Der höchste, je gemessene Niederschlag in Deutschland wurde 2002 an der Elbe erreicht: Innerhalb von 24 Stunden fielen in Zinnwald im östlichen Erzgebirge 312 Liter Regen pro Quadratmeter. Betroffen vom damaligen Rekord-Wert war allerdings nur dieser eine Ort, erinnert sich der Klimaforscher Heiko Paeth von der Universität Würzburg. Im Juli 2021 fielen dann erstmals bundeslandübergreifend Niederschlagsmengen von 150 bis zu 200 Liter pro Quadratmeter - innerhalb von ein bis zwei Tagen. Das sei für Deutschland "absolut rekordverdächtig", sagt Paeth. Ob extreme Starkregen und in der Folge auch Sturzfluten wie in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in Zukunft auch Unterfranken treffen könnten und welche Städte und Gemeinden in unserer Region besonders gefährdet wären, erklärt der Würzburger Geografieprofessor im Interview.
Heiko Paeth: Auch wenn man aufpassen muss, einzelne Wetterereignisse sofort dem Klimawandel zuzuschreiben, passt dieses Ereignis zu dem, was die Klimamodelle uns für die Zukunft hier in Mitteleuropa vorhersagen: nämlich eine Steigerung der Häufigkeit und Intensität extremer Wetterlagen. Längere Trockenperioden mit höheren Temperaturen, Dürren und Wassermangel auf der einen Seite und intensive extreme Starkregenereignisse auf der anderen Seite.
Paeth: Die Wetterlage, die zu den Starkregen in Deutschland geführt hat, ist gekoppelt an eine großräumige Wellenstruktur in der Atmosphäre. Die sogenannten Rossby-Wellen oder auch planetaren Wellen umspannen den ganzen Globus. Sie bestimmen über viele Tage oder sogar Wochen hinweg, ob wir je nach Jahreszeit eine trockene Periode in Folge eines Hochdruckgebiets haben (im Sommer heiß, im Winter kalt) oder ob uns ein Tiefdruckeinfluss ergiebigen Niederschlag bringt. In den Wellenbergen dringt warme Luft nach Norden und in den Wellentälern kalte Luft nach Süden vor. Während in den Vereinigten Staaten eine Hochdrucklage zu einer Hitzewelle und Waldbränden geführt hat, hat sich über Mitteleuropa seit Anfang Juli fast drei Wochen lang eine Tiefdrucklage festgesetzt. Eine Woche vor den Rekordniederschlägen in Rheinland-Pfalz wurden hier an der Mainschleife über 140 Liter pro Quadratmeter gemessen.
Paeth: In unseren Breiten war es bisher normal, dass diese Wellen allmählich von West nach Ost laufen und uns mal mit Tiefdruckwetter, mal mit Hochdruckwetter bedienen. Auf die große Launenhaftigkeit unseres Wetters haben wir all unsere Nutzungssysteme, unser Freizeitverhalten und unsere ganze Wahrnehmung konzipiert. Wir sind es gewohnt, dass es 365 Tage im Jahr praktisch jedes Wetter geben kann. Jetzt ändert sich das. Die Wellenzüge verlangsamen sich.
Paeth: Wir bleiben länger in einem Wellental oder in einem Wellenberg. Die Folge sind wochenlange Trockenperioden mit Rekordtemperaturen wie beispielsweise 2018 oder wochenlange Regenfälle wie im Jahr 2021. Die Variabilität des Wetters geht zurück. Die Extreme nehmen zu.
Paeth: Die Wissenschaft beginnt das gerade erst zu verstehen. Die Windsysteme, die dafür sorgen, dass planetare Wellen nicht zu lange an einem Ort verharren, hängen davon ab, wie groß der Energie- und der Temperaturgradient zwischen dem Äquator und dem Nordpol ist. Die Region, die sich seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 auf unserem Planeten durch den Klimawandel am stärksten erwärmt hat, ist die Arktis, die Region um den Nordpol. Dadurch wurde der Temperaturunterschied zwischen Äquator und Nordpol kleiner und die Westwinde beziehungsweise der zonale Grundstrom verlangsamen sich. In den Medien wird oft vom "Jetstream" gesprochen. Werden diese Starkwindbänder langsamer, nimmt auch die Geschwindigkeit, mit der sich die Wellen ausbreiten, ab.
Paeth: Wenn wir eines über den Klimawandel wissen, dann doch, dass sich unser Planet erwärmt. Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, der dann über die Wolkenbildung zu Niederschlag führt. Deswegen beobachten wir in allen Regionen der Erde häufigere Starkregenereignisse. Obwohl die Gesamtmengen der Niederschläge innerhalb eines Jahres in manchen Regionen der Erde zu und in anderen abnehmen, nimmt die Intensität überall zu.
Paeth: Wenn Trockenperioden länger andauern und die Niederschlagsereignisse, die dazwischen stattfinden, immer intensiver werden, steigt die Hochwassergefahr. Denn ein ausgetrockneter Boden kann kein Wasser aufnehmen. Diesen Effekt kennt jeder vom Blumentopf zu Hause.
Paeth: Natürlich. Diese Wetterlage kann jede Region Deutschlands treffen.
Paeth: Ob es richtig schlimm wird, hängt von der Landoberfläche ab. In einem völlig flachen Gelände steigen zwar die Pegelstände der Flüsse und es kann zu Hochwasser kommen. Diese tsunamiartigen Verwüstungen, die wir jetzt aber in den Tälern der Eifel sehen, hängen mit der natürlichen Topografie und dem Relief dort zusammen. Auch in Unterfranken haben wir sehr viel Relief. Nehmen wir als Beispiel das tief eingeschnittene Maintal und die steilen Weinberge rechts und links. Käme ein vergleichbarer Starkregen herunter, würde das Wasser durch die Gemeinden strömen, die im Tal liegen - durch unsere vielleicht schönsten historischen Dörfer.
Paeth: Nein. Starkregen gab es früher schon. Bereits im 18. Jahrhundert hat man an Hausecken Prellsteine - der Franke nennt sie Hundsbrunzer - angebracht. In die Steine wurden senkrechte Schlitze eingefräst. Dort konnten Bretter hineingestellt werden für den Fall, dass Sturzfluten die Weinberge herunterkamen und durch die Weinorte gerauscht sind. So konnte das Wasser nicht so leicht in die Weinkeller eindringen. In den 1970er bis in die 90er-Jahre war die Flurbereinigung in den Weinbergslagen darauf ausgerichtet, die Wassermassen bei Starkniederschlägen davon abzuhalten, in die Orte zu fließen. Seither gibt es Kanäle, Schlammfänger und Rückhaltebecken in den Weinbergen.
Paeth: Bei dem Starkregen Anfang Juli wurden in Thüngersheim im Landkreis Würzburg 80 Liter pro Quadratmeter gemessen. Die Rückhaltebecken in den Weinbergen und am Main waren randvoll. Aber sie haben die Wassermassen zurückgehalten. Wäre das Doppelte heruntergekommen, hätten die Kapazitäten wohl nicht ausgereicht.
Paeth: Manchmal ist es Willkür, ob ein Wolkencluster über einem Ort verharrt oder über einem anderen. Doch welchen Schaden die Niederschläge anrichten, hängt vom Relief ab. Ein Beispiel: Wenn eine steile Klamm ein kleines Wassereinzugsgebiet hat, fließt trotz Gefälle nicht viel Wasser ins Tal. Gibt es aber ein großes Einzugsgebiet, etwa Weinberge oder landwirtschaftlich genutzte Flächen, die in das gleiche Nebental des Mains entwässern, dann steigt dort der Pegel des Flusses besonders an.
Paeth: Auf großen versiegelten Flächen kann der Boden kein Wasser aufnehmen. Je weniger Vegetation es gibt, desto weniger Wasser wird zurückgehalten. Ein Steigerwald kann trotz seiner Topografie eine ganze Menge Wasser zurückhalten. Eine intensiv landwirtschaftlich genutzte und stark verdichtete Fläche, die entsteht, weil man etwa mit schweren Landmaschinen über den Boden fährt, hat eine sehr geringe Schwammwirkung. Überall dort, wo das Wasser schnell in die Kanalisation abgeleitet wird, ist die Kanalisation schnell überfordert. Etwa in stark versiegelten Städten wie in Würzburg.
Paeth: Meist kennen die Menschen an den großen Flüssen das Hochwasserrisiko seit Generationen. Am schlimmsten trifft es in der Regel diejenigen, die an einem kleinen Bach leben, der ein großes Wassereinzugsgebiet hat, das normalerweise relativ trocken ist, sodass der Bach eher gemächlich vor sich hinplätschert. Wenn dann aber über das gesamte Einzugsgebiet über 100 Liter pro Quadratmeter fallen, dann wird das Wasser wie durch einen Flaschenhals durch das kleine Bachbett geleitet. Das ist vielen Menschen in der Eifel passiert, die von den Flutwellen überrascht wurden.
Paeth: Wir haben in Deutschland wasserbaulich gesehen seit Jahrzehnten alles darauf ausgelegt, das Wasser bei kurzfristigen Hochwasser-Ereignissen möglichst schnell über die Kanalisation und die Flüsse aus unserem Land herauszubringen - bis zum Ärmelkanal und zur Nordsee. Jetzt stehen wir vor einer doppelten Herausforderung: Zunehmende Starkregenereignisse überfordern unsere technischen Systeme. Die Deiche sind nicht hoch genug, zu viele Flächen in Hochwassergebieten sind verbaut, zu viele Flussauen versiegelt, zu viele Flüsse begradigt. Auf der anderen Seite bleibt uns der Wassermangel, wenn das viele Wasser, das auf einmal kommt, sofort abfließt und der Boden es nicht mehr aufnehmen kann. Der Grundwassermangel bleibt uns erhalten. Das Beste ist, was die Natur von sich aus macht: Sie wirkt wie ein Schwamm. Dahin müssen wir wieder zurück.
Den enormen Rückgang der Biomasse um 75% (vgl. Windschutzscheiben früher & heute) und der Biodiversität, was die Ausbreitung von Viren fördert!
Ja wo sollen denn die Insekten noch hin - und das Wasser? In unseren platt gemachten und durch Monstertraktoren platt gewalzten Fluren - ohne Gräben, Büsche & Feldraine. In Goethe's Faust soll Mephisto die Welt synthetisiert haben. Das ist heute passiert - demnach hätten wir den Teufel zum Feind, was alles erklären würde.
Die EU sollte möglichst schnell die Agrar-Förderung umgestalten. Die Landschaft sollte auf den Stand von 1950 rückgebaut werden, mit Gräben, Feldrainen, Büschen, etc. Kleine, leichte Traktoren sollten wieder gebaut werden. Im Grünland, wie Allgäu, sollten die Kühe aus der Massentierhaltung wieder auf die Wiese, was völlig andere Bodenstrukturen gibt - statt der Plattwalzung durch Monstermaschinen für Gülle & Mähung.
Weiter so geht's in die Katastrophe in vielen Bereichen!
Die meisten Bauern produzieren auf Masse und nicht auf Qualität.
Von dieser Massenproduktion werden auch von den Verbrauchern exorbitant hohe Anteile weg geworfen, weil es eben billig ist und nichts "wert".
Sogar die bestimmt privilegierten Grenzer mussten soviel Hunger leiden, dass sie jedes Paket das wir unseren Verwandten in der "DDR" geschickt haben halb leer gefressen haben bevor sie es weitergeleitet haben.
Ja, vielleicht dürfen unsere Enkelkinder mit Haarpinsel Blüten bestäuben, weil die Bienenvölker, zwengs Nahrungsermangelung ausgestorben sind.
Ihr Ton ist unterste Schublade! Zu DDR Zeiten wurde sehr viel Geld in die Erhaltung der Grenzanlagen investiert, Geld das anderswo dann fehlte.
Irgendwo lässt Petrus Dummheit regen.
Bei einem Punkt gebe ich ihnen jedoch recht:
Wenn die Kühe aus die Wiese sch..... , wird keine Gülle mit Ammoniak ausgebracht.
Haben Sie auch mitbekommen, das in Frankenheim, gleich hinterm Schwarzen Moor, so ein Biobetrieb mit 1.600 Kühen schon vor Jahren pleite ging.
Und diese DDR- Ställe sahen so aus wie die bei uns 1950.
Es muss sich was ändern, aus den Fehlern lernen......
Zur gleichen Zeit finanzierte die Bundesregierung der Ukraine Hühnerkäfige für über 10 Mio Hühner. Da wir jetzt nur noch 70% unseres Bedarfs in Deutschland erzeugen, kommt ein Großteil der Importe aus der Ukraine, die hat ja auch einen Sonderstatus beim Zoll.
Das ist ein nüchterner, sachorientierter Vorschlag.
Nachhaltiges Wirtschaften ist unvermeidlich, wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen.
Wie ist es möglich, darin einen Angriff auf die angeblich "verhassten Bäuerchen" zu lesen?
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Mit nachhaltiger Landwirtschaft werden auch unsere Lebensmittel besser.
Der etwas höhere Preis dafür ist kein Nachteil, sondern Ansporn, Verschwendung zu vermeiden.
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Nachhaltige Landwirtschaft führt nicht zurück "auf den Stand von 1950", sondern sie erlaubt, mit dem Wissen von heute bisherige Fehler und dadurch verursachte Schäden zu vermeiden.
Wenn Agrar-Förderung daran orientiert ist und damit die Lebensgrundlagen unserer Gesellschaft erhalten hilft, statt deren Ausbeutung zu belohnen, dient sie uns allen.
Am direktesten und ganz unmittelbar dient sie so den bäuerlichen Familienbetrieben, die von bisherigen Förderstrukturen seit Jahrzehnten massiv unter Druck gesetzt werden.
Also meine Windschutzscheibe ist nach 300 km Autobahn immer noch genauso "undurchsichtig" von den ganzen Fliegen wie früher. Lassen Sie sich da mal nichts einreden.