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Würzburg/Regensburg
Fehlerkette: Flucht eines in Würzburg einsitzenden Mörders aus einem Regensburger Gericht hätte wohl verhindert werden können
Keine Fesseln, schlechte Absprachen, ungeeignetes Besprechungszimmer: Ein Bericht zeigt, welche Fehler bei der Bewachung die Flucht des Mannes ermöglichten.
Der 40-Jährige floh durch ein Fenster eines Anwaltszimmers, das für Beratungen mit Inhaftierten nicht vorgesehen war.
Foto: Armin Weigel, dpa | Der 40-Jährige floh durch ein Fenster eines Anwaltszimmers, das für Beratungen mit Inhaftierten nicht vorgesehen war.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 23:01 Uhr

Der Mörder, der in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg einsaß und Anfang Januar aus einem Gerichtsgebäude in Regensburg floh, beschäftigt aktuell Polizei- und Justizbehörden in Unterfranken, der Oberpfalz und Mittelfranken. Wie aus einer Pressemitteilung vom Montag hervorgeht, gab es bereits vergangene Woche ein Treffen, bei dem Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Polizeipräsidien, des Land- und Amtsgerichts Regensburg sowie der Staatsanwaltschaften Regensburg und Nürnberg/Fürth den Vorfall rekonstruierten und weitere Schritte zu dessen Aufarbeitung festlegten. Das Ergebnis: Vermutlich hätte die Flucht des 40-Jährigen verhindert werden können.

Dem Mann war es gelungen, aus einem Anwaltszimmer, in dem er sich vorgeblich mit seinem Verteidiger beraten wollte, mit einem Sprung durch ein unverschlossenes Fenster zu entkommen. Vorher war "gerichtlich angeordnet" worden, ihm "im Sitzungssaal die Handfesseln abzunehmen", um ihm "ein Mitschreiben zu ermöglichen", heißt es in der Mitteilung.

Raum war nicht für Besprechungen mit Inhaftierten vorgesehen

Es bestehe "Einigkeit" darüber, "dass eine der Polizei obliegende Fesselung des Angeklagten nach Verlassen des Sitzungssaals und eine lückenlose Überwachung des zu öffnenden Fensters in dem zur Flucht genutzten Anwaltszimmer, die Flucht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte". Für die Vorführung und Bewachung des verurteilten Mörders waren Polizeibeamte aus Unterfranken zuständig.

Doch den unterfränkischen Beamten die alleinige Schuld an der Flucht zu geben, scheint zu kurz gegriffen: Weiterhin wurde nämlich festgestellt, dass das Anwaltszimmer "nicht gesichert" sei. Vielmehr diene es Anwältinnen und Anwälten "als Aufenthaltsort für Sitzungspausen". Deutlich heißt es in dem Bericht: "Für Besprechungen mit inhaftierten Angeklagten ist der nicht überwachte Raum nicht konzipiert." Hierauf sei inzwischen gerichtsintern nochmals hingewiesen worden. "Bauliche Maßnahmen" seien an dem Gebäude allerdings derzeit nicht vorgesehen.

Als weiteren Aspekt, der die Flucht "begünstigt" habe, nennt der Bericht "die mangelnden Kenntnisse der Vorführbeamten" aus Unterfranken "zu baulichen und sicherheitstechnischen Gegebenheiten" in dem Regensburger Gericht. Dem will man künftig mit "Intensivierungen bei der Zusammenarbeit zwischen ortsfremden Polizeikräften und örtlichem Sicherheitspersonal" begegnen.

Kommt der Mörder nach seiner Auslieferung zurück nach Würzburg?

Insgesamt wolle man "die bislang standardisierten Ablaufprozesse einer intensiven Überprüfung" unterziehen. Hierbei sollen "potentielle Schwachstellen" identifiziert werden. Zwar sei immer "angelehnt an die jeweilige Gefährdungsprognose eine Einzelfallprüfung vorzunehmen", heißt es. Allerdings wolle man bei einer "fortlaufenden Sensibilisierung der Einsatzkräfte" ein besonderes Augenmerk  "auf die noch konsequentere und stringentere Umsetzung der Vorgaben zur Fesselung" legen.

Der flüchtige Mörder war nach vier Tagen in Frankreich festgenommen worden. Er soll zeitnah nach Deutschland überstellt werden. In welcher JVA er dann untergebracht wird, ist nicht bekannt.

 
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  • G. W.
    Wenn die Anordnung lautet, im Sitzungssaal die Handschellen abzunehmen, dann könnten die Bewachenden zwar selbstdenkend folgern, die Fesseln zum Verlassen des Sitzungssaales wieder anlegen zu sollen, wobei in diesem Kommentar die Betonung auf " könnten" liegt.
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  • G. W.
    Polizei hat Befehle auszuführen und jetzt plötzlich soll Polizei auch noch mitdenken? Das muß doch in die Hose gehen!
    Oder hat da jemand die Anweisung erteilt, die Fenster zu überprüfen, ob man dadurch hinausklettern kann? Na also....
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  • I. E.
    Der Grundfehler liegt schon in der Architektur bzw. inneren Raumverteilung des Gebäudes!
    Wie kann ich einen Besprechungsraum, in dem sich Angeklagter und Verteidiger beraten können (und der ja vorhanden sein muss) so platzieren?!
    Der muss entweder in einem der oberen Stockwerke liegen - oder er muss, sofern im Erdgeschoss angesiedelt - vergittert sein!
    Alles andere (ob jetzt nun mir Fesseln, oder was auch immer) ist dann zweitrangig. Schon alleine die Tatsache, dass für die Besprechung außen ein Wachmann vor dem erdgeschossig liegenden Fenster postiert werden muss, zeigt doch, dass da was nicht stimmt!
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  • O. S.
    ein Sprungtuch sollte auch bereit liegen
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  • I. E.
    Wofür?
    Wer dann von oben springt und sich verletzt, ist selber schuld!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    So was kann auch nur im CSU regierten Bayern passieren.
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  • W. B.
    @arcus. Bitte belegen sie ihre Behauptung. Ansonsten ist es, wie so oft, nur grünes Dummgebabbel.
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  • D. E.
    Dann sind die im letzten Jahr 217 zusätzlich (insgesamt 44.000) eingestellten Polizisten einfach zu wenig beim Thema Sicherheit gewesen. Da muss Innenminister Herrmann - verantwortlich für Polizei - dieses Jahr nochmal nachlegen.
    https://www.sueddeutsche.de/bayern/innere-sicherheit-nuernberg-bayerische-polizei-wird-verstaerkt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220301-99-335479
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  • B. F.
    das Hauptproblem ist wohl bei der Richterin zu suchen, die angeordnet hatte, dass er keine Fesseln tragen muss !! Merkwürdig, bei einem gewalttätigen Verbrecher !
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  • H. S.
    die Überschrift alleine schon.....da weiß ich, den Artikel brauchst gar nid erst lesen!
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  • G. R.
    Da sind sie wieder, dienieeinenFehlermachen. Die Sache ist passiert, wird bestimmt erbeitsrechtliche Konsequenzen haben, falls möglich. Damit hat sichs aber auch. Weltuntergangsstimmung völlig fehl am Platz!
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  • U. S.
    @smutje

    Fehler passieren nur hier kann man den Fehler als groben Leichtsinn bezeichnen denn da war nicht nur ein Fehler, da gab es mehrere. Es haben somit mehrere Verantwortliche versagt!

    Was wäre wenn der Ausbrecher eine Tat begangen hätte? Würden Sie das dann auch so locker sehen? Vielleicht war es nur Zufall, dass nichts weiter passiert ist. Oder Glück, dass man ihn relativ schnell wieder gefunden hat. Immerhin hat er es bis ins Ausland geschafft!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    War wohl Verhinderbar? Man sollte hat nicht "schlafen" bei der Arbeit!
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  • T. H.
    @gardner
    Sie haben noch nie einen Fehler gemacht?
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    @purerluxus: Man sollte schon als "Fachpersonal" wissen wie man mit einem Schwerverbrecher umgeht, oder sehen Sie das anders?
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  • G. S.
    Ein Armutszeugnis für den Staat … viele Dinge scheinen in unserem Staat nicht mehr zu funktionieren!
    Ohne Rechtsdurchsetzung und den sicheren Aufbau der staatlichen Strukturen wird dem Staat sein innerstes Wesen entzogen. Wir leben von Voraussetzungen, die zumindest von den ausführenden Organen und auch der Rechtsprechung gewissenhaft erfüllt werden müssen!!!
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  • T. H.
    @certa_me23491502
    Ich verstehe ihren Kommentar nicht. Es wurden Fehler gemacht, dass ist klar. Es hätte nicht passieren dürfen, auch klar. Aber wo Menschen tätig sind, passieren nun mal Fehler.
    So sehe ich z. B. ihren Kommentar.
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  • G. S.
    Völlig klar, dass nicht jeder alles versteht! Genau das ist das Problem!
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  • P. K.
    Totale Unfähigkeit aller beteiligten Personen, bis auf den Mörder natürlich.
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