
Es sind Bilder wie aus der Apokalypse, die Romy Baierlipp wohl für ihr Leben nicht mehr vergisst: "Mein erstes Gefühl, als ich durch das Ahrtal fuhr, war, als ob ich gerade durch eine Filmkulisse fahren würde", erinnert sich Romy. In den Häusern kämpft sich die Helferin durch schmutziges Wasser und Massen an Schlamm, die nur noch im Ansatz vermuten lassen, dass hier zuvor Menschen gelebt haben. Mehrere Tage lang war die 19-jährige Höchbergerin im Ahrtal unterwegs, um den Betroffenen der Flutkatastrophe Beistand zu leisten, ihnen eine Perspektive zu verschaffen und "einfach um zu helfen", sagt sie.
Mehr als sechs Wochen ist es her, dass das fast 300 Kilometer von Würzburg entfernte Ahrtal von einer katastrophalen Flut überschwemmt wurde. Zahlreiche Menschen haben bei dem Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ihr Leben verloren - viele mehr stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.
Als das Ausmaß der Katastrophe klar wird, befindet sich die angehende Studentin zunächst noch in Spanien. "Ich war als Au-Pair bei einer alleinerziehenden Mutter, habe ihr Kind betreut und dort Spanisch gelernt." Aus den Medien erfährt sie von der Katastrophe und spendet direkt Geld an die Betroffenen, um zu helfen. Als sie wieder zurück in Deutschland ist, erhält Romy Bilder von einer Freundin aus Köln, die in Ahrweiler hilft. "Da ist mir bewusst geworden, dass ich auch dorthin muss, um direkt anzupacken." Freunde oder Familie, die vom Hochwasser betroffen sind, habe sie in der Region nicht. Trotzdem macht sie sich auf den Weg, "weil die Menschen einfach Hilfe benötigen".
Als sie schließlich im Ahrtal ankommt, kann Romy es trotz der bereits in den Medien gesehen Bilder und Vorwarnungen nur schwer fassen: "Es ist einfach erschreckend. Die Leute haben nichts mehr und wissen nicht, wie sie weitermachen sollen." Die 19-Jährige erzählt von Menschen, die ihre Angehörigen, ihr Hab und Gut, ihre Papiere, "einfach alles" verloren haben. Sie erzählt von Straßen, die nur noch im Navigationsgerät der Autos existieren. "Da ist einfach dieses Tal an der Ahr, das apokalyptisch zerstört wurde."
Doch Romy erzählt auch von Lichtblicken: "Vieles wurde schon geschafft." Das Technische Hilfswerk, die Feuerwehr und viele freiwillige Helferinnen und Helfer seien seit Wochen unermüdlich im Einsatz vor Ort. Die Höchbergerin hat sich während der Zeit des Helfens der Gemeinschaft der Dachzeltnomaden angeschlossen. "Eigentlich ist das eine Gruppe, die Zelte für Autodächer verkauft und sich gemeinsam zum Campen auf den sozialen Medien organisiert." Als das Ausmaß des Hochwassers klar wurde, habe sich die Gruppe dazu entschlossen, in die Katastrophenregion zu fahren, um mitanzupacken.

"Einige von uns sind seit über einem Monat hier und haben ihren Jahresurlaub dazu verwendet, um die Menschen zu unterstützen." Auf der Webseite der Dachzeltnomaden gibt es ein Anmeldeformular, erklärt sie. "Hier können sich alle, die mithelfen wollen, registrieren." Derzeit lagere die Gruppe auf einem Feld über dem Ahrtal. Von dort aus fahren die Camper tagsüber mit Shuttlebussen ins Tal hinunter. "Jeder kann kommen, egal ob mit oder ohne Dachzelt", sagt Romy. Für Essen, Trinken und sanitäre Anlagen sei gesorgt.

Betroffene sind dankbar für die Unterstützung
Unter den Helfenden sei die Stimmung besonders, sagt Romy. Alles gehe Hand in Hand, es berühre sie, wie alle zusammenstehen und sich gegenseitig helfen. "Das Gemeinschaftsgefühl und der Wille der Helfer ist eine krasse Erfahrung. Das hätte ich niemals gedacht."
Vor allem die Anwohner seien gerührt und dankbar für die starke Unterstützung. "Wir helfen nicht nur handwerklich in den Häusern aus, sondern greifen den Leuten auch bei alltäglichen Dingen wie beispielsweise beim Anträge ausfüllen unter die Arme." Eben überall dort, wo Hilfe benötigt werde. "Die Leute sind einfach nur dankbar", beschreibt die junge Frau. Dennoch: "Es ist nicht so, dass die Betroffenen in der Ecke sitzen und weinen." Sie packen mit an und zeigen sogar hin und wieder etwas Humor, meint Romy.
Jeder kann mithelfen
Kommende Woche fährt die Höchbergerin wieder ins Ahrtal. Wohnungen ausräumen, den Putz von Wänden entfernen, Böden herausreißen: "Die Häuser müssen bis zum Winter komplett entkernt und getrocknet werden, damit sie nicht anfangen zu schimmeln."
Für die Zukunft wünscht sich die 19-Jährige, dass sich noch weitere freiwillige Helfer in der Region einfinden und eine "solche Erfahrung machen". Leider seien mittlerweile viele Einsatzkräfte, wie die der Bundeswehr, abgezogen worden. Die Menschen seien aber weiterhin auf Beistand angewiesen, bekräftigt sie. "Jede Hilfe lohnt sich und jeder kann hier mitarbeiten."