Er steht seit über 40 Jahren auf der Bühne, genießt als frischgebackener 60-Jähriger seine zurückgewonnene Freiheit und ist – wie er versichert und wie es der Tour-Titel auch schon sagt –ganz bei sich. Am Sonntag ist der der Schlusspunkt des Volkacher Kabarett Sommers.
Werner Schmidbauer: Ich weiß gar nicht, ob man jemals ganz zu sich findet. Die Tour ist vor allem deshalb so benannt, weil ich die Jahre davor immer in Gruppen aufgetreten bin. Diesmal bin ich alleine, angesichts von Corona passt das ja auch. Im Grunde ist es wie früher, back to the roots. Das ist total schön, weil man zu sich kommt.
Schmidbauer: Auf jeden Fall. Ich bin vor ein paar Tagen in den Club der 60-Jährigen eingetreten. Die letzten Jahre haben mich noch mehr zu mir gebracht. Wohin man will, was man kann. Man denkt ja, man kommt irgendwann an – aber es verändert sich ja immer etwas. Es ist ein bisschen wie beim Bergsteigen: Du kommst oben an, stehst auf dem Plateau, musst dich aber wieder auf den Weg machen. Ich bin sicher mehr bei mir, als ich es mit 40 war. Auch auf der Tour merke ich das, wie ich anders auf der Bühne stehe, anders Gitarre spiele. Das hat auch mit einer inneren Ausgeglichenheit zu tun. Es ging mir schon schlechter.
Schmidbauer: Liedermacherei im ehrlichsten Sinne. Ich schreibe seit 40 Jahren Lieder im bayerischen Dialekt, das ist meine Sprache. Die Leute erwartet ein Schmidbauer, der mit zwei verschiedenen Gitarren dasteht und Lieder singt, die stark autobiografisch sind. Das älteste Lied hat 40 Jahre auf dem Buckel, das jüngste vielleicht gerade ein Jahr – das ist wie eine Biografie, eine Art Tagebuch. Es gibt aber auch politische Inhalte. Außerdem kann ich komplett auf das Publikum reagieren, weil ich alleine bin. Manchmal wünschen sich Leute etwas, das spiele ich dann auch – vorausgesetzt, ich habe es noch drauf.
Schmidbauer: Am liebsten wäre mir bunt gemischt. Manchmal sind auch ganz junge Leute da, die später am Merchandising-Tisch ratlos stehen und sich gerne eine CD kaufen würden – aber gar keinen Player mehr haben. Generell kann man sagen: Das Publikum wächst mit einem, wird mit einem älter. Es gibt den einen oder anderen grauen Schopf im Publikum – wie ich ihn auch habe. Für alle um die 60 habe ich mit "Aufgeb'n werd am Schluss" extra ein Lied für diese Altersgruppe geschrieben.
Schmidbauer: Ich hatte eine große Tour mit über 100 Konzerten vor der Pandemie – am 11. März war der Abschluss in Wien. Es war das letzte Konzert, bei dem die Leute noch nebeneinander sitzen konnten. Dann kam die lange Pause, acht Monate. Vergangenen Sommer fanden sieben, acht Konzerte statt, alles sehr reduziert. Seit Juni bin ich nun wieder unterwegs. Mein Vorteil: Ich bin alleine, für die Veranstalter bedeutet das wenig Aufwand. Wenn man nach so langer Zeit das erste Mal wieder auf der Bühne steht, ist man wahnsinnig nervös. Man spürt auch, dass die Menschen zurückhaltender sind als früher, die Krise hat uns ein wenig nach innen vergraben.
Schmidbauer: Der erste Lockdown war tatsächlich ein großer Einschnitt, weil man ganz runtergefahren ist. Ich war nie der große Konsummensch, habe aber die innere Einstellung verändert. Die Pandemie hat uns – jenseits der gesundheitlichen Bedrohung – sicher etwas geerdet. Wir hatten innerhalb der Beziehung mehr Zeit zusammen, nie zuvor wurde so viel gemeinsam gekocht. Aber man muss auch sehen, dass gerade viele meiner Kollegen finanziell am Ende sind.
Schmidbauer: …und eine große Freude, die mich mit Demut erfüllt. In jungen Jahren habe ich befürchtet, dass ich mit 50 oder 60 entweder tot oder vielleicht ein angepasster Idiot sein würde – beides ist zum Glück nicht passiert.
Schmidbauer: Diese Leidenschaft kommt durch meinen Vater, der mit uns jedes Wochenende in den Bergen war. Das prägte. Leider ist mein Vater bei einer Hochgebirgstour tödlich verunglückt, ich war damals 25 Jahre alt. Wann immer ich Zeit habe oder wenn ich über etwas nachdenken muss, gehe ich in die Berge. Allerdings bin ich nicht der Hochleistungsbergsteiger, der mit einem Elektrolytgetränk im Rucksack vier Stunden auf den Gipfel klettert. Ich gehe eher auf kleinere Gipfel, packe ein Bier aus, hocke mich hin und schaue in die Gegend.
Schmidbauer: Genau 107. Pro Jahr werden sechs Stück gedreht. Die Sendung gibt es jetzt im 20. Jahr. Das Format ist denkbar einfach: Man geht früh los, redet, kommt am Abend heim und hat am Ende ein 45-minütiges Porträt.
Schmidbauer: Wir sind zu Zehnt. Es gibt zwei Kameraleute, die jeweils zwei Assistenten haben. Die müssen natürlich alles auf den Berg tragen. Dann gibt es noch zwei Leute für den Ton und eine Fotografin.
Schmidbauer: Einmal war es kritisch wegen zu viel Wind und Sturm auf dem Gipfel. Im Nachhinein war es trotz der Umstände eines der schönsten Gespräche – und zwar mit DJ Ötzi, den ich als zerbrechlichen und sehr ehrlichen Mensch erlebt habe. Mit Reinhold Messner sind wir bewusst nicht auf einen Gipfel gegangen, das wäre albern gewesen. Da haben wir uns für die Alm entschieden, auf der er und seine neun Geschwister die Kindheit verbracht haben.
Schmidbauer: Durch ist man nie. Das ist wie bei dem Bei-mir-sein, ein Fertig gibt es nicht.
Schmidbauer: Klar! Beispielsweise dass es wenig Sinn macht, an Vorurteile zu glauben und Menschen in Schubladen zu stecken. Oft sind die Menschen ganz anders. Es gibt auch einige Sätze, die hängen bleiben und sich auf die Lebenseinstellung auswirken. Elmar Wepper zum Beispiel hat bei der ersten Gipfeltreffen-Sendung gesagt: Es ist ein Dilemma unserer Zeit, dass sich die Narren so sicher und die Weisen so unsicher sind. Der Satz begleitet mich. Mit einigen Gästen ist sogar eine Freundschaft entstanden. Ordensschwester Theodolinde aus Adelholzen etwa. Oder Alfons Schuhbeck, er war der erste Gratulant an meinem 60. Eine Freundschaft verbindet mich auch mit Wolfgang Niedecken.
Schmidbauer: Letztlich ist es ein Wort aus einem Lied von mir: Moment'nsammler. Da steckt die Idee dahinter, dass es keinen Sinn macht, materielle Dinge zu sammeln. Wir Deutsche sind ja ein Sammler-Volk. Die letzten eineinhalb Jahre haben klar gemacht, dass alles fragil ist und nichts von Bestand. Aber was du in deinem Leben machen kannst, ist, möglichst viele schöne Momente zu sammeln. Die ist dann am Ende das Album deines Lebens.
Schmidbauer: Manche Leute sagen, Glück ist gar kein Zustand, sondern eine Haltung. Man muss auch bereit sein für das Glück. Wenn man dauernd das Unglück erwartet und nur am Meckern ist, wird man nicht glücklich. Vielleicht ist es am Ende wie bei einer Bergtour: Wenn Du auf den Gipfel kommst, weißt du genau, dass es in einer halben Stunde wieder runtergeht. Vielleicht ist der viel schönere Begriff auch die Zufriedenheit.
Konzert: Bei mir – Schmidbauer Solo-Tour, Open-Air-Weinbühne Volkach, Sonntag, 5. September ab 19 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf bei der Tourist-Info, online unter www.comoedie.de sowie ab 18 Uhr an der Abendkasse.
.