Zu Beginn des fünften Verhandlungstags im Berufungsprozess um den Tod der 20-jährigen Theresa Stahl sind zwei Urteile rechtskräftig geworden. Vor dem Landgericht Würzburg, das erneut im Gut Wöllried bei Rottendorf tagte, zogen am Montag Staatsanwaltschaft und Nebenklage die Berufung gegen Marvin R. und Paul G. – die zwei Mitfahrer, die während der tödlichen Alkoholfahrt im April 2017 auf der Rückbank des Unfallautos gesessen hatten – zurück. Sie waren in erster Instanz zu Geldstrafen in Höhe von 1500 beziehungsweise 2000 Euro wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt worden.
Dahinter steckt ein Schachzug der Anklage: Da die beiden 23 und 24 Jahre jungen Männer nun nicht mehr Angeklagte in dem Verfahren sind, stehen sie als Zeugen zur Verfügung und haben kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr. Richter Michael Schaller hatte diesen Schritt schon zu Beginn der Berufungsverhandlung im September vorgeschlagen. Bereits an diesem Dienstag sollen die beiden nun vor Gericht befragt werden.
Dass von den Aussagen der beiden neue Erkenntnisse zu den Ereignissen rund um die Todesfahrt zu erwarten sind, darf allerdings bezweifelt werden. Darauf deuten Erklärungen hin, die am Montag ihre Anwälte verlasen: Darin waren sich Marvin R. und Paul G. einig, dass der stark betrunkene Hauptangeklagte Niclas H. am Steuer saß und alle drei Mitfahrer bei der Großmutter von Beifahrer Marius H. in Untereisenheim (Lkr. Würzburg) ausgestiegen sind. Seit Jahren halten sich Gerüchte, wonach jemand anderes als Niclas H. gefahren sein soll oder die davon ausgehen, dass einige Mitfahrer schon früher ausgestiegen sind und das Unfallauto mit dem scheinbar bewusstlosen Niclas H. am Steuer in einen Graben geschoben haben.
Unterdessen gaben sich beide reuig: "Ich schäme mich für mein Verhalten", erklärte Marvin R. über seinen Verteidiger. Er hoffe, dass ihm Theresas Familie verzeihen könne, "auch wenn es nichts zu entschuldigen gibt". Dabei bezog er sich darauf, dass keiner der Fahrzeuginsassen geholfen hatte, nachdem die 20-jährige Fußgängerin von dem Golf erfasst worden war. Er und seine Freunde seien "feige" gewesen und hätten "versucht, unser Verhalten zu verschleiern". Der Fall werde ihn "wohl mein ganzes Leben lang" belasten. Auch Paul G. ließ erklären: "Unser Verhalten war falsch." Er fühle sich "schuldig" – "so etwas lässt einen nicht mehr los".
Anstiftung zum Mord noch einmal Thema
So sitzen nun mit Unfallfahrer Niclas H. und Beifahrer Marius H. ab sofort nur noch zwei Personen auf der Anklagebank. Um die beiden ging es am Montag auch in der Aussage der Ex-Freundin von Niclas H.: Die 21-Jährige berichtete im Zeugenstand, Niclas H. habe ihr etwa ein dreiviertel Jahr nach dem Unfall im betrunkenen Zustand erzählt, dass Beifahrer Marius H. ihn "im Spaß" angestiftet habe, auf Theresa zuzusteuern. Als Niclas H. wieder nüchtern gewesen war, habe er sich jedoch an nichts mehr erinnern wollen.
Ähnliches hatte bereits im Herbst 2020 eine andere Zeugin der Polizei berichtet und damit Ermittlungen wegen Mordes und Anstiftung zum Mord ausgelöst. Der Verdacht ließ sich jedoch nicht erhärten. Inzwischen hat die Zeugin auch vor Gericht ausgesagt und ihre Aussage bestätigt; zuletzt stritt Beifahrer Marius H. die Geschichte erneut ab.
Ex-Freundin: Schon einmal auf Fußgängerin zugefahren
Harte Fakten zum Tathergang konnte die frühere Partnerin von Niclas H. damit nicht liefern. Zwei Begebenheiten, die sie schilderte, lassen allerdings die tödliche Kollision vom April 2017 auf unheimliche Art als unausweichliche Steigerung eines verantwortungslosen Fahrverhaltens erscheinen. So sei Niclas H. einmal alkoholisiert auf einem geschotterten Platz mit seinem Auto im Kreis gedriftet – wie auf dem Weinfestparkplatz vor dem Unfall. Ein anderes Mal habe er mit seiner damaligen Freundin auf dem Beifahrersitz auf eine Fußgängerin zugesteuert und im letzten Moment gegengelenkt.
Wie nie zuvor in diesem Prozess machte die Aussage der Ex-Freundin aber auch die Tragik im Leben des Hauptangeklagten deutlich. Sie zeichnete das Bild eines jungen Mannes, dessen Leben geprägt war von Alkohol, Drogen und selbstzerstörerischen Tendenzen. Schon vor dem Unfall habe Niclas H. regelmäßig bis zu 15 Bier am Tag getrunken, an den Wochenenden sei auch harter Alkohol dazugekommen, nach dem Unfall sei es mehr geworden. Die fünf Jahre dauernde Beziehung habe darunter gelitten. Im Rausch habe er sich immer wieder für den Unfall entschuldigt, nüchtern aber nicht mehr erinnert.
Suizid-Versuch mit angesehen
Und dann waren da die Suizid-Gedanken. Unter Tränen berichtete die 21-Jährige, wie sie einen von zwei gescheiterten Suizid-Versuchen ihres damaligen Freundes Niclas H. miterleben musste.
Der Prozess wird an diesem Dienstag, 26. Oktober, diesmal im Würzburger Vogel Convention Center fortgesetzt.
Hinweis: Der Autor dieses Textes steht trotz Namensgleichheit mit der Familie des Opfers in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis.
sorry, mir bleibt da ein wenig die Spucke weg. Tragisch ist für mich in/ an diesem Fall, dass ein Mensch unverschuldet zu Tode kommen musste, aber eher nicht die dafür verantwortliche(!) Person. Soll hier am Ende noch der Täter zum Opfer umstilisiert werden?!
Dass dieser Berufungsprozess unbedingt notwendig war wird immer klarer.
Alles verwirkt, es geht nun ans Eingemachte. Mein Mitleid für diese Typen liegt bei 0(null)
Die Strafen werden kommen…
Es sind immer noch die selben Fakten:
Dieser Niclas ist gefahren, der Rest hatte Angst und die Klappe gehalten...
An der Darstellung hat sich ja jetzt nicht viel geändert.