Das Cannameleon-Verfahren um die Frage nach der Legalität kaum berauschender CBD-Cannabis-Produkte nimmt im Berufungsprozess vor dem Landgericht Würzburg derzeit eine Wendung. Die Staatsanwaltschaft und der Hauptbeschuldigte hatten Berufung eingelegt gegen eine relativ milde Geldstrafe des Würzburger Amtsgerichts im Oktober vergangenen Jahres. Im Berufungsprozess, der an diesem Donnerstag begonnen hat, geht es nun um die Frage der Vorsätzlichkeit – und um zwischenmenschliche Verwerfungen der Franchise-Beteiligten mit dem Unternehmenschef.
"Einen schwunghaften Handel" hätten die Cannameleon-Beteiligten mit verbotenen Cannabis-Produkten betrieben, so das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts. Die Cannameleon-Läden hatten 2019 in Würzburg und Schweinfurt aufgemacht.
Cannabidiol (CBD) ist wie THC Bestandteil der Cannabispflanze, wirkt allerdings nicht berauschend sondern lediglich entspannend und ist nicht verboten. Völlig frei von THC sind jedoch auch CBD-Blüten nicht. Der erlaubte THC-Grenzwert liegt bei 0,2 Prozent, sofern missbräuchliche Verwendung zur Berauschung ausgeschlossen werden kann. Bei den verkauften CBD-Produkten war dies laut Amtsgericht nicht der Fall. Ein Vorsatz der Beschuldigten habe jedoch nicht vorgelegen.
Bei Razzia Elektroschocker bei Würzburger Cannameleon-Chef gefunden
Laut Staatsanwaltschaft muss jedoch von Vorsatz ausgegangen werden: "Das Urteil ist im Schuldspruch rechtsfehlerhaft", so die Anklagevertretung bei der Eröffnung des Berufungsprozesses. Nicht alle relevanten Aspekte seien vom Amtsgericht gewürdigt worden. Zwar verschiebe sich die gesellschaftliche Position zum Thema Cannabis. "Allerdings sollten im Vordergrund das Tatgeschehen und die Täterpersönlichkeit stehen."
So habe der Hauptbeschuldigte, der als Geschäftsführer eines eigenen Ladens sowie als Franchise-Geber fungiert habe, bereits eine Bewährungsstrafe wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln verbüßt. Bei einer Durchsuchung im Vorfeld des Prozesses habe er sich massiv körperlich gewehrt. Er habe den Beamten mit seiner Kampfsporterfahrung und mit "Beziehungen", die er habe, gedroht und diese beleidigt. Zudem sei bei der Durchsuchung ein Elektroschocker gefunden worden.
Laut Gericht und Verteidiger des Beschuldigten droht ihm in einem anderen Prozess zudem eine bislang nicht rechtskräftige zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen der Anstiftung zur Nötigung. Zudem werde ein Verfahren gegen ihn geführt, weil er einen Supermarkt-Mitarbeiter nach einem Verstoß gegen die Maskenpflicht beleidigt haben soll. Tatsächlich ist der Beschuldigte nach Informationen der Redaktion der Würzburger "Querdenker"-Szene zuzuordnen.
Würzburger und Schweinfurter Franchise-Nehmer: Haben Angaben vertraut
In einer Stellungnahme, die der 30-Jährige von seinem Anwalt verlesen ließ, betonte er die Rechtmäßigkeit seines CBD-Verkaufs. Er sei "davon ausgegangenen, dass das völlig legal ist". Im Vorfeld seiner Tätigkeiten habe er etwa Rücksprache mit dem Polizeipräsidium gehalten. Bei seinen Cannabis-Produkten sei es ihm stets um die Gesundheit seiner Kundinnen und Kunden gegangen.
Einen Fokus legten Gericht und Staatsanwaltschaft bei der Befragung der restlichen Beschuldigten auf den Verkauf von CBD-Produkten an minderjährige Kundinnen und Kunden. Die zwei anwesenden Franchise-Beteiligten sowie ein ebenfalls beschuldigter Mitarbeiter gaben an, sich bei rechtlichen Belangen auf die Angaben des Unternehmenschefs verlassen und an die Unbedenklichkeit ihrer Produkte geglaubt zu haben. Entgegen explizit anderslautender Vorgaben des Franchise-Gebers hätten sie jedoch keine Blütenprodukte an Minderjährige verkauft.
Die mehrfachen Nachfragen der Staatsanwaltschaft zum Thema Verkauf an Minderjährige lassen darauf schließen, dass dies möglicherweise ein Kernpunkt der Berufungsverhandlung wird. Bereits am ersten Verhandlungstag entfalteten sie eine Wirkung: "In euren Augen sind wir schlimm", brach es nach kritischen Nachfragen von Gericht und Staatsanwaltschaft emotional aus einem der Beschuldigten heraus. Er habe stets an die Unbedenklichkeit der Produkte geglaubt.
Dennoch habe er mutmaßlich minderjährige Kunden nach Ausweisen gefragt. Dem Unternehmenschef hingegen sei es nur ums Geschäft gegangen. Wenn etwas nicht funktioniert habe, sei dieser "ausgerastet", die Franchise-Beteiligten seien mit Knebelverträgen gefügig gemacht worden. "Er hat uns nur noch ausgenommen."
Insgesamt fünf Prozesstage vor dem Landgericht Würzburg anberaumt
Weniger emotional aber ebenfalls frustriert klangen die Schilderungen der zweiten Franchise-Nehmerin. "Wir hatten zwischenmenschlich große Probleme", sagte sie. Ihr seien im Nachhinein Klauseln aufgedrängt worden, die sie nicht unterschreiben wollte. Als sie sich dagegen wehrte, seien Lieferungen ausgeblieben. Auch sie sei aufgrund der Angaben des Franchise-Gebers jedoch stets von der Rechtmäßigkeit ihres Gewerbes ausgegangen.
Weil Staatsanwaltschaft und Hauptbeschuldigter trotz mehrfachen Drängens des Vorsitzenden Richters nicht auf ihre Berufung verzichten wollten, wird der Prozess das Landgericht noch eine Weile beschäftigen. Insgesamt fünf Prozesstage sind anberaumt, die nächste Sitzung findet am kommenden Mittwoch statt.
Das Urteil war mild, jetzt kommt alles ans Licht. Mir wurden da ja selbst solche Dinge zugetragen worden.