Am vierten Verhandlungstag im sogenannten Eisenheim-Prozess äußerte sich erstmals einer der Angeklagten. Marius H. war Beifahrer während der tödlichen Alkoholfahrt, die im April 2017 der 20-jährigen Theresa Stahl das Leben gekostet hat. Drei Monate verbrachte er Ende des vergangenen Jahres in Untersuchungshaft, weil gegen ihn der Verdacht der Anstiftung zum Mord im Raum stand. Den Satz, der ihn vorübergehend hinter Gitter brachte, will der 23-Jährige aber nie gesagt haben.
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Dass sich ein Angeklagter zu dem Fall äußert, kam am Dienstag überraschend. Zu Beginn des Verhandlungstages hatten die vier Beschuldigten erneut über ihre Anwälte erklärt, auch weiter in dem laufenden Berufungsverfahren schweigen zu wollen und verwiesen auf frühere Aussagen. Erst nach rund halbstündiger Beratung der Verteidiger mit den Nebenklägeranwälten und der Staatsanwaltschaft kam es zur Wende.
Aufforderung zum Mord ist "nie gefallen"
Mit den Worten "Fahr sie um!" soll Marius H. laut einer Zeugenaussage den volltrunkenen Fahrer Niclas H. angestiftet haben, die Fußgängerin auf einer Landstraße bei Untereisenheim (Lkr. Würzburg) zu überfahren. Dieser Ausspruch sei "nie gefallen, von niemandem" in dem Auto, beteuerte er. Auch habe er nie auf seiner Geburtstagsfeier ein halbes Jahr nach dem Unfall so etwas erzählt, wie es eine Zeugin berichtet hatte.
Die 21-Jährige hatte am dritten Verhandlungstag ausgesagt, ein Freund habe ihr erzählt, dass Marius H. auf der Party im Oktober 2017 gestanden habe, Niclas H. "im Spaß" aufgefordert zu haben, auf Theresa zuzusteuern. Am Dienstag setzte diese Zeugin ihre Aussage fort. Die Verteidigung zweifelte dabei die Glaubwürdigkeit der Studentin an: Warum wusste sie zunächst nicht einmal genau, welcher Kumpel ihr von Marius H.'s Äußerungen erzählt hatte, kann sich nun aber an Details dieses Gesprächs erinnern, wollte etwa Hanjo Schrepfer, Anwalt des Hauptangeklagten Niclas H., wissen. Die 21-Jährige erklärte das mit einem Foto, aufgenommen am Abend des Gesprächs, auf das sie erst vor einigen Wochen gestoßen sei. "Da kamen die Erinnerungen wieder", sagte sie.
Aus Angst Gedanken an Hilfe verdrängt
Erinnerungslücken hat auch Marius H.. Warum die vier jungen Männer nach dem Weinfestbesuch ins Auto gestiegen und losgefahren sind, könne er nicht erklären. Den Zusammenprall des Golfs mit Theresa, bei dem die rechte Seite der Windschutzscheibe zertrümmert wurde, habe er als Beifahrer "kaum wahrgenommen". Er habe vermutet, "dass was passiert ist, wie schlimm es war, konnte ich aber nicht einschätzen", sagte er. Paul G., ein anderer Mitfahrer, habe danach gerufen: "Fahr weiter!"
Mit leiser Stimme, zwischen seinen Anwälten Christian Mulzer und Berthold Yahya sitzend, berichtete Marius H. wie es weitergegangen sein soll: Niclas H. sei unaufgefordert und "selbstständig zu meiner Oma gefahren", wo die drei Mitfahrer übernachten wollten. Dort sei das Trio ausgestiegen. Er selbst sei sofort über das rund 1,80 Meter hohe Hoftor geklettert, was die anderen beiden Mitfahrer, die auf der Rückbank gesessen hatten, vermutlich nicht mitbekommen und sich daher in Untereisenheim verlaufen hätten. Daher habe man – wie die Handyauswertungen im Zuge der Ermittlung ergaben – zweimal miteinander telefonieren müssen. Den Gedanken, dass man dem möglichen Opfer des Unfalls helfen müsste, habe man "aus Angst bestraft zu werden verdrängt".
Am nächsten Morgen, so Marius H. weiter, hätten die drei Mitfahrer dann verabredet, gegenüber der Polizei zu leugnen, dass sie mit in dem Unfallauto gesessen hatten. Später hätte Niclas H. dem zugestimmt: "Er wollte es auf seine Kappe nehmen", berichtete Marius H., "weil er meinte, es war seine Schuld – auch wenn er sich an nichts erinnern konnte."
Weitere Angeklagte wollen Erklärungen verlesen lassen
Diese Version der Tatnacht wirft zumindest Fragen auf: Konnte Niclas H., der nicht in Eisenheim wohnt, mit mehr als drei Promille Alkohol im Blut "selbstständig" das Haus der Großmutter seines Kumpels finden? Obwohl er schon Stunden zuvor laut einer Zeugin seinen Vater angerufen und gebeten hatte, ihn abzuholen, weil er so betrunken sei, dass er sein Auto nicht finde? Konnte Marius H. so schnell über das mannshohe Hoftor klettern, dass die anderen beiden, die mit ihm ausstiegen, ihn aus den Augen verloren? Und wie konnten die drei Mitfahrer schon am Morgen nach dem Unfall annehmen, dass sich Niclas H. an nichts erinnert - und sie dementsprechend mit ihrer Geschichte durchkommen, dass sie nicht im Auto gesessen seien?
So geht die Suche nach der Wahrheit in dem Fall weiter. Der Prozess wird am 25. Oktober im Gut Wöllried bei Rottendorf (Lkr. Würzburg) fortgesetzt. Dann wollen die zwei anderen Mitangeklagten zumindest über ihre Verteidiger Erklärungen verlesen lassen.
Hinweis: Der Autor dieses Textes steht trotz Namensgleichheit mit der Familie des Opfers in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis.
Beim ersten gärt es, die anderen werden folgen. Die Unwürdigkeit dieser Aktionen gegenüber der Familie des Opfers will ich nicht wieder besonders erwähnen.
Ich bin im Gedanken bei den Eltern von Theresa die schreckliches durchmachen müssen.
An die unfallverursacher : SCHÄMT EUCH!!!!!!!
Volltrunken den Unfall nicht mitbekommen, aber über ein Tor klettern, gezielt Auto fahren und telefonieren… finde den Fehler!
Und aus Angst nicht melden. Ah ja…
aber irgendwann sollte mal die Einsicht kommen, was man da eigentlich angerichtet hat.
Entweder ich stehe dazu und trage die Konsequenzen, oder ich halte komplett den Mund.
Nach den unzähligen Zeitungsberichten zu den Prozessen muss man als Laie zu dem Urteil gelangen, dass den Angeklagten in keinster Weise vertraut werden kann. Was diese sich in den Prozesstagen bisher alles geleistet haben dafür gibt es keine Worte!