Das klassische Vereinswesen steckt in der Krise: Wo ältere Mitglieder aufhören, gilt es, neue zu finden, die sich engagieren – ein Generationenwechsel, der Herausforderungen mit sich bringt. Der Kulturverein Giebelstadt e.V. hat bereits neue Pfade eingeschlagen und befindet sich auf dem Weg in ein neues Zeitalter. Was genau macht man hier anders?
Was heute zu einer erfolgreichen Vereinsarbeit dazugehört, ist ein gelungener Auftritt im Internet. Besucher, die sich für das Programm des Kulturvereins Giebelstadt interessieren, erwartet seit kurzem eine neue Homepage, auf der eine Mischung aus Kinderveranstaltungen, Kabarett, Comedy und Musik ansprechend präsentiert wird. Dies ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS). Sechs Studentinnen des Bachelor-Studiengangs Medienmanagement haben sich im Rahmen eines Projekts unter der Leitung von Frank Hillgärtner, Fachdozent für digitale Medien, ein halbes Jahr damit beschäftigt, die Homepage und den Social-Media-Auftritt des Kulturvereins auf Instagram und Facebook zu optimieren.
Tickets für die Veranstaltungen gab es lange Zeit nur an der Abendkasse – und in der Apotheke
Kernziel des Projekts war es, die administrative Arbeit für den Kulturverein so einfach wie möglich zu machen, und durch eine neue Gestaltung der Homepage auch neue Zielgruppen anzuziehen. So sorgt zum Beispiel der von der Essfelder Künstlerin Uschi Maurer entworfene "Geierle"-Button dafür, dass Veranstaltungen für Kinder auf einen Blick erkennbar sind.
Ein großer Schritt war auch die Entwicklung eines Ticketing-Systems durch die Studentinnen: "Bisher musste man die Tickets für unsere Veranstaltungen in der Apotheke in Giebelstadt oder an der Abendkasse kaufen", sagt Tobias Then, zweiter Vorsitzender des Kulturvereins Giebelstadt. Dies ist weiterhin möglich, doch nun können Gäste den Kauf von Tickets auch online abwickeln und sie beim Einlass auf dem Smartphone vorzeigen oder ausgedruckt mitbringen. Für Künstler entwarf die Projektgruppe auf der Homepage ein Formular, das es dem Verein erlaubt, deren Anfragen strukturierter als vorher zu bearbeiten.
Alt und Jung haben den Übergang gemeinsam gemeistert
Insgesamt wolle man den Kulturverein vielfältiger machen "und auch die mittlere Generation ansprechen", so Tobias Then. Eine Generation, der der 38-Jährige selbst angehört. Then wohnt seit einigen Jahren mit seiner Familie in Giebelstadt und ist seit 2018 Mitglied des Kulturvereins. 2022 kam es zum Generationenwechsel im Vorstand – mit Tobias Bayer als erstem und Tobias Then als zweitem Vorstand.
Dieser Übergang sei nicht immer glatt verlaufen, sagt Ingrid Sichel. Die 54-Jährige ist eines der Gründungsmitglieder des Kulturvereins und sieht sich selbst als "Bindeglied" zwischen alteingesessenen und neuen Mitgliedern. Bei Neuerungen sei es wichtig, nicht zu schnell vorzugehen und alle mitzunehmen, so das Fazit aus dem Verein. Dank gemeinsamer Anstrengungen von Jung und Alt habe man den Übergang erfolgreich gemeistert, so Then.
Der Kulturverein Giebelstadt besteht aus 140 Mitgliedern, die ihrem Verein auch während Corona die Treue gehalten haben. Doch die Zahl derer, die aktiv mitarbeiten, fällt naturgemäß kleiner aus. "Bei unseren zwölf Veranstaltungen in der kommenden Saison und vielen neuen Ideen braucht es Menschen, die sich einbringen und mit anpacken", sagt Then. Aktuell umfasse das Helferteam des Kulturvereins zirka 20 Leute.
Die Aufgaben im Verein sind vielfältig und reichen von Gastro, Auf- und Abbau, Social Media- und Homepage-Betreuung, Programmgestaltung, Künstlerbetreuung, Gestaltung von Werbematerialien, Buchhaltung bis hin zur Technikbetreuung. "Besonders für junge Menschen bietet sich hier die Gelegenheit, wertvolle Erfahrungen zu sammeln", sagt Then. So könne man vom Know-how der bestehenden Mitglieder profitieren, eigenes Wissen einfließen lassen und gemeinsam neue Ideen umsetzen.
Fürs kommende Jahr sind auch neue Spielstätten geplant
Thens Ziel als junger Familienvater ist es, die Kinder- und Jugendabteilung neu aufzusetzen. Der Wunsch nach Angeboten in diesem Bereich sei da. Was dem neuen Vorstand wichtig ist: "Wir versuchen, uns zu entwickeln – wir wollen uns aber nicht um 180 Grad drehen, sondern eine Kombination von Neu und Alt.“ Das heißt auch, dass das Herbst- und Winterprogramm dem "klassischen" Programm von früher ähnelt. Im nächsten Jahr will der Kulturverein auch neue Wege gehen – was auch neue Spielstätten neben dem Kartoffelkeller, in dem der Kulturverein seinen Ursprung hat, bedeutet. "Der Kartoffelkeller ist riesig", sagt Sichel. "Damit die Atmosphäre passt, müssen 100 bis 120 Leute da sein." Daher habe man bisher immer Künstler engagieren müssen, auf die sich ein breites Publikum einigen könne.
Als neue Spielstätte, vor allem im Sommer, bietet sich der Gutshof mit großer Scheune von Ingrid Sichel an. Dort haben bereits einige Events stattgefunden; künftig vorstellbar seien zum Beispiel Kunstveranstaltungen, eine Weinprobe mit Märchenerzählung oder ein Musikfest.
Eine wieder andere Herangehensweise verfolgt der Verein mit dem Konzept "Kultur kommt zu den Menschen". So konnten zum Beispiel das Korbtheater Alfred Büttner und die Märchenerzählerin Gesine Kleinwächter dafür gewonnen werden, in Schulen, Kindergärten und Seniorenheime zu gehen – der Kulturverein trat dabei als Sponsor auf. "Unser Ziel als Verein ist die Gemeinnützigkeit", betont Then.
Da man in Gemeinschaft oft mehr bewirken kann als allein, hat sich der Kulturverein Giebelstadt seit Anfang des Jahres außerdem mit anderen ausschließlich ehrenamtlich arbeitenden Kleinkunstbühnen im Landkreis Würzburg vernetzt. Durch die neu geschaffene "Interessensgemeinschaft Kleinkunstbühnen im Landkreis Würzburg" sollen Synergien zwischen den Bühnen in Giebelstadt, Gerbrunn, Kürnach, Thüngersheim und Aub genutzt werden. "Wir haben alle das gleiche Ziel", erklärt Then, "wir wollen die Menschen in unserer Region nachhaltig mit kulturellen Veranstaltungen versorgen, und eine Plattform für Austausch, Freude, Spaß, Kreativität und Beisammensein schaffen".
Um dies zu erreichen, wollen die Mitglieder der Interessensgemeinschaft zum Beispiel Künstler gemeinsam buchen: "Mit einer einzigen Veranstaltung größere Künstler und Künstlerinnen in die Region zu bringen, ist schwer", sagt Then. Hätten diese aber die Aussicht auf mehrere Auftritte an einem Wochenende im Landkreis, sähe die Lage anders aus.
Erfahrungsaustausch auf allen Ebenen
Auch von einem Erfahrungsaustausch, sei es im Hinblick auf Fördergelder, Digitalisierung, Vereins-Software, Künstlerverträge, GEMA-Gebühren, Marketing oder Nachwuchswerbung, könnten die Mitglieder der Interessensgemeinschaft profitieren. "Beim Thema Fördermöglichkeiten etwa gibt es zig Ämter und zig Töpfe", sagt Then. "Wenn sich einer schlau macht und die Infos mit den anderen teilt, ist das eine große Hilfe."
"Vor einem Jahr sind wir noch ganz anders dagestanden", zieht Ingrid Sichel nach einem Jahr neuer Vorstandschaft Resümee. "Mit den neuen Mitgliedern gab es einen Schub. Wir sind als Team neu zusammengewachsen, arbeiten sehr gut zusammen und können mit frischen Impulsen auf alten Erfahrungen aufbauen."
Wer Interesse hat, beim Kulturverein Giebelstadt mitzuwirken, kann sich unter www.kulturverein-giebelstadt.de melden.