Andere quälen sich im Zeugenstand. Dieser Zeuge aber scheint den Auftritt vor Gericht zu genießen. Drei Dutzend Zuschauer sind an diesem sechsten Verhandlungstag wieder im Saal, darunter viele Bekannte. Im großen Prozess um Drogenhandel in Würzburg soll am Donnerstag ein bereits überführter Kurier aussagen. Und Auskunft geben über die Angeklagten, die laut Staatsanwaltschaft im großen Stil dealten und säumige Kunden auf dem Fußballplatz gequält haben sollen.
Die Erinnerungen des jungen Zeugen an das, was vor zwei Jahren passierte, sind so bruchstückhaft wie sein Deutsch. Angesichts der stark schwankenden Aussagen lässt das Gericht einen Anwalt als Beistand rufen. Doch auf noch so geduldige Fragen gibt sich der Zeuge begriffsstutzig. Mit Unschuldsmiene erklärt er: "Ich sage mal ganz ehrlich: Ich erinnere mich nicht mehr".
Zum eigenen Konsum oder gehandelt: Für wen war das Haschisch?
Dabei hatte er in seinem eigenen Prozess konkrete Angaben gemacht. Ob er mit dem Kumpel verabredet war, im Auto des Hauptangeklagten 300 Gramm Haschisch zu besorgen? Keine Ahnung. Warum er ins Auto stieg? Nur so. Ob er von den zwei Tüten Haschisch wusste? Die habe ihm der Fahrer erst "ins Gesicht geschmissen", als sie in eine Polizeikontrolle gerieten. Warum er mit den Drogen davonlief? Schulterzucken. Worüber man im Auto sprach? "Über den Sinn des Lebens." Gelächter im Publikum, wütende Blicke vom Gericht.
Der Drogenkurier im Zeugenstand belastet an diesem Donnerstag keinen der sechs Angeklagten. Das Rauschgift sei seins gewesen, sagt er zunächst. Der Staatsanwalt erinnert: Als Angeklagter im eigenen Verfahren habe er erklärt, Kurier für andere gewesen zu sein. "Ich hatte die Frage in der Aufregung falsch verstanden", murmelt er.
Auch andere Zeugen bekommen einen Anwalt als Beistand. Mit jeder Aussage wird unklarer, wer bei den angeklagten Folterungen dabei war. Den Videoaufnahmen zufolge ein halbes Dutzend Mittäter, aber wer? Gut möglich, dass in diesem Prozess ein nächtlicher Vorort-Termin des Gerichts auf dem Würzburger Fußballplatz nötig wird, um die Lichtverhältnisse zu überprüfen.
Verteidiger rügen: Vorladung von Zeugen mit "Suggestiv-Wirkung"
Die Anwälte verschärfen indes den Tonfall. Christian Mulzer sieht seinen Mandanten zu Unrecht an den Pranger gestellt: Zeugen würden nur unter dessen Namen geladen - ohne die anderen Beschuldigten in diesem Verfahren zu nennen. "Das hat Suggestiv-Wirkung", rügt der Verteidiger. Tatsächlich belastet ein Zeuge dann nur Mulzers Mandanten, als sei er der Haupttäter.
Der Vorsitzende Richter Michael Schaller wehrt ab: Die Berichterstattung dieser Redaktion belege, dass die Öffentlichkeit von einem anderen Haupttäter ausgeht.
Stundenlang dreht man sich im Kreis, dann vertagt sich das Gericht auf nächsten Dienstag.
Die Wechselwirkung und gegenseitige Befruchtung zwischen zielgruppengerechter launiger „Berichterstattung“ und dem Verhalten von Richtern und Staatsanwälten, die wiederum selbst „privilegierte“ Quelle der Berichterstattung sind, ist ein Thema, das jede Aufmerksamkeit verdient.
Mir als Teil der „Öffentlichkeit“ erschließt sich hier keinesfalls anhand Berichterstattung, wer „Haupttäter“ für was ist! Zwar ist alles anhaltend ganz „furchtbar“ und „grausam“ und das ganze - was sonst? - ein „großer Drogenprozess“ - andererseits wird alles immer „unklarer“….