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Würzburg/Schweinfurt
Häftlinge flohen aus bayerischen Gerichten: Innenminister und Justizminister fordern Berichte zur Sicherheitslage an
Erst floh ein Mörder aus dem Gerichtsgebäude in Regensburg, dann ein mutmaßlicher Vergewaltiger aus Coburg. Nun forderte die Staatsregierung die Justiz zum Handeln auf.
Nach der Flucht zweier Gefangener aus bayerischen Gerichten sollte die Justiz die Gebäude nun auf Sicherheitsmängel prüfen.
Foto: Thomas Obermeier | Nach der Flucht zweier Gefangener aus bayerischen Gerichten sollte die Justiz die Gebäude nun auf Sicherheitsmängel prüfen.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 23:01 Uhr

Nachdem in diesem Jahr bereits zweimal Häftlinge aus bayerischen Gerichten die Flucht gelang, kam auf die Justiz Arbeit zu: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) verlangten eine umfassende Aufarbeitung der beiden Fälle in Regensburg und Coburg, bei denen einmal ein verurteilter Mörder, einmal ein mutmaßlicher Vergewaltiger entkommen ist.

Auch wenn beide Männer schnell wieder gefasst wurden - es sei "völlig indiskutabel, wenn einem Häftling die Flucht gelingt", schimpfte Innenminister Herrmann. Die Konsequenz: Bereits bis vergangenen Freitag mussten die 99 bayerischen Gerichte dem Justizministerium über ihre Sicherheitsvorkehrungen berichten. In München werde man die angeforderten Berichte so schnell wie möglich prüfen, so ein Sprecher des Justizministeriums.

Richter überlegen es sich zweimal, ob sie einem Häftling die Fesseln abnehmen lassen

Die beiden geflüchteten Männer waren jeweils über einen Besprechungsraum im Erdgeschoss für Angeklagte und ihre Verteidiger entkommen. Dort hatten sich überraschenderweise Fenster öffnen lassen. In Würzburg scheint so etwas nicht möglich: Untersuchungshäftlinge werden im Strafjustizzentrum direkt aus dem Gefängnis oder aus den Haftzellen in die Gerichtssäle vorgeführt, wo sich die Fenster nicht öffnen lassen, teilweise seien sie sogar schussfest, bestätigt der Vizepräsident des Landgerichts, Boris Raufeisen. Gleiches gelte für Anwaltszimmer, die es auch in Würzburg im Erdgeschoss gebe. "Da ist der Griff zum Öffnen der Fenster demontiert, die kann man nicht öffnen", so Raufeisen.

Dennoch wirken sich die Fälle von Regensburg und Coburg aus: Im Sitzungssaal – in dem der oder die Vorsitzende das Sagen hat – überlegen es sich manche Richterinnen und Richter jetzt noch sorgfältiger, ob sie ihren Angeklagten die Fesseln abnehmen lassen. "Die Zeche müssen letztlich die anderen Angeklagten zahlen, die bei Gericht vorgeführt werden und einen humaneren Umgang erwarten", sagt ein Strafverteidiger und bestätigt damit eine Aussage Raufeisens: "Sonst konnten sie wenigstens mal ungefesselt in der Pause kurz ihre Angehörigen umarmen oder aufs Klo oder zum Rauchen."

Gefangene in Besprechgunsraum angekettet

In einem Prozess in Würzburg mussten die Verteidiger jetzt eigens darum bitten, ihren Mandanten, die aus der JVA vorgeführt wurden, während der Verhandlung die Fußketten zu lösen - was früher eher die Regel war. Der Vorsitzende Richter gestattete es, versicherte den Häftlingen aber: "In diesem Gebäude kann keiner abhauen!"

In Schweinfurt würden inzwischen Gefangene während einer Besprechung mit ihren Anwältinnen oder Anwälten manchmal sogar mit Handschellen irgendwo im Raum angekettet, damit sie keine Chance zur Flucht haben, berichteten Anwälte am Rande eines Prozesses am Dienstag.

Dabei sind in Unterfranken zuletzt keine Fluchtversuche bekannt geworden - mit einer Ausnahme: In Aschaffenburg war Ende 2022 während eines Prozesses, bei dem einem Mann vorgeworfen wurde, einen Bekannten zum tödlichen Sprung in den Main gezwungen zu haben, der Fluchtversuch des Angeklagten gescheitert. Er wollte die Mittagspause in der Haftzelle im Gericht nutzen, um den Fensterrahmen aus der Mauer zu kratzen.

Unterfränkische Gerichte sehen keinen Handlungsbedarf

Inzwischen haben in Würzburg Vertreterinnen und Vertreter von Land- und Amtsgericht sowie Staatsanwaltschaft überall an den Gebäuden die Möglichkeiten zur Flucht geprüft und ihren Befund nach München gemeldet. Dabei kam man zum selben Schluss wie in den Landgerichten in Schweinfurt und Aschaffenburg: Anpassungsbedarf habe es nicht gegeben, heißt es.

Aber natürlich lebe man vom Erfahrungsaustausch, so der Vizepräsident des Landgerichts Würzburg, Boris Raufeisen. "Wenn anderswo jemand eine gute Idee zur Erhöhung der Sicherheit entwickelt, nehmen wir die beim Erfahrungsaustausch gerne in unser Konzept auf", versichert er.

Wie die Polizei den Regensburger Fall aufarbeitet

Unterdessen beschäftigen die Fälle von Regensburg und Coburg auch die Polizei. So dauert die Aufarbeitung des Geschehens in Regensburg, wo ein verurteilter Mörder, der in der JVA Würzburg einsaß, entkommen war, laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken noch an. "Hierbei werden alle am Geschehen beteiligte Stellen mit einbezogen", betont er.

Der Häftling war in Regensburg aus einem Fenster des Gerichtsgebäudes geflohen. Die beiden unterfränkischen Polizisten, die ihn bewachen sollten, wussten nicht, dass sich im Beratungsraum des Gerichts das Fenster zur Straße öffnen ließ. Erst wenn die interne Aufarbeitung abgeschlossen ist, werde entschieden, welche dienstrechtlichen Folgen der Fall für die Beamten haben könnte. Sie sind weiter im Dienst.

 
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