
Sein Markenzeichen sind zwei über 100 Jahre alte stattliche Linden, die nach dem Ersten Weltkrieg als "Linden der Hoffnung" gepflanzt wurden – sie verleihen dem Innenhof des denkmalgeschützten Gutshofes unter den Linden am nördlichen Ortsrand von Giebelstadt eine ganz besondere Atmosphäre. Das Anwesen als Ort der Begegnung zwischen Menschen zu gestalten, ist das Anliegen von Hofbesitzerin Ingrid Sichel.
In der Vergangenheit fanden dort bereits verschiedene Feste und Märkte statt; für das kommende Wochenende ist etwas Neues geplant: Dann verwandelt sich die 400 Quadratmeter große Feldscheune des Gehöfts in einen Ausstellungsraum für rund 100 Objekte der Ausstellung "Pferd & Hund".

Ausgangspunkt für die Ausstellung waren beeindruckende Werke von Ingrid Sichels Großonkel Hans Dreutter. Der 1892 in Würzburg geborene Jurist hatte nie eine künstlerische Ausbildung absolviert, "in der detaillierten Malerei der Pferde in verschiedensten Bewegungen und Situationen war er ein Naturtalent und Autodidakt", heißt es im Katalog zur Ausstellung.
Darüber hinaus präsentieren regionale und überregionale Künstlerinnen und Künstler ihre Werke zum Thema "Pferd und Hund": Plastiken in Keramik und Bronze, Aquarelle, Öl- und Acrylgemälde, Drucke. Manche der Werke gab es bereits, andere sind gezielt für die Ausstellung entstanden. "Das Thema ist stark eingegrenzt – aber jeder Künstler interpretiert es anders und bringt seine eigene Themenwelt und Techniken ein", sagt Uschi Maurer. "Für diese Vielfalt steht Kunst, das wollen wir zeigen."

Die Eßfelder Künstlerin ist Teil des Trios, das das Konzept zur Ausstellung entwickelt hat. Mit dabei sind außerdem die Höchberger Künstlerin Claudia Rohleder sowie Iris Sichel. Nach dem Tod ihrer Mutter, die bis zuletzt im Gutshaus des Hofes gewohnt hatte, übernahm Sichel 2018 zusammen mit ihrer Schwester Diana Krüger das Anwesen, das sich im Besitz der beiden befindet. Zeitweise gab es verschiedenste Planungen: Kindertagesstätte, Kulturcafé, Museum, Markthalle, Ärztehaus oder generationenübergreifendes Wohnen – der Gutshof, der als einer der größten dreigliedrigen Höfe in Unterfranken gilt, könnte für viele Zwecke genutzt werden. Die meisten dieser Pläne seien aber selbst mit Zuschüssen aus dem Denkmalschutz finanziell nicht zu stemmen und daher verworfen worden, erklärt Sichel.
Für sie bedeutet das Anwesen ein Stück Geschichte, "ich kenne hier jeden Stein und liebe den Hof". Auch wenn sie nicht auf dem Gutshof aufgewachsen ist, hat sie seit ihrer Kindheit dort viel Zeit verbracht: "Früher muss hier viel Leben gewesen sein", sagt sie. Bis zu 70 Menschen hätten in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Hof gearbeitet, große Ackerflächen bewirtschaftet und sich um Pferde, Kühe, Schafe, Hühner, Nutzgarten und Haushalt gekümmert. Man merke den Gebäuden an, dass sie viel erlebt hätten, so Sichel.

Gutshof als offener Treffpunkt für in Giebelstadt stationierte Amerikaner
Die Offenheit und Gastlichkeit, die ihre Großeltern auf dem Hof Menschen anderer Nationen entgegengebracht hätten, hätten auch sie geprägt. "Der Hof war nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel immer offen für Amerikaner, die in Giebelstadt allein stationiert waren", erzählt Sichel. "Sonntags konnten sie hier Karten spielen; es wurden auch viele Geburtstage gefeiert."
Nach dem Tod von Ingrid Sichels Großvater Eugen Müller 1956 führte ihre Großmutter Louise Müller den Hof kurze Zeit mit Verwaltern weiter – doch danach wurden die Gebäude nicht mehr genutzt. So blieben sie bis heute in ihrem ursprünglichen Zustand. "Da sich der Hof im Dornröschenschlaf befand, wurde nichts verbaut", sagt Sichel. Zum Gutshof gehört auch ein großer Keller, in dem Kartoffeln gelagert wurden, aus denen man Alkohol für medizinische Zwecke destillierte.

Ingrid Sichel und ihre Familie wohnen seit 1989 auf dem Hof. Da ihre Mutter zu Lebzeiten keine anderen Menschen auf dem Hof hätte haben wollen – "eine Generationenfrage", glaubt Sichel –, hätten die Gebäude über all die Jahre größtenteils leer gestanden. Nach dem Tod ihrer Mutter und den Corona-Jahren sei der Wunsch aufgekommen, den Hof wieder nach außen zu öffnen.
"Ich wollte einen Ort der Begegnung schaffen und Leute wieder zusammenbringen", sagt Sichel, die sich als eines der Gründungsmitglieder des Kulturvereins Giebelstadt schon lange im Bereich Kultur engagiert. So lag es nahe, den Hof auch als "Sommerlocation" für Veranstaltungen des Vereins zu nutzen, zum Beispiel für ein Sommerfest und ein Kulturfestival. Auch ein Wintermarkt hat auf dem Hof bereits Tradition: Seit drei Jahren findet er am Samstag vor dem ersten Advent statt.

Doch das soll noch lange nicht alles sein: Ingrid Sichel ist überzeugt, dass aus alldem Pläne für neue Projekte entstehen können. Ideen gibt es bereits viele: von Kleinkunst-Veranstaltungen und Lesungen mit Weinprobe, der Vermietung der Räume im Obergeschoss der Scheune als Ateliers bis hin zu Tagungen im noch komplett im Biedermeier-Stil möblierten Gutshaus.
Unter dem Motto "Kunst, Kultur und Gastlichkeit" fasst Sichel zusammen, was der Hof für sie ausmacht. Ein "Kulturhof", auf dem sich Künstler und Handwerk gegenseitig bereichern, ist ihre Vision. Künftig soll der Hof auch als Veranstaltungsort für Hochzeiten und Geburtstagsfeiern vermietet werden – in die große Feldscheune passen bis zu 160 Menschen. Wie bringt Sichel all das mit ihrem Beruf als Lehrerin an einer Montessori-Schule unter einen Hut? "Andere kaufen sich ein Boot für den Main – meine Leidenschaft ist der Hof", sagt sie trocken.

Giebelstadts erste Hochzeitmesse findet auf dem Gutshof statt
Am 21. Juli gibt es im Gutshof unter den Linden eine weitere Premiere: Für Giebelstadts erste Hochzeitmesse hat Sichel Aussteller aus der Region zusammengetrommelt. Heiratswillige können sich zu Themen wie Brautmoden, Friseur, Juwelier, Trauredner, Fotografie, Dekoration, Eventausstattung, Catering und Patisserie inspirieren lassen und mit den Ausstellern ins Gespräch kommen.
Mehr als eine Handvoll größerer Veranstaltungen pro Jahr soll es laut Sichel aber erst einmal nicht geben: "Zum einen wohnen wir auch auf dem Hof, zum anderen soll das Ganze eine gesunde Abwechslung zum Beruf bleiben."