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Würzburg
Dealerbande in Würzburg vor Gericht: Drogenschulden laut Anklage mit brutaler Gewalt eingetrieben
Die Jugendkammer des Landgerichts Würzburg steht vor einer schwierigen Beweislage. Zum Prozessauftakt am Mittwoch äußerte sich nur einer der Angeklagten zu den Vorwürfen.
Eine brutale Dealerbande steht in Würzburg vor Gericht: Sie soll mit Gewalt ihre Drogengeschäfte betrieben und dabei auch gefoltert haben. Der Prozessauftakt fand aus Platzgründen im Radlersaal in Heidingsfeld statt. 
Foto: Thomas Obermeier | Eine brutale Dealerbande steht in Würzburg vor Gericht: Sie soll mit Gewalt ihre Drogengeschäfte betrieben und dabei auch gefoltert haben.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 16.03.2024 02:43 Uhr

Der Hauptangeklagte wird als letzter in den Gerichtssaal geführt an diesem Mittwochmorgen. Er trägt enge Hand- und Fußfesseln, sein Pulli hat die Aufschrift "Nice Mood". Als sei "Gute Stimmung" sein Motto für diesen ersten Verhandlungstag. 

Der 25-Jährige, den die Würzburger Staatsanwälte Jonas Katzenberger und Lisa Dombrowski als Chef der Drogenbande bezeichnen, mustert lächelnd den voll besetzten Zuschauerraum. Die fünf Mitangeklagten, die in seinem Auftrag gedealt und auch gefoltert haben sollen, zeigen nicht annähernd so ein Selbstbewusstsein.

Die Fußfesseln wurden den sechs Angeklagten auch während der Verhandlung nicht abgenommen. 
Foto: Thomas Obermeier | Die Fußfesseln wurden den sechs Angeklagten auch während der Verhandlung nicht abgenommen. 

Aufmunternd zwinkert der Hauptbeschuldigte einem Mitangeklagten zu. Als die Anklage verlesen wird, schüttelt er hier und da missbilligend den Kopf. Aber nicht an den Stellen, an denen die Staatsanwälte schildern, wie seine Bande nachts auf dem Würzburger Fußballplatz Kleindealer und Junkies gefoltert haben soll, weil sie angeblich Geld schuldig waren. Da lächelt der 25-Jährige nur leise vor sich hin.

Mutmaßlicher Dealer gibt als Beruf Musiker an

Nur einmal zuckt er kurz, als er nach seinen Personalien gefragt wird: Als er "Musiker" als Beruf angibt, brandet Gelächter unter den etwa 50 Zuschauern im Radlersaal in Heidingsfeld auf. Weil der Platz im Justizzentrum für diesen großen Prozess nicht ausreicht, hat das Landgericht die Verhandlung zum Auftakt hierher verlegt. Nachbarn, Verwandte, offenbar auch ein paar "Kunden" der Angeklagten sind gekommen - und scheinen besser zu wissen, womit der 25-Jährige Geld verdient Laut Anklage mit Cannabis, Kokain, Amphetaminen und anderen Drogen.

Seit 2019 soll die Bande Drogen im zweistelligen Kilobereich über Tarnadressen besorgt und verkauft haben. Säumige Zahler soll das Sextett unter dem Kommando des Anführers nachts nackt ausgezogen, gedemütigt und gnadenlos mit Messer, Stock und Feuerzeug malträtiert haben. Die Torturen wurden zur Abschreckung offenbar teilweise per Handy gefilmt, um sie in der Szene zur Abschreckung zeigen zu können

13 Verteidiger für sechs Angeklagte - und weitgehend Schweigen

Mit 13 Anwälten sind die sechs Beschuldigten gekommen. Die meisten Verteidiger haben ihren Mandanten geraten, zunächst zu schweigen und abzuwarten, was die Drogenfahnder im Zeugenstand sagen. Nur ein Angeklagter äußert sich an diesem Mittwoch zu den Vorwürfen.

Der 22-Jährige sagt, er wolle reinen Tisch machen und aus der Szene aussteigen. Die bei ihm gefundenen Kleinmengen an Drogen seien nicht für den Verkauf, sondern für den eigenen Konsum  bestimmt gewesen. Er habe dabei gestanden, als im Sportheim ein Schuldner mit einer brennenden Zigarette gequält wurde: "Ich habe nichts dagegen gemacht", sagt er zerknirscht, wie schon bei der Polizei.

Geständnis eines Beschuldigten, ohne andere zu belasten

Den Namen der Folterer werde er nicht nennen, sagen er und sein Verteidiger Martin Reitmaier immer wieder auf drängende Nachfragen. "Haben Sie Angst?", fragt der Vorsitzende Richter Michael Schaller – und erntet beredtes Schweigen. Er wolle sich nur bei dem Geschädigten entschuldigen, dass er untätig geblieben sei, sagt der Angeklagte dann zögernd. Als er nur kurz den Namen des Hauptangeklagten erwähnt, wird er von dessen Verteidiger sofort mit scharfen Fragen konfrontiert - und rudert zurück.

Überhaupt fahren einige der Anwälte eine ungewohnt konfrontative Gangart gegen die Jugendkammer des Würzburger Landgerichts. Einer rügt, unter den Zuschauern säße einer, der vielleicht als Zeuge infrage komme und deshalb den Saal verlassen sollte. 

Warum die Anklage zweimal verlesen wird

Ein anderer Verteidiger spekuliert über den Inhalt eines Notizzettels an das Gericht: Er nährt den Verdacht, einer der fünf Richter habe abwesend gewirkt bei Verlesung der Anklage – und die Jugendkammer sei heimlich darauf hingewiesen worden, um keinen Grund für eine Revision nach dem Urteil zu liefern.

Zur Sicherheit muss die Anklage ein zweites Mal komplett verlesen werden. Wofür die zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft im ersten Anlauf fast eine Stunde brauchten, schaffen sie jetzt in 28 Minuten. Dann ist der erste von elf angesetzten Prozesstagen vorbei. Bis zum 24. April sind die Verhandlungen terminiert.

 
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Kommentare
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  • Franz Barthel
    Das Bild zeigt was ?
    Wow. Selten aus einem Gerichtssaal ein so nichtssagendes Bild gesehen. Schwerpunkt: Der Rücken eines Polizeibeamten, der vor dem Prozess offensichtlich beim Friseur war ....
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  • Bernd Kleinschmidt
    Trotzdem bleibt die Frage, die mich brennend interessiert: WER bezahlt die 13 (!!) Anwälte??
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  • Albrecht Schnös
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Hermann Spitznagel
    Ein 25 jähriger vor der Jugendkammer?
    Urteil vermutlich nach dem Jugendstrafrecht?
    Und 13 Anwälte für 6 Angeklage, bezahlt mit Drogengeld.
    Alles juristisch einwandfrei?
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  • Peter Koch
    Die Mitangeklagten sind halt jünger und für die gilt dann das Jugendstrafrecht.
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