagen seine Verteidiger Roj Khalaf und Hanjo Schrepfer. Da die Eltern des erschossenen Schülers dem Prozess auch am vorletzten Tag fernblieben, richtete der Angeklagte seine Worte an ihre Anwälte: Er hoffe, dass es der Familie gelinge, den Tod ihres Jungen zu bewältigen.
Auch die Mutter des Angeklagten habe sich an die Familie des Getöteten gewandt, berichtete der Vizepräsident des Würzburger Landgerichts, Boris Raufeisen, aus der nicht öffentlichen Sitzung.
Trotz der letzten Worte des Angeklagten sind die beiden Nebenklage-Anwälte überzeugt, dass der tödliche Schuss als heimtückischer Mord zu werten ist und nicht als Totschlag beim Gerangel um die Pistole. "Die Einlassungen und Ergänzungen der Verteidigung haben wir für widersprüchlich erachtet", sagen Norman Jacob und Norman F. Jacob. Es sei "schwierig, sich die Variante des Angeklagten vorzustellen".
Nebenklage-Anwalt über den Jugendlichen: "Dampfkessel unter Druck"
Rechtsanwalt und Psychologe Norman F. Jacob hält den Jugendlichen, der Prozessbeobachtern zufolge bisher keine Emotionen gezeigt hatte, für einen "Dampfkessel unter Druck". Da der 15-Jährige sich Gesprächen mit einem Gutachter verweigert habe, wisse man nicht, was ihn antreibe.


Der Anwalt verweist dabei auf Äußerungen des 15-Jährigen gegenüber Mitschülern: Er wolle in der Tradition von US-Serienkiller auch töten, soll er angekündigt haben. Jacob plädiert deshalb – wie auch der Staatsanwalt - dafür, dass zum Ende der Haftzeit die Frage einer Sicherungsverwahrung noch einmal geprüft wird.
Verteidiger: Gibt keine Beweise für Mord
Die Verteidiger des Angeklagten lehnen dies vehement ab: "Wir sind überzeugt davon, dass die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen", sagt Roj Khalaf. Auch Hanjo Schrepfer hält sechs Jahre Jugendstrafe wegen Totschlags für angemessen. "Eine Verurteilung wegen Mordes scheidet aus, weil aufgrund der Beweislage keines der Mordmerkmale verwirklicht ist", sagt Schrepfer. Die Aussage seines Mandanten, im Gerangel aus Angst geschossen zu haben, sei glaubwürdig.
Das Urteil soll am Montag, 5. August, um 10 Uhr fallen.
Zum Rechtsstaat gehört auch das Recht des Angeklagten auf bestmögliche Verteidigung. Was im Einzelfall auch mal schwer zu ertragen ist, ist grundsätzlich wesentliche Grundlage für eine zivilisierte Gesellschaft, die besser funktioniert als jede Alternative.