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Würzburg
Eisenheim-Prozess: Urteil gegen dritten Angeklagten rechtskräftig
Der sechste Verhandlungstag im Berufungsprozess um den Tod von Theresa Stahl stand im Zeichen der Gutachter – und einer der Beifahrer richtete das Wort an die Hinterbliebenen.
Am Dienstag verhandelte das Landgericht den Fall Theresa erstmals im Vogel Convention Center in Würzburg.
Foto: Fabian Gebert | Am Dienstag verhandelte das Landgericht den Fall Theresa erstmals im Vogel Convention Center in Würzburg.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:05 Uhr

Auf der Zielgeraden im Eisenheim-Prozess mussten sich die Beteiligten am Dienstag noch einmal auf neue Gegebenheiten einstellen. So wurde am sechsten Tag im Berufungsverfahren um den Tod der 20-jährigen Theresa Stahl nicht mehr im rustikal anmutenden Gut Wöllried bei Rottendorf, sondern im eher sterilen Vogel Convention Center in Würzburg verhandelt. Entscheidender war aber eine andere Veränderung: Drei Hauptpersonen in dem Verfahren vor dem Landgericht Würzburg traten in anderen Rollen auf, die bislang angeklagten Mitfahrer des Unfallautos Marvin R., Paul G. und Marius H..

Bereits am Montag war die Berufung gegen Marvin R. und Paul G., sie saßen auf der Rückbank des VW Golf, zurückgezogen worden, am Dienstagnachmittag nun auch die Berufung gegen Beifahrer Marius H.. Die Urteile gegen die drei jungen Männer aus erster Instanz wegen unterlassener Hilfeleistung – Geldstrafen in Höhe von 1000, 1500 und 2000 Euro – wurden damit rechtskräftig, weshalb sie nun als Zeugen aussagen mussten.

"Ich möchte, dass Sie wissen, dass es mir wirklich leidtut."
Beifahrer Marius H. entschuldigte sich bei Theresas Familie

Die drei waren sich darin einig, dass sie nach dem Weinfestbesuch im April 2017 im stark betrunkenen Zustand gemeinsam mit dem Hauptangeklagten Niclas H. zu dem Golf gegangen sind, um eine Matratze für die Übernachtung in Untereisenheim (Lkr. Würzburg) zu holen. Übereinstimmend sagten sie außerdem aus, dass Niclas H. den VW steuerte, dass alle drei Mitfahrer gemeinsam in Untereisenheim ausgestiegen sind und dass sie den Golf nicht in den Straßengraben geschoben haben, wo das Auto mit Niclas H. am Steuer schließlich gefunden wurde. All diese Punkte wurden in der Vergangenheit – teils aufgrund von hartnäckigen Gerüchten, teils auf Basis von Indizien – angezweifelt.

Alle offenen Fragen können damit jedoch nicht beantwortet werden. Einerseits, weil einige Angaben "nicht durchweg stimmig" erschienen, so Richter Michael Schaller. Andererseits, weil die jungen Männer von Erinnerungslücken sprachen. So konnte etwa keiner der Mitfahrer erklären, warum sie überhaupt in den Golf gestiegen und losgefahren seien. "Ich finde darauf keine Antwort", so Paul G., "ich frage mich das selbst auch oft".

Mordverdacht vom Tisch

Unterdessen ließ sich der Verdacht, dass Niclas H. vor der Kollision mit der Fußgängerin von Marius H. mit den Worten "Fahr sie um!" angestiftet worden sei, nicht erhärten. "Ich kann mir nicht erklären, woher dieses Gerücht kommt", erklärte Marvin R.. Marius H. selbst betonte abermals: "So eine Äußerung ist nie gefallen." An Theresas Familie gerichtet sagte er: "Ich möchte, dass Sie wissen, dass es mir wirklich leidtut." Er habe nicht gewusst, in welcher Form er sich früher hätte entschuldigen sollen. Der 24-Jährige war im vergangenen Jahr drei Monate in Untersuchungshaft gesessen, weil wegen des Verdachts der Anstiftung zum Mord gegen ihn ermittelt wurde. Für die Haftzeit beantragte sein Anwalt Christian Mulzer nun eine finanzielle Entschädigung.

Der Mordverdacht ist nun nicht nur wegen der Beteuerungen der Mitfahrer vom Tisch. Auch in seinem technischen Gutachten sah der Sachverständige lediglich eine theoretische Möglichkeit, dass Niclas H. auf die angebliche Äußerung noch rechtzeitig hätte reagieren können: Von dem Moment, in dem Marius H. Fußgänger am Fahrbahnrand erkennt, über eine Aufforderung Theresa umzufahren, bis hin zu einer Lenkreaktion von Niclas H. wären demnach auf Basis empirischer Daten von nüchternen Personen 1,3 bis 2,2 Sekunden vergangen. Legt man Fahrgeschwindigkeit und Entfernungen zugrunde "konnte das ausreichen, musste aber nicht", so der Gutachter. 

Auf dieser Verbindungsstraße zwischen Kaltenhausen und Untereisenheim (Lkr. Würzburg) wurde Theresa Stahl im April 2017 überfahren.
Foto: Thomas Obermeier | Auf dieser Verbindungsstraße zwischen Kaltenhausen und Untereisenheim (Lkr. Würzburg) wurde Theresa Stahl im April 2017 überfahren.

Dem schloss sich auch Hans-Ludwig Kröber an. "Ich halte die Kollision mit Frau Stahl für einen alkoholbedingten Fahrfehler", erklärte der psychiatrische Gutachter vor Gericht, der unter anderem im Fall der verschwundenen Peggy Knobloch und im Fall Gustl Mollath als Sachverständiger tätig war. Nun erstellte Kröber auf Basis von Akten ein Gutachten über Niclas H.. Sein Fazit: Der 22-Jährige war aufgrund seines Alkoholpegels von mehr als drei Promille in der verhängnisvollen Nacht schuldfähig – allerdings vermindert schuldfähig. Zwar sei Niclas H. aufgrund einer "mittelgradigen Berauschung" in der Nacht "stark beeinträchtigt" gewesen, er sei sich seiner Handlungen aber bewusst gewesen, so Kröber.

Ähnlich sah es der zweite psychiatrische Gutachter Martin Flesch: Der hatte Niclas H. in erster Instanz 2019 wegen seines Rausches für schuldunfähig erklärt, weshalb der junge Mann nicht wegen fahrlässiger Tötung, sondern wegen fahrlässigen Vollrauschs verurteilt worden war. Als die Berufung im Herbst 2020 startete, war Flesch dann zu dem Schluss gekommen, dass eine Schuldunfähigkeit "eher zu verneinen" sei. Dabei blieb er auch am Dienstag und ging "eher" von einer verminderten Schuldfähigkeit aus.

"Er ist Opfer seiner eigenen Straftat."
Der psychiatrische Gutachter Hans-Ludwig Kröber über Niclas H.

Obwohl der Angeklagte über Jahre hinweg seinen Alkoholkonsum nicht im Griff hatte, erklärten beide Experten: Eine zwangsweise Unterbringung in einer Entziehungsklinik  sei nicht geboten. "Ich sehe keine klinisch manifeste Alkoholabhängigkeit", so Gutachter Flesch, riet aber zu einer Therapie.

Urteil wird an diesem Mittwoch erwartet

Dass Niclas H. auch heute nicht völlig abstinent lebt und erhebliche psychische Probleme hat, schilderte sein Verteidiger Hanjo Schrepfer vor Gericht. Kröber formulierte es so: "Er ist Opfer seiner eigenen Straftat."

Der Prozess wird an diesem Mittwoch, 27. Oktober, im Würzburger Vogel Convention Center fortgesetzt. Dann könnte auch ein Urteil fallen.

Hinweis: Der Autor dieses Textes steht trotz Namensgleichheit mit der Familie des Opfers in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis.

 
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  • Alfisti
    Hoffentlich wird die Öffentlichkeit wenigstens nächstes Mal besser geschützt und der besoffene Fahrer ordentlich verknackt. Allein mir fehlt in diesem Staate der Glaube.
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  • Petsch06120702
    Ich finde das ein Gutachter wie Herr Körber überhaupt noch vom Gericht bestellt wird. Siehe Fall "Peggy und Mollath" da waren seine Gutachten sowas von daneben.
    Aber Gutachter sind ja wie Halbgötter vor Gericht. Da gibt es beim ZDF eine sehr interessante Doku, über die Macht der Gutachter.
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  • upl
    Dublette.
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  • upl
    Gutachter sind keine Halbgötter,nein sie Urteilen als wären sie Gott!
    Herr Kröber lag schon bei Herrn Mollath völlig daneben!!!
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  • rudiratlos
    es laufen mehr Schlecht..achter und Sch..w..achverständige herum wie sonstwas, deren Ausagen zählen, die sind Erfüllungsgehilfen des Gerichts, was bringt ne Entziehungskur,
    bei nem 24 jährigen?? 300 Sozialstunden drauf, wenn gepfuscht wird und keiner kommt,
    kein Einsatz gezeigt wird werden die Stunden erhöht,
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  • fhws
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  • ludsch
    Es ist einfach unfassbar, was man im Vollrausch ungestraft (von einer geringen Geldbuße abgesehen) alles machen kann. Und man Ende sind sie noch die Opfer. Ist das Gerechtigkeit?
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  • info@softrie.de
    Der Fahrer sollte tatsächlich in der Uniklinik einen Entzug machen. Eine solche Dosis an Alkohol ist ungesund und außerdem gibt es auch Therapeuten, um dieses Drama aufzuarbeiten. Von alle zwei Wochen gemütlich 40 min zur Therapie zu gehen, ist niemanden geholfen.
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  • Funkenstern
    Opfer seiner eigenen Straftat…
    Was für ein Schwallsatz eines Erfüllungsgehilfen.
    Etwas anderes ist der Rechtsanwalt hier nicht
    Der Anwalt gibt hier ein bedauernswertes, hilflos wirkendes Stilmittel ab, Hauptsache den Kopf hoch .
    Armselig…
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  • Dieter@zellhoefer.de
    Ich kann nur zustimmen. Armselig.
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  • nichtleser
    Diesen Satz hat nicht der Rechtsanwalt gesagt, sondern der Gutachter Körber, der seit dem letzten Prozess seine Meinung merklich geändert hat...
    Ist eine etwas missverständliche Stelle im Text…
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  • nichtleser
    …und jetzt bin ich selber reingefallen, und das zweimal: erstens heißt der Gutachter Kröber (und nicht Körber), vor allem ist er nicht der Gutachter aus dem ersten Prozess *facepalm*…
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  • pczeitung
    Auch wenn diese Äußerung des Gutachters faktisch richtig sein mag- es ist ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen, wenn der Unfallverursacher mit diesem Begriff auf eine Ebene mit der getöteten jungen Frau gesetzt wird.
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  • tarabas789
    Ich hoffe der Staatsanwalt legt am Ende nochmal Revision ein. Wenn man sie schon nicht verknacken kann, dann wenigstens solange wie möglich vor Gericht zerren. Und die Polizei wegen nochmaliger Befragungen wieder und wieder an den Arbeitsplatz und nach Hause schicken. Damit es auch der letzte Arbeitskollege und Nachbar mitbekommt.
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  • Dieter@zellhoefer.de
    Auch hier kann ich nur zustimmen!
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  • Radler15402510
    Und noch ne frage…. Wo ist diese Matratze?
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  • gabcht20581207
    ....die Matratze sollte geholt werden....steht im Text.
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  • Radler15402510
    Ah ja, der Fahrer hat kein alkoholproblem und muss nicht in eine Klinik.
    gut das ca. 15 Bier am Tag normal sind
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