9. Juli 2021: Nach Starkregen stehen in Ebern die tiefer gelegenen Teile der Altstadt unter Wasser, der Keller der gerade erst generalsanierten Realschule läuft voll. Ähnlich ist es in Zeil am Main: Hier tritt die Altach so gewaltig über die Ufer, dass Bürgermeister Thomas Stadelmann von einem "Wahnsinnshochwasser" sprechen wird. In mehreren Gemeindeteilen von Knetzgau haben die Anlieger keine Chance mehr, etwas gegen die zu Strömen anschwellende Bäche auszurichten. Ihre Anwesen werden überschwemmt. Der Hauptort selbst muss zwei Tage lang befürchten, dass der ihn schützende Hochwasserdamm im Westen bricht. Das Wort "Katastrophe" ist in aller Munde.
Kräftig geregnet hat es damals im gesamten Landkreis. Warum also hat es ausgerechnet Zeil, Ebern, Knetzgau so stark getroffen? Und was haben die betroffenen Kommunen inzwischen unternommen, um gegen neuerliche Katastrophen dieser Art besser gewappnet zu sein? Die Redaktion hat mit den Bürgermeistern Jürgen Hennemann (Ebern), Thomas Stadelmann (Zeil) und Stefan Paulus (Knetzgau) sowie Mathes Limprecht gesprochen. Limprecht ist der Sachgebietsleiter "Hydrologie und Warndienste" am Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen und hier zudem Abteilungsleiter für den Landkreis Haßberge. Aus den Antworten der Interviewten ergibt sich folgendes Bild:
Warum hat es ausgerechnet Ebern, Zeil und Teile von Knetzgau so stark erwischt?
Über dem Landkreis Haßberge sind am 9. Juli großflächige Regen, kombiniert mit lokalen Starkregen, niedergegangen. Das Wasserwirtschaftsamt schätzt die Regenmengen auf 40 bis 80 Millimeter (gleichbedeutend mit 40 bis 80 Liter pro Quadratmeter) mit sehr großen Unterschieden innerhalb weniger Kilometer Entfernung. Genaue Daten liegen nicht vor. Besonders betroffen von Starkregen waren dabei eben die Bereiche Ebern, Knetzgau und Zeil. In Ebern haben private Messstationen 70 bis 80 Millimeter Niederschlag innerhalb von sechs bis neun Stunden aufgezeichnet; ähnliche Werte dürften für Zeil und Knetzgau gelten.
Das Untergeschoss der Realschule Ebern beim Hochwasser am 9. Juli 2021- und ein Jahr danach.
Ebern, Zeil und Knetzgau haben bezüglich der Regenschauer vor einem Jahr also schlicht und einfach Pech gehabt. Es hätte auch jeden anderen Landstrich treffen können. Und das gilt in weiten Teilen auch für den zweiten Hauptaspekt der Hochwasserproblematik: In vielen Orten ist die Bebauung über Jahrzehnte hinweg zu nah und zu dicht an die Gewässer herangerückt. Für Hochwässer ist kein Platz mehr vorgesehen. Oder anders ausgedrückt: Wo sie entstehen, etwa an der Altach in Zeil, am Angerbach in Ebern, am Stöckigsbach in Zell am Ebersberg (Knetzgau) oder am Seebach in Hainert (Knetzgau), richten sie fast zwangsläufig erhebliche Schäden an menschlichem Hab und Gut an.
Waren es in Ebern, Zeil und Knetzgau wirklich 100-jährliche Hochwässer?
Ein 100-jährliches Hochwasser wird statistisch gesehen einmal in 100 Jahren erreicht oder übertroffen. Ob dies vor einem Jahr im Landkreis der Fall war, vermag das Wasserwirtschaftsamt nicht genau zu sagen. Denn niemand hat die Abflussmengen gemessen. Nach den Schätzungen der Behörde hatten die Spitzenabflüsse eine Jährlichkeit im Bereich von 50 bis 100 Jahren.
Ist normalerweise kaum zu sehen: Der Stöckigsbach in Zell am Ebersberg.
Welche Schäden sind bei den Überflutungen entstanden?
Die Angaben hierzu kommen vom Landratsamt Haßberge. Dem Amt seien folgende Schäden bekannt, schreibt Pressesprecherin Moni Göhr: In Ebern: 343.000 Euro Schäden an Privateigentum (Gebäude und Hausrat) und 270.000 Euro an öffentlichem Eigentum (offene Gewässer, Kanäle, Straßen, Brücken und Gebäude). In Knetzgau ist von 742.000 Euro Schäden an Privateigentum und 200.000 Euro an öffentlichem Eigentum die Rede. Und in Zeil sollen sich die privaten Schäden auf 361.000 Euro und die der Stadt auf 30.000 Euro belaufen. Das Landratsamt geht davon aus, dass die Schadenssummen insgesamt höher liegen, weil gerade im privaten Bereich wohl viele Schäden nicht gemeldet worden seien. Die gemeldeten Schäden summieren sich auf knapp zwei Millionen Euro.
Was können Ebern, Zeil und Knetzgau tun, um Katastrophen wie vor einem Jahr zu vermeiden?
Es gibt keine Patentrezepte, heißt es aus dem Wasserwirtschaftsamt. Wohl aber allgemeine Maßnahmen wie die Reduzierung von Flächenversiegelung, das Freihalten von Überschwemmungsflächen und die Berücksichtigung möglicher Starkregenereignisse bei Bauvorhaben und der Landbewirtschaftung.
Der Dorfsee von Hainert in Normalzeiten und beim Hochwasser vor einem Jahr
Vor allem aber weist Mathes Limprecht auf die vom Freistaat geförderten gemeindlichen Hochwasserschutzkonzepte hin. Namentlich sind das das "Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept" sowie das "Sturzflutrisikomanagementkonzept". Diese Instrumente erlauben es den Kommunen, ihr Hochwasserrisiko abzuschätzen und mit professioneller Hilfe sinnvolle, auf die Situation vor Ort gemünzte Gegenmaßnahmen zu planen. Die Gemeinde Knetzgau ist dabei, ein Sturzflutrisikomanagementkonzept zu erstellen. Ebern verfügt bereits über ein Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept, das nun aufgrund der Ereignisse vom 9. Juli 2021 angepasst wird. Die Stadt Zeil wird ihr bestehendes Hochwasserschutzkonzept ebenfalls anpassen und erweitern.
Das bedeutet also: Alle drei Kommunen arbeiten in Sachen Hochwasserschutz eng mit dem Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen zusammen, holen sich dort Rat und Unterstützung. So, wie es wohl angesichts des Klimawandels und der mit ihm zunehmenden Starkregenereignisse alle Gemeinden tun sollten, nicht nur jene, die an den seit jeher von Hochwasser bedrohten Flüssen und Bächen liegen.
Was hat sich inzwischen noch getan? Beginnen wir in Knetzgau:
Hier hat die Freiwillige Feuerwehr ein Krisenhandbuch für kommende Hochwasserereignisse erstellt, berichtet Bürgermeister Paulus. Die Gemeinde hat, insbesondere in Westheim, ihr Kanalnetz mit Kameras befahren, um Fehlanschlüsse zu ermitteln. Am Ortseingang von Hainert soll eine neue Abflussrinne künftige Starkregen besser abführen.
So floss die Altach am 9. Juli 2021 durch Zeil - und so tut sie es heute
In Hainert, wo Seebach und Dorfsee vor einem Jahr ungeahnte Ausmaße angenommen haben, befindet sich zudem um den See herum nun eine neue und vergrößerte Abflussverrohrung. Was das neue Baugebiet "Obere Wedel" im Ort anbelangt, so will Paulus versuchen, die landwirtschaftlichen Randbereiche anzupachten und so zu bepflanzen, dass der Zufluss von Niederschlagswasser aus dem Außenbereich reduziert wird.
Paulus erwähnt ferner gereinigte Bäche und Gräben in Zell, Ober- und Unterschwappach. Und die Anpassung des Bebauungsplans für "Höret 2" im Kernort. Mehr Grünflächen, weniger Steinwüsten, weniger Flächenverbrauch lautet nun das Gebot im Sinne des Hochwasserschutzes.
Und wie schaut es in Zeil aus?
Hier hat die Stadt die mitten durch den Hauptort führende Altach ausbaggern und ihren dichten Schilfbestand zurückschneiden lassen, um künftigen Hochwasserabfluss nicht auszubremsen. Da musste auch mancher Baum, der im Bachbett wurzelte, daran glauben. Sedimente entfernen, Schilf schneiden: das stehe nun "ganz klar und regelmäßig im Aufgabenplan des Bauhofs", sagt Bürgermeister Stadelmann.
Er blickt aber noch weiter bachaufwärts, in Richtung der landwirtschaftlichen Flächen im Einzugsbereich der Altach. Hier hat der Rathauschef mit Bauern gesprochen, es geht um den Anbau von Feldfrüchten, die Wasserfluten zurückhalten und das Abschwemmen von Boden verhindern können. Zeil erhofft sich hier Unterstützung von der Initiative boden:ständig des Landwirtschaftsministeriums, auch wenn der Spielraum für Verbesserung in diesem Zusammenhang offenbar eher gering ist.
Stadelmann hat mit den Leuten im hochwassergefährdeten Bereich geredet, sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich auch selbst schützen müssen. Und er hat die Fühler nach Königsberg ausgestreckt, denn alles Unheil kommt bei ihm von Norden: Über die Altach, auch Krumbach genannt, die am Haßbergtrauf östlich von Königsberg entspringt. Da bedarf es einer gemeindeübergreifenden Lösung. Auch der am Krumbach gelegene Königsberger Stadtteil Altershausen stand vor einem Jahr unter Wasser.
Und was tut sich in Ebern?
Obwohl nicht verstopft, sondern funktionierend, war hier die Verrohrung des von Osten kommenden Angerbachs in der Altstadt, von der Gymnasiumstraße bis zum Anlagenring, das Problem. Der Querschnitt hat nicht für das ausgereicht, was für Bürgermeister Hennemann zweifelsfrei ein über 100-jährliches Hochwasser war. Die Stadt hat inzwischen vorgeschlagen, östlich des verrohrten Bereiches zusammen mit der seit Jahren geforderten Zufahrt von der Coburger Straße zum Mannlehen einen Hochwasserrückhalt zu bauen; bachaufwärts des Damms könnte sich das Wasser in den Wiesen stauen und kontrolliert abgelassen werden. Der Vorschlag wird derzeit vom Wasserwirtschaftsamt geprüft, sagt Hennemann.
Dramatisch war die Lage am 9. Juli 2021 am Hochwasserdamm von Knetzgau. Darauf deutet heute nichts mehr hin.
Zweitens setzt man im Rathaus auf eine direkte (Graben-)Verbindung des Angerbachs mit der keine 300 Meter entfernten Baunach, sollte der Wasserstand des Angerbachs eine gewisse kritische Höhe erreichen. Bislang mündet der Angerbach in den künstlich angelegten Mühlbach. Und der wiederum droht das Mühlenviertel zu überfluten, wenn sein Bett die Wassermassen nicht mehr fassen kann.
Im Rahmen der Städtebauförderung will Ebern den Bachlauf des Angerbachs sanieren und im Herbst und Winter schließlich den Baumbestand im Angerbachtal entlang der Coburger Straße durchpflegen lassen.
Was gilt es sonst noch festzuhalten?
"Hochwasserschutz ist eine Daueraufgabe", sagt Experte Mathes Limprecht. Es reicht nicht, Bauwerke wie Dämme hinzustellen, sie wollen auch gepflegt und unterhalten sein. Und: Mit technischer Hochwasservorsorge allein ist es nicht getan. Die Menschen müssen auf den Fall der Fälle vorbereitet sein und darüber hinaus wissen, dass jeder und jede Einzelne Mitverantwortung für einen guten Hochwasserschutz trägt.
Der Landkreis heißt Haßberge-Kreis und nicht Haßberg-Kreis.