zurück
Schweinfurt
Was fand die Polizei bei der "Cannameleon"-Razzia?
Für den Schweinfurter "Cannemeleon"-Shop war es ein herber Schlag: Kaum eröffnet, nahm die Polizei alles mit. Angeblich wurde gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen.
'Cannameleon'-Betreiber Francesco Kracht hat die Regale seines Ladengeschäftes am Markt längst wieder aufgefüllt. Gründe für die Razzia Anfang November sieht er bis heute nicht. 
Foto: Stefan Sauer | "Cannameleon"-Betreiber Francesco Kracht hat die Regale seines Ladengeschäftes am Markt längst wieder aufgefüllt. Gründe für die Razzia Anfang November sieht er bis heute nicht. 
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:09 Uhr

Am Morgen des 5. November 2019 will sich Francesco Kracht mit seiner Freundin auf den Weg nach Schweinfurt in sein neues Ladengeschäft am Marktplatz machen. Als die beiden ihre Wohnung in Würzburg verlassen und vor die Haustür treten, spricht sie ein Postbote an. Er fragt Kracht, wer er sei, und als dieser Auskunft gibt, sind acht Zivilpolizisten um sie herum.

Auch der angebliche Postbote ist einer. Die beiden jungen Leute werden zurück in die Wohnung gedrängt – es ist die Wohnung der Freundin. Kracht muss sich bis auf die Unterhose entkleiden, wird gründlichst durchsucht. Handys, Laptop, Ordner, Unterlagen – alles wird beschlagnahmt. Was nicht mitgenommen wird, liegt anschließend  in der Wohnung völlig durcheinander herum.

So schildert der 23-Jährige Inhaber des "Cannemeleon"-Ladens am Schweinfurter Marktplatz, wie die Polizei an diesem Morgen verhindert hat, dass er sein Geschäft aufschließen und Kunden bedienen kann. Vielmehr brachten ihn die Beamten zur Kripo. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss sei ihm erst in der Kripo-Abteilung K7, auf der Wache sozusagen, gezeigt worden, sagt Kracht. In der Wohnung habe es noch geheißen: "Warum wollen Sie den denn sehen?"   

Zeitgleich wurden die beiden Würzburger "Cannameleon"-Läden des Firmengründers Lukas Schwarz und auch dessen Wohnung durchsucht. Ein weiterer Trupp Beamter machte sich daran, das Schweinfurter "Cannameleon" am Marktplatz zu durchsuchen. "Sie haben alles mitgenommen", sagt Betreiber Kracht, "Blüten, Hanf-Lebensmittel,  Öle, Pulver, Kapseln, alles, was mit CBD zu tun hat, sogar Nahrungsergänzungsmittel wie Multivitamintabletten für Kinder". Dazu Handys und Computer, auch deshalb waren die Ladenbetreiber für Nachfragen längere Zeit nicht erreichbar. Für die komplette Razzia seien wohl 80 Polizisten im Einsatz gewesen, schätzt Francesco Kracht. 

Zu viel THC im "Legalen Cannabis"?

Und wozu dieser Aufwand? Laut Polizei und Staatsanwaltschaft Würzburg hätten die in den Läden verkauften Teesorten kein "legales Cannabis" (CBD ohne Rauschwirkung) enthalten, sondern Wirkstoffgehalte zwischen 0,16 Prozent und 0,3 Prozent psychoaktives Tetrahydrocannabinol (THC). Deshalb habe die Staatsanwaltschaft Durchsuchungsbeschlüsse für die Geschäfte in Würzburg und Schweinfurt sowie für die Wohnungen der Beschuldigten erwirkt. Die Betreiber der Läden und die Grüne Jugend Würzburg kritisierten die Razzien als völlig überzogen und absurd.

Das Chamäleon im 'Cannameleon'.
Foto: Stefan Sauer | Das Chamäleon im "Cannameleon".

Wie die Polizei darauf kommt, dass bei ihm illegales Hanf verkauft würde, weiß der Schweinfurter "Cannameleon"-Betreiber bis heute nicht. Er habe 70 000  Euro investiert, um einen Laden für "saubere" CBD-haltige Produkte zu führen. "Wie bescheuert müsste ich sein, wenn ich darin THC-Cannabis anbieten würde?" Er hat auch Öle, Salben, Lollis und Schokolade im Sortiment.

Nach der Razzia fehlten ihm Waren im Wert von rund 4000 Euro, eine neues Handy, ein Laptop, so Kracht. Mit Umsatzausfall und dem Umstand, dass er eineinhalb Wochen ohne Ware dastand, belaufe sich der wirtschaftliche Schaden auf rund 10 000 Euro. Durchsucht worden seien nur die "Cannemeleons" in Würzburg und Schweinfurt, der Laden in Leipzig – im Freistaat Sachsen – dagegen nicht.

Polizei: Ermittlungen dauern an 

Auf Anfrage teilte das Polizeipräsidium mit, die Ermittlungen der Kripo Würzburg zu den Durchsuchungen in den "Cannameleon"-Läden seien noch nicht abgeschlossen. Auch die "Auswertung der sichergestellten umfangreichen Asservate dauert noch einige Zeit". Gutachten zum THC-Gehalt der Asservate lägen ebenfalls noch nicht vor. Wann dies der Fall sein könnte, könne noch nicht gesagt werden.

Den Tatverdächtigen sei das Vorliegen einer Durchsuchungsanordnung zunächst "mündlich eröffnet" und ihnen "anschließend unverzüglich der schriftliche Beschluss übergeben" worden. "Die Belehrung über die Rechte im Strafverfahren erfolgte sobald als möglich", heißt es auf die Frage dieser Redaktion, "ob sie unverzüglich über ihr Recht zu schweigen belehrt" wurden. Die Durchsuchungen hätten dem Auffinden von Beweismitteln im laufenden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Verstöße nach dem Betäubungsmittelgesetz gegolten.

"Silberglanz" weiter im Sortiment

Das Schweinfurter Ordnungsamt sieht bisher keinen Anlass, dem "Cannameleon" das Gewerbe zu untersagen. Es will erst das Ermittlungsergebnis abwarten. Vor allem seine ältere Kundschaft – es ist die Mehrzahl – sei nach der Razzia verunsichert gewesen, sagt Francesco Kracht. Jetzt sei sie wieder da.

Beim Gespräch mit dieser Redaktion herrscht reger Betrieb im Laden. Laut Kracht soll nur eine Sorte der fünf Hanfblütentees in seinem Angebot – die Sorte "Silberglanz" – den zulässigen THC-Anteil um 0,1 Prozent überschritten haben. Auch diese ist längst nachgefüllt und wieder zu haben.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Stefan Sauer
Angeklagte
Beamte
Betäubungsmittelgesetz
Lukas Schwarz
Marihuana
Ordnungsämter
Polizei
Polizeipräsidien
Polizistinnen und Polizisten
Salben
Staatsanwaltschaft
Staatsanwaltschaft Würzburg
Zivilpolizisten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • kleinhenz_philipp@web.de
    Kein Wunder, dass der Respekt vor der Polizei flöten geht. Solche Aktionen bringen der Staatsgewalt sicherlich keine Sympathiepunkte...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    Wenn der Bericht

    die Vorgänge richtig beschreibt, dann wurde ja wirklich unverhältnismäßig vorgegangen. Vor allem aber ist doch die Beschlagnahme von Artikeln, die möglicherweise geringfügig über der gesetzlichen Regelung Rauschmittel enthalten geradezu lächerlich.

    Bier mit 0,5% Alkohol darf als alkoholfreies verkauft werden, warum ist unser Staat denn da so großzügig?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Das soll wohl bedeuten

    die Staatsgewalt in Bayern will keine solchen Läden, und wer doch einen aufmacht, soll sehen, was er bzw. sie davon hat. Oder?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 4650246
    Hier wird ja nur die eine Seite beschrieben. Dass sich nun aber alle Kommentare gegen die Staatsgewalt richten halte ich für bedenklich. Offensichtlich ist an dieser Stelle kaum mehr Vertrauen in Polizei und Staatsanwaltschaft vorhanden. Wie das dann auf der Straße aussieht kann man ja beobachten, wirklich bedenklich und respektlos.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Funkenstern
    Nun, die örtliche Polizei tut nun auch alles dazu, dieses Syndrom hoch zu halten. Beispiele könnte ich nun genug auffahren, denn ich habe beruflich sehr viel mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Behörden, Luftpumpen und beamtlichen Nichtskönnern zu tun. Alle diese Personen erzählen mir mehrmals die Woche, was ich zu tun habe, um sie zu unterstützen. Ich muss rein gar nichts, ich kann dies leisten, wenn mein Aufwand hierfür vergütet wird. Da sie das meist ablehnen, bleibts Maul auf deutsch gesagt trocken. Diejenigen, die das kleinste Rad am Wagen sind, die meisten Steuern zahlen, werden heutzutage von unserer Staatsmacht am schlimmsten gemolken und gegängelt. Deswegen kann man diese Aktion, so wie sie hier beschrieben ist, allumfänglich missbilligen. Der Junge Typ wurde quer durchs Rad gezogen, er kann froh sein, wenn er das geschäftlich überlebt. Denn solche Aktionen haben nicht selten eine Insolvenz oder Geschäftsaufgabe zur Folge, die im Nachgang keinen mehr interessiert.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • FischersFritz
    Es fängt doch schon damit an, dass unsere Gesellschaft und unsere Politik Drogen unabhängig vom Schadenspotenzial legitimiert.

    Bitte nicht falsch verstehen – ich lehne Drogen in JEDER Form ab. Und ich finde, unser Staat sollte insbesondere bei der Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss mit ultimativer(!) Härte vorgehen.

    Das muss dann aber bitte für ALLE bewusstseinsverändernden Drogen gleichermaßen gelten.

    Wenn also so ein Laden mit so einem Aufriss umgekrempelt wird – dann steht das in keinem Verhältnis. Dann müsste die GSG9 jeden Tag ein paar Brauereien dichtmachen.

    Aber leider wandelt unsere Politik immer noch auf den von Harry Anslinger & Co ausgetreten Pfaden – ohne den Mut für ein neues Konzept im Umgang mit Drogen in unserer Gesellschaft.

    So dürfen sich also weiterhin um die 200.000(!) Menschen in Deutschland jedes Jahr völlig legal totsaufen und totrauchen – während unsere Staatsmacht sich mit aberwitzigem Aufwand auf die Jagd nach ein paar Gramm THC macht …
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Buchinger
    Dieses Verhalten der Polizei kann man auch nicht respektieren. Da braucht man sich nicht wundern. So ein völlig unverhältnismäßiger Einsatz mit 80 Kräften, mit teils frechen Aussagen und gegen die Würde der Beschuldigten kann man schon als Anarchie des Staates verstehen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Arcus
    Da hat wohl (wieder einmal) ein übereifriger Staatsanwalt (diese Sorte von Juristen unterstehen ja dem bayrischen Justizministerium) wertvolle Polizeikapazitäten verplempert. Solche Leute gehören aus dem Dienst entfernt. In Bayern allerdings gehen die Uhren scheinbar anders.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Doedi.wue
    Heut schon eine geraucht???
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • rft@rudolf-thomas.de
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • schreiber_51
    und von den Steuern die der Ladenbesitzer zahlt werden diese Superermittler auch noch Bezahlt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albatros
    Sehr geehrter Herr Kracht, ich kann Ihnen nur empfehlen sich einen guten Anwalt zu nehmen und gegen diese Ermittlungen rechtlich vorzugehen. Wenn die Ereignisse sich so zugetragen haben wie hier erwähnt, dann ist da reichlich Fleisch am Knochen für ein Ermittlungsverfahren gegen die ermittelnden Beamten, auch der Ihnen entstandene Schaden wäre gerichtlich anzufechten. Bleibt die Frage, wer hier mit völlig unverhältnismäßigen Mitteln so ein Faß aufmacht und wer hier die Verantwortung trägt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • FischersFritz
    Würde mich brennend interessieren, auf welcher „Grundlage“ der für diese Aktion erforderliche richterliche Beschluss zustande gekommen ist!

    Da müssen ja ganz konkrete Hinweise und Erkenntnisse vorgelegen haben – denn Unschuldsvermutung in einem Rechtsstaat geht ja definitiv anders …
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • zeitzeuge
    Die Grünen wollen keine Ermittlungen in der Haschszene.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Funkenstern
    Andere auch nicht. Die von Ihnen beschriebene Haschszene gibt es nicht. Genauso könnte man jede Kneipe durchsuchen (lassen) Gefahr im Verzug wegen vorsätzlichem Vollrausch. Sorry, aber der Post ist Mist. Zur info: ich rauche nicht, ich trinke nicht und ich habe nichts mit fremden Frauen. Ironie aus.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • zeitzeuge
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Und - @ zeitzeuge -

    wer gibt in Bayern was auf die Grünen, wo doch die CSU das neue Grün ist?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Funkenstern
    Ein Pfund übereifrige Staatsdiener bitte. Bitte am Weg des geringsten Widerstands aufstellen und abholen. Waffengewalt ist nicht zu befürchten, deswegen brauchen wir unbedingt Verstärkung! Nach dem Einsatz müssen alle teilnehmenden Beamten zunächst für 6 Wochen in den Entzug oder Dekontaminierung. Danach bitte alle zur gemeinsamen Kur mit anschliessendem Urlaub melden. Zur Wiedereingliederung treffen wir uns dann alle nach der Karnevalszeit.
    Bis dahin haben die wahren Drogendealer und Inverkehrbringer genügend Zeit, sich auf die Schenkel zu klopfen und ein Pfeifchen auf die bayrische Staatsmacht zu rauchen.
    Ich glaube, es gibt irgendwo die Redewendung Verhältnismässigkeit der Mittel.
    Die kann man hier beim besten Willen nicht erkennen.
    Verkehrsvergehen mit Todesfolge, Vollräusche mit Todesfolge, das alles können sie nicht bewerten und kommen zu völlig weltfremden Urteilen. Einen Bürger, der seinen legalen Geschäften nachgeht, den kann man drangsalieren.
    Klasse meine Herren!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten