Das passte: Just zum Wochenende mit traumhaftem Spätsommerwetter hatte die Bayerische Regierung neue Corona-Verordnungen beschlossen, die - endlich - wieder Freiheiten bringen. Seit 2. September ist die Sieben-Tage-Inzidenz nicht mehr das Kriterium für Corona-Einschränkungen, die Zeit der FFP2-Maskenpflicht ist vorbei. Die Neuerungen brachten also auch Erleichterungen für das Umsonst & Draussen-Festival in Würzburg und den Volkacher Kabarett-Sommer. Was bedeutet den Menschen in Unterfranken die wiedergewonnene Freiheit? Unsere Reporterinnen und Reporter haben sich in Würzburg, Schweinfurt und Volkach umgehört.
Umsonst & Draussen in Würzburg: Endlich wieder Festivalstimmung!
Beim Umsonst & Draussen in Würzburg herrscht reges Treiben: Auf dem Festivalgelände versammeln sich am Samstagmittag schon die ersten Besucherinnen und Besucher. Junge Leute, Eltern, Großeltern, Kinder - die Menge ist bunt gemischt. Das Programm hat ja auch Einiges zu bieten - am Vormittag Kindertheater, dann die Rockband Loome, gefolgt von elektronischer Musik von Not Machine und zum Schluss das Singer- Songwriter Duo Caroline No.
Das Publikum: sichtlich gut gelaunt! "Es ist einfach schön wieder einigermaßen sorgenfrei ein Festival besuchen zu können", sagt die 24-jährige Studentin Julia, "da kann man für einen Moment den Alltag vergessen."
Bei schönstem Sonnenschein genießen die Menschen ein kühles Getränk oder ein Eis. Die G-Maßnahmen scheinen für die meisten kein Problem zu sein. Erspart bleiben einem ja immerhin die Masken, sodass man auch wieder das Lachen der anderen Besucherinnen und Besuchern sehen kann. Auf der Wiese verbreitet sich das Gefühl von langer vermisster Normalität. "Einfach mal wieder ausgelassen auf einem Konzert feiern macht wirklich Spaß", sagt der 25-jährige Student Niko.
Auf dem Gelände direkt am Main kommt jedenfalls mit den ersten Bands richtig Festivalstimmung auf. Ein Bild, das man seit über einem Jahr nicht mehr zu sehen bekam. Ausgelassen wird mitgetanzt. Manche stehen direkt an der Bühne, andere haben es sich auf der Wiese mit einer Picknickdecke gemütlich gemacht. Aus allen Richtungen sind Lachen und ausgelassene Gespräche zu hören. Auch die Künstler haben sichtlich Spaß und genießen die Zeit auf der Bühne. Neu gewonnene Freiheit - bis in die späten Abendstunden.
Kabarett Sommer in Volkach: Auf der Suche nach der neuen Freiheit
Im Heißluftballon über dem Volkacher Weinfestplatz, da müsste sie doch riesig sein, die Freiheit? Vielleicht stimmen die Ballonfahrer beim Runterschauen auf die kurze Schlange am Einlass ja Reinhard Meys "Über den Wolken" an. Oder muss man gar nicht so hoch hinaus, um sie wiederzufinden diese "neue Form von Freiheit", die Ministerpräsident Markus Söder am Dienstag versprochen hatte?
Als sich am Samstag die Tore zum vorletzten Abend des Volkacher Kabarett Sommers öffnen, stehen die Gäste in der Abendsonne an wie gewohnt: FFP2-Maske im Gesicht, großzügiger Abstand. Komiker Günter Grünwald, Jahrgang 1956, lockt ein eher gesetztes Publikum auf den großen Platz unter Bäumen. Rund 700 Leute werden es an dem Abend sein. "Es herrscht Zucht und Ordnung", kommentiert Thomas Höchamer aus Markt Einersheim (Lkr. Kitzingen) seine Umgebung grinsend. In der ersten Reihe vor der Bühne hat er Platz genommen.
Eine neue Freiheit seit Donnerstag, sagt der 58-Jährige, spüre er überhaupt nicht. Aber der Kabarett Sommer sei ein tolles Angebot: "Schauen sie sich mal um: Alle lachen und sind glücklich, weil sie endlich mal wieder raus dürfen." Während er das sagt, laufen die meisten Leute mit Maske zu ihren reservierten Plätzen. Alte Gewohnheit eben.
Einige Tische weiter haben es sich Mitglieder des Motorradclubs Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) mit Freunden gemütlich gemacht. Was sagt einer, der sonst die Freiheit auf zwei Rädern genießt, zu Söders Versprechen? "Das Problem ist: Was heute Freiheit ist, kann morgen schon wieder vorbei sein", meint Norbert Wiener. Sie seien viel unterwegs und die Regeln immer noch zu unübersichtlich, sagt der 62-Jährige: "Wer blickt denn noch durch, was in welchem Landkreis erlaubt ist?"
Ihm gegenüber weiß Christin Silberbach immerhin, dass im Landkreis Kitzingen die 3G-Regel voraussichtlich erst ab Dienstag gilt. Darum will die 32-Jährige tags darauf gleich nochmal die Chance nutzen, ohne vorherige Testpflicht entspannt essen zu gehen. Denn sie ist ist schwanger und ungeimpft. Neue Freiheit? Fehlanzeige! Schön findet Christin Silberbach aber, dass man keine FFP2-Masken mehr tragen muss.
Damit gar kein Problem hat Linus Just aus Astheim. Er jobbt beim Kabarett Sommer als Ordner und nennt seine Gesichtsbedeckung sogar "gemütlich". Die neuen Regeln erleichtern ihm immerhin die Arbeit: Jetzt muss er nur noch auf die richtige Laufrichtung der Leute achten.
Der 16-Jährige müsste doch jetzt glücklich sein über die neue Freiheit? Nach getanem Ferienjob endlich mal Party machen? Linus' Antwort: "Keine Ahnung! Feiern und tanzen war ich noch nie, das kenne ich gar nicht."
In der Schweinfurter Kunsthalle: Auf der Suche nach der Wahrheit
Wahrheit. Was für ein schöner Titel für die Triennale V in der Kunsthalle in Schweinfurt, die am Sonntag endete. Freitagnachmittag, strahlender Sonnenschein draußen, lichtdurchflutete Große Halle drinnen. Die Suche nach der Wahrheit in Zeiten von Donald Trump war schwierig genug. In Zeiten von Corona ist diese Suche für manche Zeitgenossen gleich doppelt schwer, scheint’s zumindest.
Welch Wohltat, sich einzulassen auf Kunst, die was zu sagen hat von acht Künstlern und zwei Künstlerinnen, die dem Ruf des früheren Domkapitulars Dr. Jürgen Lenßen als Kurator gefolgt sind. Wahrheit hat immer auch mit der eigenen Wahrnehmung zu tun. Kann es dann überhaupt eine Wahrheit geben, auf die wir uns alle einigen?
Wahr ist: In der Kunsthalle müssen alle Masken tragen, nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder aktuell negativ getestet sind. Die Inzidenz in Schweinfurt liegt nach wie vor deutlich über 100.
Wahr ist auch: Die Kunstwerke bedeuten für jeden etwas anderes. Das macht den Reiz solcher Ausstellungen aus. Da ist die wunderbare Ikarus-Figur von Thomas Hildenbrand, mit Engelsflügeln aus Schrottholz, die menschliche Hybris subtil vor Augen führend. Der Künstler Francis Picabia hat einmal den wunderbaren Satz gesagt, „der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln können.“ Wenn doch nur mehr Menschen davon Gebrauch machten.
Ende des Ausstellungsbesuchs. Mutter, Tochter, Großmutter öffnen die Tür: "Ah, die Maske ab." Sie atmen durch, schauen sich um, auf den ersten Blick ist alles wie immer auf dem Vorplatz der Kunsthalle. Der Freitagnachmittag-Verkehr fließt vorbei, im Park um die Ecke spielen Kinder ausgelassen, die Menschen eilen gen Feierabend.
Im Restaurant gegenüber der Kunsthalle sitzt man, isst, trinkt Aperol Spritz und plaudert. Luca-App, Einlassbeschränkung innen, Plexiglas-Wände an den Tischen, Maskenpflicht bis an den Platz – man hat sich daran gewöhnt. Auch daran, dass im Foyer des wegen Renovierung geschlossenen Theater nun ein Corona-Testzentrum ist. Vielleicht sind unsere Köpfe doch runder als wir gemeinhin glauben.
Nachsommer in Schweinfurt: Charmeur Jan Josef Liefers begeistert
Szenenwechsel. Kessler Field, Open-Air-Bühne, zwei Stunden später am Abend. Jan Josef Liefers und Radio Doria treten auf, das erste Konzert des Nachsommers in Schweinfurt. Die Stimmung der rund 400 Besucher ist ausgelassen, der laue Sommerabend herrlich. Weil es eine Outdoor-Veranstaltung ist, gibt es keine Maskenpflicht. Wer sich auf den Menschenfänger und Charmeur Liefers und seine meisterliche Band einlässt, erlebt einen Abend fast wie vor Corona.
Lagerfeuer-Romantik, das war der Gedanke, den Liefers und seine Band für ihre von Corona verhinderte Tour 2020 geplant hatten. "Nah oder gar nicht", der Titel. "War da ein Warnlicht, ich seh’ die Gefahr nicht", singt der 57-Jährige, der ein mindestens ebenso guter Musiker wie Schauspieler ist.
Es wird getanzt, es wird gelacht, es wird geklatscht. Es wird gelebt. Auch das eine Wahrheit: Wie sehr wir uns nach solchen Abenden sehnen, die ein bisschen Normalität vorgaukeln. Wenigstens so lange, bis man bei der Heimfahrt das Radio mit den Nachrichten anmacht.