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Würzburg
Prozess um Tod eines Schülers in Lohr: Jetzt fehlt am Landgericht nur noch die Auswertung der Snapchat-Nachrichten
Der Kronzeuge erinnert sich kaum mehr, die Jugendkammer behilft sich mit dem Vernehmungsvideo. Warum die Analyse von Sprachnachrichten des Angeklagten überraschen könnte.
Hinter verschlossenen Türen geht am Landgericht Würzburg der Prozess zum gewaltsamen Tod eines 14-jährigen Schülers in Lohr auf die Zielgerade.
Foto: Silvia Gralla | Hinter verschlossenen Türen geht am Landgericht Würzburg der Prozess zum gewaltsamen Tod eines 14-jährigen Schülers in Lohr auf die Zielgerade.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 26.07.2024 02:44 Uhr

Die Erinnerungen des 15-jährigen Kronzeugen wären wichtig für diesen Prozess um den Tod eines Schülers in Lohr. Doch am Landgericht Würzburg zeigte sich in der vergangenen Woche: Nach zehn Monaten erinnert er sich nur noch lückenhaft. Hilfsweise hat sich das Gericht am Montag deshalb ein Video der ursprünglichen Vernehmung angesehen.

Darin hatte der Zeuge gegenüber der Polizei gesagt, was der Angeklagte ihm nach dem tödlich verlaufenden Treffen erzählt habe: Der 14-Jährige habe ihm die Waffe wegnehmen wollen, da habe er geschossen. Am Freitag sollen zwei Polizisten der damaligen Vernehmung und die Mutter des Zeugen diese Angabe vor Gericht bestätigen. 

Kernfrage in der Verhandlung: Totschlag oder kaltblütiger Mord?

Die Aussage stützt nach Ansicht der Verteidiger Hanjo Schrepfer und Roj Khalaf ihre These: Die Anwälte des Schützen gehen von Totschlag beim Gerangel um die Waffe aus. Nebenklage-Anwalt Norman Jacob bezweifelt indes, dass dies durch die Aussage des Zeugen belegt ist. Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach hatte den 15-jährigen Schüler aus Lohr wegen kaltblütig geplanten Mordes angeklagt.

Es bleiben Zweifel: Der These nach hatte der 14-Jährige, der die Waffe bei dem Treffen im September 2023 wohl kaufen wollte, am Boden gekauert und gerade aufstehen wollen, als der Angeklagte aus Angst vor einem Angriff abdrückte. Wenn der Jugendliche eigentlich auf den Rücken seines Mitschülers zielte, wie er angibt, hätte er den Hochspringenden bei der Aufwärtsbewegung in den Unterleib treffen müssen. Der Schuss ging aber in den Hinterkopf. 

Auswertung von Snapchat-Nachrichten: anderer Serienmörder als Vorbild?

Für Verwunderung dürfte in dem Prozess, der hinter verschlossenen Türen stattfindet, am kommenden Freitag die Auswertung von Sprachnachrichten auf Snapchat sorgen. Spezialisten der Polizei haben bei der Analyse nach Informationen dieser Redaktion offenbar festgestellt, dass der Angeklagte nicht wie vermutet von US-Serienmörder Jeffrey Dahmer schwärmte, dem er optisch geähnelt haben soll. Vielmehr soll er sich den Experten zufolge in der Tradition des psychopathischen Mörders Anton Chigurh aus dem Film "No country for old men" gesehen haben, der ohne jede Regung Menschen erschoss. 

Parallelen, so sagen Prozessbeteiligte gegenüber dieser Redaktion, seien nicht von der Hand zu weisen: Wie bei der Filmfigur sei auch beim 15-jährigen Angeklagten vor Gericht keinerlei emotionale Regung erkennbar. Auch wenn er zu Prozessbeginn über seine Anwälte erklären ließ, die Tat täte ihm leid, am liebsten würde er sie rückgängig machen.

Psychiater hat Schweigepflicht, Vertrauenslehrerin der Lohrer Schule kennt keine Details

Wenig Erkenntnis brachte in der nichtöffentlichen Verhandlung laut Gerichtssprecherin Martina Pfister-Luz die Vernehmung eines Psychiaters, dem der Angeklagte Rede und Antwort gestanden hatte. Der Jugendliche hatte den Sachverständigen nicht von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Der Psychiater berief sich der Sprecherin zufolge deshalb auf das Zeugnisverweigerungsrecht. 

Auch die Vertrauenslehrerin der Schule in Lohr hat vor Gericht ausgesagt. Nach ihren Angaben kannten sich der Angeklagte und der Getöteten seit der 5. Klasse. Weil sie nie Klassenlehrerin der beiden war, konnte sie laut Pfister-Luz keine weitergehenden Angaben zum Verhältnis zwischen den Beteiligten machen.

Am kommenden Freitag könnten am Landgericht nach den letzten Zeugenaussagen die Plädoyers beginnen. Das Urteil der Jugendkammer könnte dann am 5. August fallen. 

 
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