
Deutschlandweit steigen die Zahlen der Corona-Neuinfizierten. Auch Unterfranken ist von dieser Tendenz betroffen. Kommen dann noch so genannte Superspreader- Ereignisse (zum Beispiel ein Infizierter auf einer großen Feier) hinzu, kann der kritische Sieben-Tage-Inzidenz-Wert von 50 Neuinfizierten pro 100 000 Einwohner schnell für ein Paar Tage übertroffen sein. Dies aber führt zu Einschränkungen im öffentlichen Leben und kann für die betroffenen Einwohner auch unangenehme Folgen haben, etwa wenn sie innerhalb Deutschlands reisen wollen. Doch die Werte unterscheiden sich oft. Drei Behörden geben Auskunft über die aktuellen Fälle und Inzidenzzahlen: Die örtlichen Gesundheitsämter, in Bayern das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und für ganz Deutschland das Robert Koch-Institut (RKI), ein dem Bundesministerium für Gesundheit zugeordnetes Institut.
Unterschiedliche Methoden und Einwohnerzahlen
Gerade wenn der Sieben-Tage-Inzidenzwert um die 50 liegt, kann es da schon ärgerlich sein, wenn von diesen drei Stellen unterschiedliche Werte gemeldet werden. Auf Nachfrage teilt das LGL mit, dass es den einzelnen Gesundheitsämtern in Bayern regelmäßig mitteilt, wie es die Sieben-Tage-Inzidenz berechnet. Allerdings stehe es den einzelnen Land- und Stadtkreisen frei, andere Methoden zu verwenden. Außerdem verwenden LGL und RKI als Basis ihrer Berechnungen die Einwohnerzahlen des statistischen Bundesamtes mit Stand vom 31. Dezember 2018. Gesundheitsämter dürfen aktuellere Einwohnerzahlen heranziehen, wenn sie über diese verfügen.

Für die Inzidenz der letzten sieben Tage werden die Fallmeldungen verwendet, die mit Meldedatum des Aktualisierungstages bis zu einer festgelegten Uhrzeit eingegangen sind. Das Meldedatum entspricht dem Datum, an dem das Gesundheitsamt vor Ort Kenntnis von einem positiven Laborbefund erhalten hat. Dieses Meldedatum entspricht nicht immer dem Datum, an dem LGL oder RKI einen Fall erstmals berichten, heißt es auf Nachfrage.
Aktualisierung zu verschiedenen Zeiten
Zu den meisten Differenzen zwischen RKI und LGL kommt es vor allem, weil die beiden Meldebehörden unterschiedliche Uhrzeiten der täglichen Aktualisierung anwenden. Das RKI berichtet stets den Stand von Mitternacht. Das LGL berichtet alle Fälle, die bis acht Uhr am Morgen gemeldet wurden. Dafür aktualisiert es seine Homepage erst gegen 14 Uhr. Dies bedeutet konkret, am Morgen ist stets das RKI aktueller, ab 14 Uhr dann das LGL. Da kann es dann schon einmal vorkommen, dass, wie am Montag, der Landkreis Rhön-Grabfeld beim RKI bereits am frühen Morgen bei der Inzidenz von 36,4 weit unter der kritischen 50-er Marke liegt, das LGL aber erst um 14 Uhr diesen Wert nachvollzieht und den Landkreis bis dahin mit einer Inzidenz von 51,45 ausweist.

Bleibt die spannende Frage, welche Zahl am Ende offiziell zählt, wenn es um Maßnahmen und Folgen einer hohen Inzidenz geht. Hier teilt das LGL auf Nachfrage mit, dass sich die Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder darauf verständigt habe, dass für den Schwellenwert 50 und den daraus sich ergebenden Folgen ausschließlich der Wert des RKI herangezogen werden darf. Für den bayerischen Schwellenwert 35 als Frühwarnsystem hingegen ist der Wert des LGL ausschlaggebend. Denn das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wurde beauftragt, beim Überschreiten von 35 Inzidenz die zuständigen Behörden zu informieren.
Politik will mehr Klarheit schaffen
Hinzu kommen in seltenen Fällen kleinere Abweichungen, weil das RKI die Zuordnung der gemeldeten Fälle überprüft und gegebenenfalls Korrekturen vornimmt. Zum Beispiel wenn ein Würzburger von einem anderen Gesundheitsamt übermittelt wurde, weil er sich gerade in einer anderen Stadt aufhält und dort auch getestet wurde.
Auf Nachfrage teilt das LGL mit, dass das bayerische Gesundheitsministerium und das LGL aktuell prüfen, welche Änderungen der aktuellen Vorgehensweise für mehr Klarheit sorgen könnten.
Was die Behörden irrsinnigerweise als Grundlage für Maßnahmen nehmen, ist die Inzidenz: Wieviele postive Tests gab es innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner.
Also zum Mitrechnen: ca. 1% der getesteten ist positiv (s.o.). Teste ich in einer Woche 4000 Leute, so finde ich 40 Positive, teste ich 8000, so finde ich 80 Postive, bei 12000 Tests werde ich 120 finden. Bei einer Stadtgröße von 100.000 Einwohnern habe ich also "je nach Wunsch" eine 7-Tages-Inzidenz von 40, 80 oder 120. Aber OHNE daß sich auch nur eine Person mehr angesteckt hätte.
Genau so ist es in Würzburg passiert, wegen einem Fall in der Schule hat man an zwei Tagen tausende Tests durchgeführt (an einem Tag über 2000, das waren 25% aller Test von ganz Bayern), dadurch ist die Inzidenz hochgeschnellt, und natürlich sofort schlagartig wieder gesunken, als diese Testtage aus der 7-Tages-Frist wieder herausgefallen sind.
Mit dem Infektionsgeschehen hat das alles nichts zu tu, sondern reine Mathematik.
Außerdem steigen die Zahlen eben nicht: Um zu beurteilen, ob sich die "Pandemie" ausbreitet oder zurückgeht, wäre doch zu betrachten, welcher Prozentsatz aller Tests positiv ausgeht. Dieser Prozentsatz wird in den Medien nie veröffentlicht, kann man aber beim RKI nachlesen und wunderbar graphisch dargestelt auch ansehen bei "ourworld in data", sogar laut Wikipedia eine weltweit anerkannte wissenschaftliche Datenbank.
https://ourworldindata.org/grapher/positive-rate-daily-smoothed?tab=chart&time=2020-03-15..2020-09-30&country=~DEU
Dort erfährt man, daß dieser Prozentsatz seit Ende April IMMER zwischen 0,8 und 1,1 Prozent liegt.