Dicht gedrängt stehen die Besucherinnen und Besucher am Donnerstagmorgen vor dem Amtsgericht Würzburg. Viele kommen aus der lokalen "Querdenker"-Szene, man kennt sich, lacht und umarmt sich. Heute sind sie zur Unterstützung hier. Ein Redner ihrer Demos steht vor Gericht, weil er am Würzburger Marktplatz eine verbotene Geste gezeigt hat. "Objektiv war es ein Hitlergruß", sagt dazu Amtsrichterin Gudrun Helm. Freisprechen wird sie den Mann am Ende dennoch. Wie kam es dazu?
Es ist Ende Dezember 2021, als die Stimmung in der "Querdenker"-Szene aufgrund einer drohenden Impfpflicht besonders hochkocht. In Würzburg ist die Lage aufgeheizt. Hunderte versammeln sich immer wieder am Marktplatz, darunter wiederholt Rechtsextremisten vom "Dritten Weg".
Oberstaatsanwalt: Der Beschuldigte habe "die Grenze des Sagbaren" verschieben wollen
Es ist eine dieser Demos, auf der der nun freigesprochene Redner mit ungewöhnlichen Gesten die Versammlungsauflagen durchsetzt. Der Mann arbeitet als Rechtsanwalt in Würzburg und ist eine Schlüsselfigur der unterfränkischen "Querdenker"-Szene. "Da hinten ist noch ein Drittel frei", ruft er bei der Demo mit steil nach vorne gestrecktem rechten Arm. Die Leute sollen sich verteilen. Dann hebt er nochmal den Arm und lässt ihn einige Sekunden in der Position.
"Ihm war bewusst, dass seine Geste wahrgenommen wurde", sagt dazu Oberstaatsanwalt Hubert Stühler in seiner Anklagebegründung. Die Armbewegung sei eindeutig ein Hitlergruß. Der Redner habe zudem extra das Mikrophon von der rechten in die linke Hand genommen, um die rechte Hand für die Geste frei zu haben. Ziel, so Stühler, sei Provokation gewesen. Der Beschuldigte habe "die Grenze des Sagbaren" verschieben wollen.
Im Publikum lösen Stühlers Ausführungen Gelächter aus, zwei Personen werden des Saals verwiesen. Zuvor hatten fünf weitere aufgrund der angeordneten Maskenpflicht den Saal verlassen. Sicherheitskräfte sehen sich immer wieder gezwungen, die Maskenpflicht bei den Anwesenden durchzusetzen. Als sich während der Ausführungen des Gerichts einer der Besucher mit einer Wortmeldung meldet, entgegnet die Richterin sichtlich genervt: "Hier ist keine Schule."
Würzburger Polizisten beschreiben den Beschuldigten als "sehr offen"
Ernster als das Publikum nimmt der Angeklagte den Prozess. Er sei "erschrocken", als er die Bilder seiner Geste gesehen habe. "Mich hat es selber auch befremdet." Dennoch habe es sich bei der Armbewegung um eine "natürliche" Zeigegeste gehandelt. Das Mikrophon habe er von der einen in die andere Hand gewechselt, weil er "starker Rechtshänder" sei. Rechtes Gedankengut liege ihm fern.
Dennoch bestehe "eine gewisse Nähe" seiner Bewegung zu Rechtsextremen, hält Richterin Helm fest und verweist auf die mehrfache Teilnahme des rechtsextremen "Dritten Wegs" an Demos in Würzburg. Einen neuen Dreh bekommt die Verhandlung dann durch Zeugenaussagen dreier Polizeibeamter.
Als "sehr offen" beschreibt Andreas Herbst, erster Polizeihauptkommissar in Würzburg, der die Corona-Proteste seit langem begleitet, den Beschuldigten. Rechte Tendenzen seien ihm bei diesem nicht bekannt. Ein weiterer Beamter, der bei der Armbewegung anwesend war, gibt an, dass diese ihm nicht außergewöhnlich vorgekommen sei und auch der Leiter der Ermittlungen sagt aus, keine Kenntnisse über rechte Tendenzen des Beschuldigten zu haben.
Amtsgericht Würzburg: Geste ist nur durch "grenzenlose Dummheit" erklärbar
"Ich halte den Angeklagten für eindeutig überführt", sagt hingegen Staatsanwalt Stühler in seinem Plädoyer. Der Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wie es der Hitlergruß ist, sei durch die Bildaufnahmen objektiv erwiesen und sei nicht abhängig von etwaiger rechter Gesinnung. Er forderte daher eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 80 Euro.
"Man muss trennen zwischen objektiv und subjektiv", sagte Richterin Helm und sprach den Beschuldigten von der Anklage frei. So hätten etwa die Aussagen der Polizeibeamten gezeigt, dass die subjektive Absicht eines Hitlergrußes nicht zweifelsfrei nachzuweisen sei. Dennoch sei die gezeigte Geste nur schwer nachzuvollziehen: "Das kann ich nur durch grenzenlose Dummheit erklären", so die Richterin.
Gegen den Beschluss sind Rechtsmittel möglich. Staatsanwalt Stühler sagte, er werde "sorgfältig prüfen", ob er in Berufung gehen werde.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
...Königlich-Bayerische Amtsgericht 🙈 🙉 🙊
War doch der Beklagte - Zitat: "erschrocken", als er die Bilder seiner Geste gesehen habe. Und "... ihn hat es selber auch befremdet."
Da kann das Gericht natürlich einem Anwalt keine Absicht nachweisen
Für mich nur ein Schmierentheater...
Woher die Polizeibeamten wissen wollen, dass der Hitlergrüsser kein Rechter ist, erschließt sich mir nicht.
Es darf durchaus als bekannt vorausgesetzt werden, daß in Deutschland die Polizei nicht besonders treffsicher ist bei der Beurteilung von Rechtsextremismus und Haßreden (siehe NSU 2.0 etc.).
Selbst wenn man der Richterin unterstellt, daß sie tatsächlich an die "Dummheit" des Hitlergrüßers glaubt, erfindet sie selbst einen neuen Rechtsgrundsatz: es kommt nicht auf die objektiv begangene Tat an sondern auf die subjektive Sicht des Täters.
Ja: die Planer der industriellen Judenvernichtung auf der Wannseerkonferenz fühlten sich auch im Recht und sind somit unschuldig.
Konsequenterweise hätte man auch Eichmann frei sprechen müssen.
Wehret den Anfängen!
Ist das schon Rechtsbeugung?
Diese Frage habe ich mir tatsächlich auch gestellt …
Die Richterin hat selbst festgestellt: "Objektiv war es ein Hitlergruß". Und der ist nun mal verboten …
Der Artikel versucht auch noch den Angeklagten in die rechte Ecke zu stellen, was er niemals war und auch nicht ist.
Aber einfach mal mit Dreck werfen. Irgendetwas wird schon hängen bleiben. So werden Menschen diffamiert. So geht Framing.