Die Hochwassersituation in Unterfranken hat sich am Freitag nur leicht entspannt. Vielerorts sind die Scheitel erreicht, nur am Main steigen die Pegel noch, in Würzburg ist die Schifffahrt eingestellt. In den vergangenen Tagen hatte der Regen im Norden und Osten Bayerns viele Flüsse ansteigen lassen und an einigen Orten zu Überschwemmungen geführt. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob die Strategien des Hochwasserschutzes in Unterfranken ausreichen.
Klimaforscher warnen schon lange davor, dass die Gefahr von Extremwetterereignissen steigt. Durch die Erderwärmung nähmen extreme Niederschläge auch in Deutschland zu, schrieb etwa der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf kürzlich auf X, vormals Twitter.
Bayern hat seit 2001 rund 2,8 Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert
Der Freistaat Bayern hat in den vergangenen gut zwanzig Jahren laut Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) rund 2,8 Milliarden Euro in die Verbesserung des Hochwasserschutzes in ganz Bayern investiert.
In Unterfranken wurden unter anderem der Hochwasserschutz in Würzburg, Schweinfurt und Bad Kissingen verbessert. Maßnahmen gab es auch an der Brend in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld), an der Altach in Zeil am Main (Lkr. Haßberge) oder in Hafenlohr (Lkr. Main-Spessart). In Bergrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) wurde ein Flutpolder angelegt.
Mit dem aktuellen Programm "Pro Gewässer 2030" sollen bayernweit bis 2030 mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr in die Hochwasservorsorge fließen.
Das neue Programm setzt neben baulichen Maßnahmen verstärkt auf einen Hochwasserschutz durch Renaturierung, etwa durch den besseren Schutz von Auen, den Rückbau von Kanalisierungen oder die Rückverlagerung von Deichen. "Je naturnäher unsere Gewässer und Auen sind, desto besser kommen sie mit den Auswirkungen des Klimawandels zurecht", sagt Umweltminister Glauber.
Aber auch beim technischen Hochwasserschutz soll es weitere Verbesserungen geben. Die Bayerische Staatsregierung verspricht in einem Kabinettsbeschluss im Juni 2022 "beschleunigte Hochwasserschutzkonzepte", um durch weitere Hochwasserschutzanlagen, angepasste Hochwasser-Gefahrenkarten und einen "Hochwasser-Check" für gefährdete Städte und Gemeinden "die Risiken durch Hochwasser und Starkregenereignisse zu reduzieren".
"In der Fläche ansetzen": Sturzfluten nach Starkregen verändern den Hochwasserschutz
Eine wachsende Gefahr neben dem Fluss-Hochwasser sind laut der Regierung von Unterfranken regionale Sturzfluten nach Starkregen – wie etwa im Sommer 2021 in Knetzgau, Ebern und Zeil am Main (Lkr. Haßberge). Schutzmaßnahmen müssten sich deshalb nicht mehr allein an Wasserläufen orientieren, sondern "vielmehr in der Fläche ansetzen" und das gesamte Wassereinzugsgebiet betrachten. Die Zuständigkeit liegt hier wie bei kleineren Bächen und Flüssen bei den jeweiligen Kommunen.
Aktuell gibt es laut Bezirksregierung 42 Hochwasserrückhalte- und 61 Sturzflutkonzepte in der Region. Weitere 17 dieser Maßnahmen seien für 2024 vorgemerkt.
Friedl (Grüne): Orientierung der Maßnahmen am "Jahrhunderthochwasser" reicht nicht mehr
Beim Hochwasserschutz in der Fläche sieht der Würzburger Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl jedoch noch Handlungsbedarf in Unterfranken: "Der Regenrückhalt in der Fläche muss verbessert werden und zur Abmilderung konkreter Hochwassersituationen benötigen wir Überschwemmungsgebiete", fordert er.
Nur durch die gezielte Flutung solcher Flächen könnten Dammbrüche an anderer Stelle vermieden und Flut-Schäden minimiert werden. Die für die Planung zuständigen Wasserwirtschaftsämter seien jedoch "massiv unterfinanziert", sagt Friedl.
Zudem zeige sich, dass die bisherige Orientierung der aktuellen Schutzmaßnahmen an einem hundertjährigen Hochwasser plus einem 15-prozentigen "Risiko-Aufschlag" nicht mehr genüge. "Sogenannte Jahrhunderthochwasser finden längst nicht mehr nur alle hundert Jahre statt", sagt Friedl: "Die Dimension der Hochwasser ist inzwischen so groß, dass der bisherige Schutz oft nicht mehr ausreicht."