Noch nie war Würzburg bei Auswärtigen so beliebt wie heute. Erst im Juli gab es einen Rekord zu vermelden: Über 100 000 Übernachtungen! Wahnsinn. Aber ist das wirklich so überraschend? Schließlich ist Würzburg längst kein Geheimtipp mehr, der umständlich in verstaubten Reiseführern gesucht werden muss. Touristen schätzen Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen ebenso wie die Atmosphäre am Mainufer, echt wahr. Die Welt mag gerade aus den Fugen geraten, doch gereist wird irgendwie immer.
Aber: Man fährt ja nicht mehr einfach so weg. Ziel und Art der Reise sind heute begründungspflichtig. Es geht in den schottischen Regen, damit die Kinder Englisch lernen, nach Montenegro, bevor dort alle sind, nach Kuba, um zu zeigen, dass nicht jeder Deutsche Schmidt heißt. Und wer dann noch etwas von Kultur hält, der ist in Würzburg goldrichtig.
Die Lage ist kompliziert
Nur: Was gibt es hier überhaupt zu bestaunen? Wer sich in der nicht-würzburgerischen Medienlandschaft mal umschaut, der bekommt Tipps – ohne, dass er sie überhaupt haben will und ohne Gewähr auf Korrektheit. Aktuelles Beispiel gefällig? Das Magazin "Stern" berichtete kürzlich über unsere schöne Stadt. Und da darf der Weingenuss natürlich nicht fehlen. Und irgendwoher müssen die Trauben ja auch kommen. Das veranlasste die findigen Schreiberlinge aus Hamburg dazu, die Lage Würzburger Stein kurzerhand unter die Festung zu versetzen. Kann man mal machen, Steinburg und Festung sind ja fast das gleiche - zumindest, wenn man eine Rechts-Links-Schwäche hat, die beiden Bauwerke im Nebel und Starkregen vergleicht und der dritte Silvaner langsam aber sicher ins Blut übergeht.
Als Würzburg kurzzeitig an der Würz lag
Aber die Printkollegen aus dem hohen Norden sind nicht die Einzigen, die mit den Würzburger Gegebenheiten gerne mal durcheinander kommen. Erinnern sie sich noch an diesen Fall? In einer Livesendung des ARD-Morgenmagazins Anfang 2018 verortete Moderator Peter Großmann die unterfränkische Regierungsstadt am Fluss Würz. Diese Wortschöpfung hätte in einer Kneipenrunde wohl höchstens für ein müdes Lächeln gesorgt. Doch eine Livesendung vor Millionenpublikum ist nun mal keine Kneipenrunde. Für Würzburg war das zumindest eine gelungene PR-Aktion.
Doch nicht nur wir Journalisten kommen gerne mal durcheinander. Vor etlichen Jahren - der Ausschnitt lässt sich selbst unter einer 20 Zentimeter-dicken Staubschicht im Archiv nicht finden - warb eine Tourismusfirma für Prag. Zur Bebilderung diente aber nicht die Karlsbrücke, sondern unsere Alte Mainbrücke. Über eine Umbennenung in "Prager Brücke" haben die Stadtratsgremien deswegen nicht nachgedacht.
Ein Besuch, der Klarheit schaffen kann
Aber zurück zu den Kollegen des Magazins "Stern". Egal wo die Trauben für den Wein wachsen, schmecken tut ein hiesiger Tropfen allemal. Vielleicht sollten wir die Hamburger einfach mal zu uns einladen, inklusive Weinbergwanderung. Wobei: Ein Besuch unsererseits im Norden wäre auch in Ordnung. An der Ham soll es ja auch ganz schön sein.