
Es ist das Fest der Liebe, des Friedens, der Familie. Deshalb kann Weihnachten für Alleinstehende sehr belastend sein. Einsamkeit zu überwinden und Menschen jeglicher Herkunft zusammenzubringen – das schafft die christliche Gemeinschaft Sant' Egidio in Würzburg immer am ersten Weihnachtsfeiertag auf beeindruckende Weise.
Die Tradition des gemeinsamen Weihnachtsessens für Bedürftige geht in der Domstadt zurück bis in die späten 80er Jahre. An diesem Sonntag sind rund 350 Gäste an vier Orten dazu eingeladen, pandemiebedingt wird noch nicht so eng bestuhlt wie früher. An die 200 Helferinnen und Helfer kümmern sich um ihre Versorgung und nehmen sich Zeit. Für Gespräche, für Zuwendung.
Für jeden Gast wird ein persönliches Geschenk eingepackt

Wochenlang wird das Ereignis vorbereitet, Wunschbäume werden aufgestellt und auch anderweitig Geschenke gesammelt. Schal, Kissen, Thermoskanne oder Handtuch: Viele fleißige Hände helfen beim Sortieren und Verpacken. Jeder Gast bekommt ein persönliches Geschenk mit seinem Namen drauf und dabei wird genau überlegt, womit jemandem eine Freude zu machen ist. Das kann auch ein Bild für die kahle Wand im Altenheimzimmer sein. "Wir kennen unsere Leute", sagt Dieter Wenderlein, "und die Hilfsbereitschaft an Weihnachten ist enorm."
Wenderlein leitet von Würzburg aus die Eine-Welt-Arbeit von Sant' Egidio in Deutschland, die Gemeinschaft kümmert sich das ganze Jahr über um Menschen am Rande der Gesellschaft. Das Weihnachtsessen ist ihm ein Herzensanliegen. Auch seine eigene Familie packt mit an, sein Sohn gibt mittlerweile den Nikolaus.
Geschenke und Festmahl werden aus der Region gespendet
Lange vor Weihnachten werden aus der Bevölkerung Geschenke gespendet – und zwar so viele, "dass wir kein Geld dafür in die Hand nehmen müssen", berichtet der 56-jährige promovierte Pharmazeut. Auch nicht für das Festmahl, dieses Mal Gulasch oder Soja-Geschnetzeltes. Alles wird von Metzgereien, Bäckereien, Kantinen und Hotels aus der Region gestiftet. Gekocht wird in der Studentenmensa – und dann in Thermoboxen ausgefahren.

Früher kamen über 1000 Menschen in die Posthalle zur Weihnachtsfeier
Nach der großen Flüchtlingswelle 2015/16 kamen auch viele Migranten mit ihren Familien zu der Weihnachtsfeier. Es war ein großes, interkulturelles Fest, das regelmäßig auch vom Bischof besucht worden ist. Damals richtete man es noch in der Posthalle aus, die Gästezahl wuchs auf weit über 1000. "Irgendwie wurde es dann zu groß, zu unpersönlich", erinnert sich Wenderlein. Mit der Aufteilung auf vier Standorte in Stadtteilen und Innenstadt ist es seit 2018 wieder familiärer.
An den letzten beiden Corona-Weihnachten mussten die großen Treffen ausfallen, dafür machten die Helfer Hausbesuche und brachten sogar Essen vorbei. Es gab eine Andacht und Bischof Franz Jung verteilte Geschenke vor der Marienkapelle. Sie wird in diesem Jahr wieder zum "Speisesaal" und zur Begegnungsstätte, ebenso wie der Pfarrsaal von St. Albert in der Lindleinsmühle und das Zentrum Heiligkreuz in der Zellerau.

Dort wird auch Heide Bous wieder am Weihnachtsessen teilnehmen, seit Wochen freut sich die alleinstehende 78-Jährige darauf. Die Einladung dazu hatte sie in ihrem Briefkasten. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen und kommt kaum mehr aus dem Haus. An diesem ersten Weihnachtsfeiertag wird sie von Sant' Egidio-Helfern abgeholt und wieder heimgefahren.
Für die Rentnerin ist es der weihnachtliche Höhepunkt, ansonsten bliebe sie an den Festtagen allein. "Alle sind da so lieb, es herrscht Frieden, es wird viel gelacht" – so erlebte sie die Treffen in den letzten Jahren. Bous freut sich auf das Wiedersehen mit Leuten ebenso wie auf neue Bekanntschaften mit Menschen aus aller Welt: "Wir sollten doch alle als Brüder und Schwestern aufeinander zugehen, dann gäbe es keinen Krieg."

Auch Birgit Werner wird am Sonntag dabei sein. Sie ist eine der vielen Engagierten, die das Weihnachtsessen erst ermöglichen. Seit einigen Jahren hilft die 49-Jährige bei der Bewirtung. Anderen etwas Gutes tun, gerade an Weihnachten, "das gibt mir selbst ein gutes Gefühl", sagt die Diplom-Geografin, die ansonsten in einer PR-Agentur arbeitet.
Sieben Stunden am Feiertag für andere im Einsatz
Rund sieben Stunden wird sie am ersten Feiertag im Einsatz sein. Nächstenliebe und Barmherzigkeit für andere – was sagen da Ehemann und eigene Kinder? "Sie unterstützen das, wir verbringen ja an Weihnachten noch genug Zeit miteinander." Letztes Jahr hat ihre Tochter (21) selbst mitgemacht und war der Geschenke-Engel.
Über das Weihnachtsessen ist Werner auch auf die anderen sozialen Aktivitäten von Sant' Egidio aufmerksam geworden. Einen Tag in der Woche kümmert sie sich mittlerweile um alleinstehende, teils pflegebedürfte Senioren einer Wohngemeinschaft.

Das freut auch Dieter Wenderlein. Helferinnen und Helfer speziell für die Weihnachtsaktion zu finden – das klappt gut. Allein im Stadtteil Lindleinsmühle habe man am Sonntag 15 neue Kräfte im Einsatz, "das ist wunderbar". Teils sind es Ältere, die sonst selbst allein wären. Teils auch Familien: "Da wollen Eltern den Kindern zeigen, dass es nicht allen so gut geht im Land."
Immer mehr Menschen sind einsam
So ist die Aktion eine große Bereicherung für alle Beteiligten. Für manche Gäste, weiß Wenderlein, ist das Geschenk das einzige, das sie an Weihnachten bekommen. Dass Einsamkeit in der Gesellschaft immer stärker um sich greift – das erleben die Ehrenamtlichen von Sant' Egidio hautnah. Und wenn sich Familien zurückziehen, "sind Menschen ohne Familie allein", sagt Wenderlein. Er erinnert an den Sinn und an die Botschaft von Weihnachten. Beim gemeinsamen Essen an diesem Sonntag ist sie zu spüren.
Eine tolle Arbeit - so wichtig. Es tut einem Leid, dass immer mehr Menschen niemanden haben.
Informieren Sie sich doch mal über Sant'Egidio und deren ehrenamtliche Arbeit. Sie sind das, was man wirklich wahre Christen nennt.
Ich habe höchste Achtung davor.