In Berlin wird in den Sondierungsgesprächen von SPD, Grünen und FDP gerade über die Legalisierung von Cannabis verhandelt. In Würzburg hat die Staatsanwaltschaft jetzt vor dem Amtsgericht Haftstrafen für die beiden Geschäftsführer der Cannameleon-Läden in Würzburg gefordert. Sie hatten Tee aus EU-zertifiziertem Nutzhanf verkauft, der hauptsächlich aus dem harmlosen Cannabidiol (CBD) besteht, aber eine Spur des psychoaktiven Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) enthält.
Die Vorgeschichte: Anfang 2019 wird im Würzburger Stadtteil Grombühl ein Kaffee- und Gesundheitsshop öffentlichkeitswirksam eröffnet. "Cannameleon" spezialisiert sich auf Hanfprodukte, darunter auch CBD-Blüten und Tee. Alles legal, sagen die Firmengründer. Das Ordnungsamt kommt vorbei, die Lebensmittelüberwachung nimmt Proben. Auch der Polizeipräsident soll sich interessehalber umgesehen haben. Die Produkte des Ladens bestehen überwiegend aus Cannabidiol (CBD), einem Wirkstoff der weiblichen Hanfpflanze. Bekannt als Cannabis, werden dem Extrakt positive Eigenschaften nachgesagt. Eine berauschende Wirkung hat er - im Gegensatz zu THC - nicht.
Das Geschäft mit CBD-Produkten wird ausgebaut
Der Laden läuft, die Firmenchefs expandieren und bauen ein Franchise-Modell auf. In Schweinfurt eröffnet im August 2019 ein 23-Jähriger eine Cannameleon-Filiale am Marktplatz, den Shop in Grombühl übernimmt im Oktober 2019 eine 29-Jährige.
Dann die Razzia: Am 5. November 2019 werden zeitgleich die beiden Läden sowie die Wohnungen der Betreiber von der Polizei und einem Unterstützungskommando (USK) durchsucht. Auch die Cannameleon-Geschäftsführer bekommen zuhause im Landkreis Würzburg überraschend Besuch von Polizei und Staatsanwaltschaft. Der Firmenchef verhält sich den beteiligten Polizisten zufolge aggressiv, leistet Widerstand, beleidigt Beamte. Auch seine Verlobte ist laut Zeugen aufgebracht und beleidigt den Staatsanwalt.
Bei Razzien wird kiloweise Hanf-Tee sichergestellt
Kiloweise Hanf-Tee wird sichergestellt. Laut Laboranalyse liegt der THC-Gehalt je nach Sorte bei 0,05 bis 0,3 Prozent. Grund für die Würzburger Staatsanwaltschaft, im August 2020 Anklage zu erheben. Den beiden Firmenchefs und ihren Franchise-Nehmern wird unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln vorgeworfen. Beim 29 Jahre alten Cannameleon-Geschäftsführer kommen Widerstand und Beleidigung hinzu, seiner Verlobten wird Beleidigung des Staatsanwalts zur Last gelegt. Mitangeklagt ist auch ein 33-Jähriger, der fünf Wochen lang im Würzburger Geschäft Tee und andere CBD-Produkte verkaufte - laut Staatsanwalt vermutlich auch an minderjährige Kunden.
Kein leichter Fall für das Würzburger Amtsgericht. Die äußerst geringen Mengen an THC in den verkauften Tees reichen nicht aus, um sich zu damit in einen Rauschzustand zu versetzen. Auch nicht durch einen Joint aus den Hanfblüten des Tees. Aber der Tee könnte als Backzutat für Cookies verwendet werden. Im Cannameleon wurden solche verkauft.
Cookies aus Hanf-Tee können eine berauschende Wirkung haben
In einem ähnlichen Verfahren vor dem Landgericht Braunschweig hatten Sachverständige festgestellt, durch eingebackenen Hanfblütentee in Brownies könne man einen Rausch erzeugen. Allerdings müsse man dann schon ein ganzes Blech davon essen - eine teure Angelegenheit. "Wir glauben nicht, dass sich jemand für 150 Euro Tee kauft, um sich damit zu berauschen", sagt die Vorsitzende Richterin Melanie Schneider in der Verhandlung. Doch sie verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs und stellt klar: "Nutzhanf-Blütentee mit mehr als 0,1 Prozent THC ist derzeit verboten."
Für den Staatsanwalt ist Fakt: "Cannabis ist grundsätzlich verboten." Den beiden Geschäftsführern unterstellt er vorsätzliches Handeln mit Betäubungsmitteln und fordert zwei Jahre und vier Monate Haft für den 29-Jährigen, zwei Jahre für seine Geschäftspartnerin und Verlobte. Für die Franchise-Nehmer plädiert er jeweils auf Freiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monate. Der 33-jährige Verkäufer, dem die Abgabe an Minderjährige in der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen werden kann, sei mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen zu bestrafen.
Verteidiger fordern Freisprüche für die Angeklagten
"Die Eltern von kleinen Kindern ins Gefängnis stecken zu wollen - das ist unverhältnismäßig", erwidert Rechtsanwalt Norman Jacob Jun. in seinem Plädoyer. Er vertritt den 29-Jährigen und fordert Freispruch. Die plötzlichen Razzien mit vier Staatsanwälten und 49 Polizeibeamten sollten, so Jacob, für die Öffentlichkeit offenbar das Bild erzeugen, "hier räumt man auf". Einen Freispruch fordert sein Kollege, Verteidiger Jan Paulsen, auch für die Geschäftsführerin.
Sein Mandant sei "Werkzeug der Geschäftsführer" gewesen, verteidigt Klaus Spiegel den Schweinfurter Franchise-Nehmer. Einen Freispruch fordert Anwalt Nikolaus Gwosdek für die Würzburger Ladeninhaberin. Und Anwalt Timo Fuchs sieht seinen Mandanten, den Verkäufer, als den Hauptangeklagten: Nur ihm würde ein Verbrechen vorgeworfen, die Abgabe von Betäubungsmitteln. Schuldhaftes Handeln könne man ihm aber nicht vorwerfen, er habe angenommen, in einem "seriösen Laden" zu arbeiten.
Gericht: Kein Vorsatz, deshalb keine Freiheitsstrafe
Auch das Gericht hält am Donnerstag eine Freiheitsstrafe für unverhältnismäßig und erkennt keinen Vorsatz. Die beiden Geschäftsführer hätten fahrlässig gehandelt: Sie werden für den unerlaubten Handel mit Betäubungsmittel schuldig gesprochen. Beim 29-Jährigen kommen Widerstand gegen Polizeibeamte und Beleidigung hinzu, bei seiner Verlobten die Beleidigung des Staatsanwalts. Er soll eine Geldstrafe von 220 Tagessätzen à 60 Euro bezahlen, sie 80 Tagessätze à 60 Euro.
Die beiden Franchise-Unternehmer werden verwarnt. Der Verkäufer wird wegen Abgabe und Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt. "Das sind alles milde Urteile", sagt die Richterin. Und an den 29-Jährigen gerichtet, der sich uneinsichtig zeigt und weiter CBD-Produkte verkaufen will: "Aus meiner Sicht können Sie so nicht weitermachen."
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Zwei Verteidiger kündigten bereits Berufung an, die Staatsanwaltschaft will diese prüfen.
Respekt! Da hat man unser Steuergeld mal so richtig hart arbeiten sehen!
👎
Und jetzt im Ernst:
Mußte man dort wirklich mit Kanonen auf Spatzen schießen?
Das Ganze war doch völlig überdimensioniert und sinnlos wie ein Kropf.
Stichprobenkäufe hätten hier völlig ausgereicht...
Ich will die Staatsanwaltschaft eigentlich nicht in Schutz nehmen, aber hier dürfte auch genügend Druck seitens Landesregierung und Justizministerium bestanden haben.
Wenn dann wieder von konservativen Parteien Krokodilstränen wegen der Überlastung der Polizei geheult werden, darf letztere gerne bei der nächsten Wahl genauer überlegen, wem sie das eigentlich zu verdanken hat.
Den Staat vertreten diese selbstherrlichen Robenträger schon lange nicht mehr.
Ich bin gespannt wie sich die Herren und Damen der Staatsanwaltschaft ihr jahrzehntelanges Fehlverhalten schönreden, wenn Cannabis endlich legal ist.
Wenngleich man das Verhalten der jetzigen Staatsanwaltschaft nicht vergleichen kann. Aber eine Frage an die Juristen: kann man die WÜ Staatsanwaltschaft nicht wegen Verplemperns von Steuergeldern verklagen?
Ein Kadavergehorsam sorgt dafür, dass althergebrachte Denkweisen bewahrt werden sollen. Je länger das der Fall ist um so peinlicher wird es am Ende.
Dieser Prozess geht genau in diese Richtung bzw. muss man sich als Bürger schämen so etwas in der Zeitung zu lesen.
Und das schreib ich obwohl ich kein Freund von Marihuana und dergleichen bin. Es ist aber unehrlich wenn die Maß Bier im Biezelt für manche bayerischen Politiker zum höchsten Gut erklärt bzw. verklärt wird und dann gegen andere Drogen derart geschossen wird!
Wenn das Zeugs Eu-zertifiziert ist, dann sollte das sogar in Bayern akzeptiert werden.
Übrigens: In Rhön-Grabfeld wird Hanf auf dem Acker angebaut ( Die Main-Post hat darüber berichtet).
Und die derzeitige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner CDU war darob dermaßen erfreut, dass sie diese Staatenmischung gleich im heimischen Garten anbauen wollte.
Staatsanwaltschaft Würzburg, auf geht's, das Verbrechen greift um sich und alle schauen tatenlos zu !
...haben ihren Firmensitz halt nicht in Bayern