Als der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg, Robert Hutter, vor einigen Monaten seinen Ruhestand antrat, musste er den anwesenden Journalisten beim Rückblick auf 18 Jahre als JVA-Chef in Würzburg enttäuschen: Nein, in der Zeit gab es keine einzige erfolgreiche Flucht.
Der letzte spektakuläre Versuch liege inzwischen 50 Jahre zurück, als sich im Juli 1972 ein 15-jähriger Insasse splitternackt, mit Margarine und Salatöl eingerieben, durch die ebenfalls eingeölten Gitterstäbe vor dem Zellenfenster ins Freie zwängte. Als damaliger Berichterstatter der Main-Post und unterstützt von seinem privaten Archiv, kann der Autor dieser Zeilen viele Details des aufsehenerregenden Falls rekonstruieren.
Weil die Fläche zwischen den Gefängnisgittern nur 15 Mal 20 Zentimeter maß, sagte der damalige Oberstaatsanwalt Dr. Elmar Fischer am Morgen nach dem Fluchtversuch, dass allein schon die Vorstellung, sich durch die Öffnung zu zwängen und dabei unter Umständen "stecken zu bleiben", Gänsehaut und Panik auslösen könne.
Insassen unterstützten den 15-Jährigen aus Main-Spessart beim Einölen
Nach dem Fluchtversuch hieß es, dass weitere Insassen die geplante Flucht des damals 15-Jährigen aus dem Landkreis Main-Spessart als "Blödsinn" und "aussichtslos" bezeichnet haben sollen, ihn dann aber doch auf dessen Bitten hin unterstützt und eingefettet hatten. Mit Margarine, die der Jugendliche tagelang beim Frühstück zurückbehalten hatte und Speiseöl vom Einkauf für die Insassen. Ein Teil des Zellen-Fensters wurde zudem unmittelbar vor dem Versuch entfernt.
Der erste Teil des Fluchtplans war noch erfolgreich. Auf der anderen Seite der Gitter angekommen, reichten die Komplizen dem Jugendlichen eine Badehose und eine Hose. Auf ein Hemd verzichteten sie wegen der schwülen Witterung in jener Nacht.
Zudem hatten die Komplizen, wie verabredet, Bettzeug in Streifen gerissen und aneinander geknotet. Damit wollte der sich der Insasse an der roten Sandsteinwand abseilen. Dann hätte er sich Richtung Klein Nizza absetzen wollen, denn eine Mauer gab es an dieser Seite der alten JVA nicht mehr.
Nachdem er entdeckt wurde: durch die Gitter zurück in die Zelle
Doch schon auf der Fensterbank im zweiten Stock der Justizvollzugsanstalt, etwa 15 Meter über dem Boden, entdeckten ihn JVA-Beamte auf einem Kontrollgang. Das Personal plante daraufhin, den Jugendlichen mithilfe der Feuerwehr von der schmalen Fensterbank herunterzuholen.
Wie Augenzeugen berichteten, zog sich der Insasse in der Zwischenzeit jedoch wieder aus und zwängte sich zurück in die Gemeinschaftszelle. Von einigen blauen Flecken abgesehen habe der Jugendliche, so die Staatsanwaltschaft im Nachhinein, das Abenteuer ohne weitere Blessuren überstanden.
Nicht der einzige Fluchtversuch durch die Gitter der Würzburger JVA
Der Jugendliche saß in der JVA Würzburg, weil er wegen Eigentumsdelikten zu einer Jugendstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde. Einige Tage nach dem erfolglosen Fluchtversuch sollte er von der JVA in eine Jugendstrafanstalt verlegt werden. Möglicherweise befürchtete er, so vermutete man bei der Justiz, dass es dort weniger Fluchtmöglichkeiten gebe als in dem alten Würzburger Gefängnis-Bau.
Eine Woche vor dem Fluchtversuch mit Margarine und Salatöl hatte ein Insasse mit der klassischen Methode versucht, aus der JVA Würzburg zu fliehen: mit dem Durchsägen von Gitterstäben. Dafür begann er mit dem Sägen, um nicht zu viel Lärm zu erzeugen, während dem Abschluss-Feuerwerk des Kiliani-Volksfestes. Er hatte jedoch die Stärke der Gitterstäbe unterschätzt und musste, noch bevor die letzten Raketen und glitzernden Fontänen abgeschossen wurden, seine Säge abgeben und die Zelle wechseln.