Körperpflege mit der Schöpfkelle, Abspülen aus dem Eimer – bei Familie Ashour aus dem Würzburger Stadteil Grombühl ist das seit etwa zwei Wochen Alltag. Kein Wasser, kein Gas, zwischenzeitlich kein Strom: Familie Ashour ist derzeit von den grundlegendsten Voraussetzungen modernen Wohnens abgeschnitten. Seit über zehn Jahren wohnt die Familie in der Wohnung – nach eigenen Angaben bislang ohne Probleme. Bis im vergangenen Jahr der Eigentümer des Mietshauses wechselte.
"Seit einem Jahr versucht der neue Eigentümer mich und meine Familie aus der Wohnung zu vertreiben", sagt Vater Mohammed Ashour im Gespräch mit der Redaktion. Der unbefristete Mietvertrag mit günstigen Mietkonditionen sei dem Vermieter ein Dorn im Auge. Dieser habe ihm gegenüber klargestellt, dass er das Grombühler Wohnhaus grundsanieren und für deutlich höhere Preise neu vermieten wolle. Er habe beim Mietpreis einen Kompromiss vorgeschlagen, sagt Vater Ashour. Dieser sei vom Vermieter jedoch abgelehnt worden.
Wie wurde der Vertrag des Mieters mit der Würzburger WVV gekündigt?
Seine Erfahrungen hat Ashour in einer eidesstattlichen Erklärung festgehalten, um gerichtlich gegen den Vermieter vorzugehen. Dieser habe sich nach dem Kauf des Mietshauses als Geschäftsführer und neuer Eigentümer vorgestellt, heißt es darin. "Es sollte durch mich ein Aufhebungsvertrag unterzeichnet werden, um das Mietverhältnis zu beenden. Hierzu war ich allerdings nicht bereit, da ich kein adäquates Mietobjekt für meine Familie finde." Und: "Bereits bei einem früheren Gespräch meinte der Geschäftsführer, dass er es schon verstehe, mich aus der Wohnung zu bringen."
Familie Ashour ist die letzte Mietpartei in dem Mehrparteienhaus. Um ihre Wohnung herum ist nur noch Baustelle, Schutt und Gerümpel liegen im gesamten Treffenhaus verstreut. Die restlichen Mieterinnen und Mieter seien entweder freiwillig ausgezogen oder hätten sich dem Druck gebeugt, glaubt Mohammed Ashour. Er und seine Familie seien die einzigen, die sich gewehrt hätten. Im Mai habe es in der Wohnung dann plötzlich keinen Strom mehr gegeben. Die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) hatte den Strom abgestellt.
Ashour intervenierte bei der WVV – wenig später lief der Strom wieder, nur um dann wieder abgestellt zu werden. Der Redaktion liegt eine "Abschlussrechnung" der WVV vor, die belegt, dass zwischen Familie Ashour und der WVV ein Vertragsverhältnis bestand, das Ende 2021 gekündigt wurde. Er habe definitiv nicht gekündigt, sagt Vater Ashour. Er habe auch keine Kündigung von der WVV erhalten.
Fragwürdige Vorkehrungen im Keller des Würzburger Wohnhauses
Die Nachfrage der Redaktion, wie die Kündigung des Vertragsverhältnis zustande kam, lässt die WVV unbeantwortet – aus "datenschutzrechtlichen Gründen". Offen lässt die WVV auch, warum ausgerechnet im Mai der Strom abgestellt wurde und wie der aktuelle Stand des Vertragsverhältnisses ist.
Aktuell gebe es zwar wieder Strom, sagt Mohammed Ashour. Dafür sei inzwischen die Wasser- und Gaszufuhr in die Wohnung unterbrochen. In der eidesstattlichen Erklärung heißt es dazu: "Nunmehr hat die Vermieterin [gemeint ist die verantwortliche GmbH, Anm. d. Red.] veranlasst, dass unsere Wohnung sowohl von der Wasserversorgung als auch von der Gasversorgung abgeschnitten wurde. Hier konnte ich im Keller entsprechende Maßnahmen feststellen."
Tatsächlich wurden im Keller des Wohnhauses ungewöhnliche Vorkehrungen getroffen. Der Gashahn wurde zugedreht, ein Stück Rohr wurde herausgeschraubt. Auch am Gaszähler von Familie Ashour ist der Hebel zugedreht und abgeschraubt. Die Wasserzufuhr wurde zugedreht und mit einer Plastikfolie notdürftig versiegelt. Auf die Frage an die WVV, inwiefern eine solche Manipulation der Geräte zulässig ist, antwortet das Versorgungsunternehmen nicht.
Amtsgericht Würzburg gibt Mieter Recht und droht mit 250.000 Euro Strafe
Mit Hilfe eines Würzburger Fachanwalts für Mietrecht hat Mohammed Ashour inzwischen erfolgreich einen Antrag auf einstweilige Verfügung am Amtsgericht Würzburg eingereicht. In dem Beschluss, der der Redaktion vorliegt, heißt es: "Der Antragsteller trägt vor, dass die Gas- und Wasserleitung widerrechtlich unterbunden sei." Dies habe er "eidesstattlich versichert und damit glaubhaft gemacht". Der Antragsgegner sei verpflichtet, die Mängel zu reparieren, andernfalls drohe ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.
Der Antragsgegner ist der Geschäftsführer der GmbH, die das Wohnhaus gekauft hat. Er ist laut Webseiten-Impressum außerdem Chef der "Gaba Group", einem überregional agierenden Immobilien-Investment-Unternehmen. Auf der Webseite heißt es: "Die nachhaltige Entwicklung und Verwaltung von Immobilien ist unsere Leidenschaft. (...) Unser Fokus: Würzburg und Umkreis sowie Innenstadt – und Stadtbezirk Frankfurt." Und: "Die Wertsteigerung von Grundstücken und Immobilien ist unsere Passion."
Die Redaktion hat den Geschäftsführer um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten und ihn gefragt, ob er plant, dem Gerichtsbeschluss nachzukommen. Per Mail antwortete er lediglich: "Die abenteuerlichen Behauptungen können wir leider nicht bestätigen und widersprechen diesen vehement. Uns liegt auch kein Beschluss eines Gerichts in dieser Angelegenheit vor." Die Gas- und Wasserversorgung bei Familie Ashour war bis Redaktionsschluss immer noch unterbrochen.
Würzburger Anwalt für Mietrecht: Betroffene brauchen schnelle Hilfe
Armin Wendel, Fachanwalt für Mietrecht in Würzburg und Karlstadt (Lkr. Main-Spessart), vertritt die Familie und sagt zur unterbrochenen Gas- und Wasserversorgung: "Das ist eine gern genommene Methode, um Mieter kalt zu entmieten. Oftmals wehren sich die Mieter nicht. Die Verantwortlichen kommen ungeschoren davon." Meist würden ärmere Menschen und solche mit Migrationshintergrund Opfer solcher Methoden.
"Vermieter sehen, dass sie auf solchem Wege wesentlich mehr Miete erzielen können", sagt Wendel. Er wünsche sich, dass Kommunen und Energieversorger Beratungsstellen einrichten, um Betroffene niedrigschwellig über ihre Rechte aufzuklären und Mängel bei der Wasser- und Energieversorgung schnell wieder zu beheben. So könnten Druckmittel entschärft werden.
Nächste Stufe Xxxxxx-Inkasso???
Familie Ashour hat einen gültigen unbefristeten Mietvertrag und sich zudem kompromissbereit beim Mietpreis gezeigt. Daran scheint von Vermieter-Seite jedoch kein Interesse zu bestehen.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
Politiker/innen sollten sich bewusst sein, dass sie zum Wohl der Bürger und nicht zum Profit einzelner Geschäftemacher gewählt wurden.
Unglaublich ist es, dass die WVV sich zum Handlanger derart widerlicher Vergrämungsmethoden machen lässt
Jetzt kommen mir ja fast die Tränen! Am besten, Sie verkaufen ihre Häuser, damit Sie wieder gut schlafen können!
Aber mal im Ernst: die Wohnungen in den genossenschaftlichen und städtischen Mietshäusern sind sehr gefragt, die meisten Mieter sehr zufrieden und die meisten Häuser in einem sehr guten Zustand. Was man sicherlich nicht von allen Objekten behaupten kann, die in privater oder kapitalgesellschaftlicher Hand sind.
Und noch etwas: die SED gab es bei uns gar nicht, nur im Osten. Aber das nur nebenbei. War wahrscheinlich nur ein Beißreflex ihrerseits.
ich denke nicht, dass die WVV sich wissent- oder willentlich zum Handlanger gemacht hat. Ich vermute, dass die WVV den Strom auf Basis falscher Behauptungen gekappt hat und dass es sich hierbei möglicherweise um ein strukturelles Problem handelt. Dies werde ich am Montag bei der WVV erfragen.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
wie im Beitrag aufgeführt, hat Herr Ashour eigenen Angaben zufolge einen Kompromiss beim Mietpreis vorgeschlagen. Er hätte demnach unter diesen Umständen auch bei der Sanierung koopiert. Dies sei vom Vermieter abgelehnt worden.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Redaktion)
da Sie jetzt mehrmals einen vorgeschlagenen Kompromiss des Mieters als Argument anführen würde mich dieser Vorschlag (im Detail) interessieren. Er scheint ein zentrales Argument für Ihre Parteinahme zu sein.
Ich beziehe keine Stellung für den Vermieter/Eigentümer und sein Vorgehen, aber sich immer auf „einen Kompromissvorschlag“ zu berufen, wenn es darum geht, diese Partei zu diskreditieren ist mir zu dünn.
War das denn objektiv ein „adäquater“ Kompromiss?
Danke für den Hintergrund!
Familie Ashour besitzt einen gültigen unbefristeten Mietvertrag. Das Amtsgericht Würzburg hat gerichtlich bestätigt, dass die unterbrochene Gas- und Wasserleitung widerrechtlich ist. Über "adäquate" Konditionen eines möglichen Kompromisses zu spekulieren, obliegt mir als Berichterstatter nicht.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Redaktion)