Wie lässt sich Tradition und Moderne miteinander vereinbaren? Vor dieser Fragestellung stehen auch Trachtenvereine immer wieder. Adi Müller versucht seit vielen Jahren eine Antwort darauf zu finden und dennoch: Nach 120 Jahren Vereinsgeschichte schwinden die Mitglieder und neue lassen sich nur schwer finden, auch beim Heimat- und Volkstrachtenverein 1903 Würzburg.
Fehlende Begeisterung des Nachwuchses sei nicht der Grund für den Mitgliederschwund, wie Adi Müller, Ehrenvorsitzender des Vereins erklärt. Sein Bruder stelle den Verein und seine Volkstänze regelmäßig an Grundschulen vor und stoße bei den Kindern häufig auf Begeisterung. Schwieriger sei es hingegen, auch die Eltern zu überzeugen. "Die Kinder haben heutzutage so viele Freizeitaktivitäten, wie Musikunterricht oder Sport." Der Trachtenverein stehe für viele daher nicht an oberster Stelle und falle häufig hinten runter.
Trachtenverein in 120 Jahren deutlich moderner geworden
Das macht Adi Müller traurig. Denn er liebt seinen Verein und die damit verbundene Tradition. Seit seinem zwölften Lebensjahr ist der heute 83-Jährige aktives Mitglied und hat in all den Jahren schon allerhand erleben dürfen. "Ich war schon beim Bundespräsidenten zu Gast, letztes Jahr bin ich mit meiner Frau beim Oktoberfestzug in der Kutsche gefahren und auch bei der Amtseinführung von Papst Benedikt XVI. war ich damals in Rom dabei", erzählt Müller stolz.
Er weiß, ohne den Verein wäre all das wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Nun sieht er zu, wie die Zahl an Mitgliedern immer weniger wird und warnt: "Hier gehen Traditionen und Bräuche für immer verloren." Dazu zählt aber viel mehr als nur der Volkstanz. Auch das Ausdrücken der Heimatverbundenheit, Tragen und Pflegen von Trachten, Singen von Volksliedern und Sprechen in der regionalen Mundart ist Brauch im Vereinsleben.
Doch altbacken ist die Gemeinschaft deshalb noch lange nicht, sagt Müller. In 120 Jahren hätte sich auch innerhalb des Vereins viel verändert. So streng wie früher seien die Vereinsabende allemal nicht mehr und auch moderne Lieder würden bei dem regelmäßigen Zusammenkommen gespielt –früher undenkbar. "Damals wurde ab 20 Uhr zwei Stunden geprobt, bevor es zum gemütlichen Teil überging." Heute wäre es von Beginn an sehr gemütlich, erklärt Müller.
Das kann auch Martina Würl bestätigen. Sie ist seit ihrem dritten Lebensjahr Mitglied im Verein und zählt heute mit ihren 32 Jahren zu den jüngsten Mitgliedern. Ihre erste Tracht trug Würl mit drei Jahren und das traditionelle Tanzen habe sie von Beginn an gelernt. Früher habe sie viele gleichaltrige Freundinnen und Freunde im Verein gehabt.
Trachtenverein will bei Schnupperkursen neue Mitglieder finden
Doch mit der Zeit seien diese immer weniger geworden. "Viele haben keine Zeit mehr für den Verein, sobald sie ihren Partner oder ihre Partnerin kennenlernen", erklärt die Würzburgerin. Prioritäten würden sich verschieben und wenn die bessere Hälfte sich nicht für die Trachten und Tänze begeistern könne, würden viele aussteigen. Von den 90 aktiven Mitgliedern, die der Verein zu seinen Hochzeiten einmal hatte, sind gerade einmal 39 übrig geblieben.
Neben dem aktuellen Hausbau, Vollzeitjob und dem Klarinette-Spielen, muss auch Würl den ein oder anderen Vereinsabend mal ausfallen lassen. Doch wenn es darauf ankommt, dann ist sie immer dabei. Schließlich kennt sie alle Mitglieder seit vielen Jahren und fühlt sich tief verbunden mit den unterfränkischen Traditionen und Bräuchen.
Damit künftig wieder mehr Menschen sich für den Trachtenverein begeistern, hat Adi Müller beschlossen, mehr vom Vereinsleben in die Öffentlichkeit zu tragen. Dazu veranstaltet der Heimat- und Volkstrachtenverein 1903 Würzburg drei Schnupperkurse in seinem Vereinshaus in der Richard-Wagner-Straße. Am 4. , 18., und 25. März ab 15 Uhr können Kinder und Erwachsene sich selbst ein Bild von den traditionellen Trachten und Tänzen machen.