Seit dem 16. August steht er auf dem Hublandplatz hinter dem Cube: ein Briefkasten namens "hubbel". Entstanden ist er im Rahmen einer Doktorarbeit, die sich mit neuen Ansätzen für Bürgerbeteiligung beschäftigt. Die Doktorarbeit stammt von Franzisca Maas, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie der Uni Würzburg, und ist eingebettet in den Forschungsverbund "ForDemocracy". Bei diesem beschäftigen sich Forschungsgruppen verschiedener bayerischer Hochschulen mit Fragen zur Zukunft der Demokratie.
"Wie kann man Technik dazu nutzen, Menschen demokratisch zu beteiligen?", erklärt Maas die Grundidee hinter dem Projekt der Uni Würzburg, das vom bayerischen Wissenschaftsministerium mit knapp 170.000 Euro gefördert wird.
Die Informationen werden nach Themen gebündelt
Ziel des "hubbel" ist es, den Bürgern und Bürgerinnen am Hubland zu helfen, sich gegenseitig über neue Entwicklungen im Stadtteil zu informieren. Dies kann analog oder digital geschehen: Wer etwas mitteilen will, füllt eine Postkarte mit einer Information oder einer Frage aus und gibt sie in das System des "hubbel" ein – entweder analog, indem er sie handschriftlich ausfüllt und in den Briefkasten einwirft, oder sie digital am eigenen Rechner über die dazugehörige Webseite ausfüllt.
Die Informationen und Fragen werden verschiedenen Themen zugeordnet – wie zum Beispiel "Baustellen und Planungen", "Spielplätze", "Verkehr, Parken & Fahrrad" oder "Gastronomie & Einzelhandel". Eine Redaktion, die ehrenamtlich arbeitet und aus Menschen besteht, die am Hubland wohnen oder arbeiten, überprüft die Postkarten auf Hassrede und gibt sie danach frei.
Nun soll der "hubbel" und sein Konzept bis zum 15. Oktober von den Bewohnern und Bewohnerinnen vor Ort getestet werden. Nach einer Überarbeitung könnte er künftig fester Bestandteil des Hublands werden.
Vor dem aktuellen Test stand eine lange Entwicklungsphase, in der Franzisca Maas eng mit Anwohnerinnen und Anwohnern des Hublands zusammenarbeitete. Eine zentrale Rolle dabei spielte der "HublandTreff", ein Treffen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hublands in der dortigen Bücherei, zu dem Maas regelmäßig mit der Stadtteilbücherei und dem Sozialreferat der Stadt eingeladen hatte. "Wir haben mit dem 'HublandTreff' unsere Visionen vom Projekt entwickelt, überarbeitet, wieder mitgebracht und die Leute gefragt, was sie davon halten", erklärt Maas.
Papp-Prototypen der ein oder anderen Idee wurden gebaut – und zum Teil schnell wieder verworfen. Der "hubbel" aber blieb. Im Laufe der Zeit bildete sich neben dem "HublandTreff" ein kleineres Kernteam aus Franzisca Maas, Bürgern und Studierenden des Fachs Human-Computer Interaction (HCI), das sich alle zwei Wochen traf und den "hubbel" weiterentwickelte.
Der "hubbel" entstand aus der Erkenntnis, dass es am Hubland sehr viel Neues gibt, die Informationen dazu die Bevölkerung bisher aber nur sehr unkoordiniert und in Teilen erreichen, so Maas. Am Hubland gäbe es viele engagierte Bewohner, die die Infos selbst zusammentrügen. "Wir wollen die Anwohner und Anwohnerinnen unterstützen, sich gegenseitig zu informieren." Damit sei der "hubbel" eine wichtige Basis für politische Beteiligung, betont Maas. Nur wer informiert ist, zum Beispiel über die Hintergründe eines Verkehrsthemas, könne sich in den Entscheidungsprozess einbringen.
Gemeinsam mit dem Kernteam hat Maas seit Ende 2020 den "hubbel" entworfen; im September 2021 wurde eine erste Pappversion gebaut. Zu einem ersten Test kam es am Tag der Bundestagswahl, als er vor dem Wahlbüro am Hubland aufgestellt wurde. Danach wertete das Team aus, was gut geklappt hatte, und was nicht.
Der "hubbel "als soziales Netzwerk – aber nicht im klassischen Sinn
"Inklusion war uns von Anfang an bei der Entwicklung wichtig", sagt Maas. Ältere oder wenig Technik-affine Menschen können daher die Postkarte per Hand schreiben und in den Briefkasten einwerfen; für Rollstuhlfahrer wurde die Höhe des Displays angepasst.
Der "hubbel" soll eine Art soziales Netzwerk sein, wenn auch nicht im klassischen Sinn – persönliche Nachrichten an Einzelne sind zum Beispiel nicht möglich. Darin unterscheidet sich der "hubbel" von sozialen Nachbarschaftsnetzwerken wie nebenan.de. "Dort geht es um den persönlichen Kontakt", sagt Maas, "viele suchen diesen aber gar nicht oder haben keine Lust, einen Account anzulegen." Und: "Es braucht nicht nur die Webseite, sondern auch den physischen 'hubbel' in Form des Briefkastens. Seine pure Präsenz zeigt: Hier passiert was."
Das Innenleben des Briefkastens enthält einen Scanner. Wird eine Postkarte in den Briefkasten eingeworfen, wird sie gescannt und direkt digitalisiert. Was der Benutzer anschließend auf dem Bildschirm sieht, ist eine Liste mit chronologisch geordneten Beiträgen zu verschiedenen Themen.
"Auf Dauer lebt so ein Projekt von Menschen, die sich langfristig engagieren", ist sich Maas bewusst. So könnte sich ihrer Meinung nach zum Beispiel eine Subgruppe aus dem "HublandTreff" bilden, die nach jedem Treffen die neuen Erkenntnisse für den "hubbel" zusammenfasst. Auch Themenpaten, zum Beispiel eine Person, die für das Thema "Kinder" verantwortlich ist, seien vorstellbar. Da es langfristig ein eigenes Quartiersmanagement der Stadt fürs Hubland geben soll, könnte der Briefkasten auch dort angesiedelt werden.
Das Team um Maas engagiert sich aus verschiedenen Gründen. Für Hubland-Bewohnerin Marlene Lester ist der "hubbel" ein "Herzensprojekt", an dem sie unter anderem schätzt, dass es inklusiv ist. HCI-Studentin Marie Fiedler gefällt es, etwas zu erschaffen, das einen nachhaltigen Nutzen hat. "Technik mit Zugänglichkeit, und Digitales mit Analogem zu vereinen, ist cool", findet Jonathan Hohm, der am Hubland lebt und arbeitet und Inhalte für den Briefkasten geschrieben hat.
Ein "Gefühl von Gemeinschaft erschaffen – und etwas, das auch in anderen Städten eingesetzt werden kann", ist es, was sich HCI-Studentin Luise Sessler vom "hubbel" erhofft. Michael Weber, ebenfalls HCI-Student, hat sich unter anderem um die Handschrifterkennung des Scanners gekümmert; den Scanner selbst wiederum hat Hubland-Bewohner Nils Zottmann konzipiert und gebaut.
Ist der "hubbel" auch auf andere Stadtteile übertragbar?
Ideen für die Weiterentwicklung des "hubbel" hat das Team bereits viele: von Sponsoren auf den Briefmarken der Postkarten, einem regelmäßigen Hubland-Newsletter in gedruckter Form bis hin zum "hubbel" mit Sprachsteuerung sowie Spielzeug für Kinder.
Auch die langfristige Finanzierung des Projekts über das Jahr 2022 hinaus ist eine Frage, die Maas und ihr Team beschäftigt: "Auf welchen Servern könnte das Projekt weiterlaufen, wer betreut die Software?", so Maas. "Und könnte das Ganze auch auf andere Stadtteile übertragen werden?"
Der "hubbel"-Briefkasten steht am Hublandplatz hinter dem Cube und kann vom 16. August bis zum 15. Oktober getestet werden. Die Webseite ist unter https://go.uniwue.de/hubbel erreichbar. Menschen, die sich für das Hubland interessieren, können über beide Wege die Postkarten anderer lesen und eigene hinzufügen.