Der Prozess um die Todesfahrt von Eisenheim (Lkr. Würzburg) nimmt eine dramatische Wende: In erster Instanz war der alkoholisierte Unfallfahrer Niclas H. im Herbst 2019 noch zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt worden, weil er er 2017 die 20-jährige Fußgängerin Theresa Stahl auf dem nächtlichen Heimweg totgefahren haben soll. Doch jetzt gehen Ermittler der Spur nach, ob nicht ein weit schwereres Verbrechen vorliegt: Mord und Anstiftung zum Mord durch einen Mitfahrer.
Neue Hinweise auf den Tatverlauf
Am 9. September hatte in Würzburg die Berufungsverhandlung des Falles begonnen. Direkt danach haben Ermittler aus dem Umfeld der Angeklagten Hinweise erhalten, die den Fall in neuem Licht erscheinen lassen: Einer der vier Männer im Auto soll erzählt haben, der Fahrzeuglenker habe – animiert von einem Mitfahrer – die arglose Fußgängerin am Straßenrand gezielt angepeilt und Gas gegeben. Dies erfuhr diese Redaktion aus mehreren Quellen.
Dies würde zu bislang getätigten Zeugenaussagen passen, die beschrieben: Der Wagen habe plötzlich einen Schlenker auf Theresa zu gemacht. Bisher war man davon ausgegangen, dass der betrunkene Fahrer lediglich Schlangenlinie gefahren war.
Beifahrer in U-Haft
Die neuen Hinweise müssen den verbissen nachforschenden Ermittlern so glaubwürdig erschienen sein, dass sie den Beifahrer am Mittwoch festnahmen – nach Informationen der Redaktion wegen des Verdachts der Anstiftung zum Mord. Er soll sinngemäß zum Fahrer gesagt haben: "Hopp, fahr auf die zu!" Am Donnerstag gegen 9 Uhr wurde der junge Mann in Untersuchungshaft genommen. Die Festnahme bestätigte auf Anfrage Thorsten Seebach, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Nähere Details zu den laufenden Ermittlungen nannte er nicht. Am Donnerstag Abend wurde auch der Fahrer festgenommen, wie sein Anwalt Hanjo Schrepfer auf Nachfrage bestätigte.
Schrepfer nannte die "plötzliche Zeugenaussage nach so langer Zeit befremdlich". Auf der Grundlage dieser Zeugenaussagen "lässt sich ein dringender Mordverdacht gegen meinen Mandanten nicht begründen". Der Anwalt des Festgenommenen war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
"Wir hoffen bis zuletzt, dass sich jeder meldet und dabei hilft, die Sache aufzuklären, der etwas über den Fall weiß", sagt Rechtsanwalt Philipp Schulz-Merkel. Er vertritt den Vater der getöteten Theresa Stahl.
Der Berufungsprozess am Landgericht Würzburg – bisher unter der Anklage der fahrlässigen Tötung in einem und der unterlassenen Hilfeleistung in drei Fällen – wird nächste Woche fortgesetzt. Bestätigen sich dort die belastenden Aussagen, wird er wohl schnell beendet und beginnt beim Schwurgericht als Mordprozess von vorne.
Doch schuldfähig?
Das Urteil in erster Instanz aus dem Herbst 2019 gegen Niclas H. hatte für helle Empörung gesorgt. Ein Gutachter hatte den jungen Mann im ersten Prozess am Amtsgericht für schuldunfähig erklärt. Da konnte ihn der Richter nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilen, sondern nur zu einer Geldstrafe wegen fahrlässigen Vollrausches.
Doch nach einer erhellenden Aussage des Notarztes aus der Unfallnacht will der Sachverständige im Berufungsprozess Schuldunfähigkeit "eher verneinen". Dies deckt sich mit einem neuen Gutachten, das noch nicht öffentlich bekannt ist. Laut dem Vorsitzenden Richter Reinhold Emmert erklärt es Niclas H. zum Unfallzeitpunkt für schuldfähig – was bei einer Anklage wegen Mordes von großer Bedeutung wäre.
Mitfahrer hatten falsche Aussagen abgesprochen
Die drei Mitfahrer hatten vor Gericht Erinnerungslücken geltend gemacht. Einig waren sie sich, dass alle vier stark betrunken gewesen seien und Niclas H. letztendlich den Unfallwagen gesteuert habe. Nach dem Unfall hatten sie sich abgesprochen, gegenüber der Polizei falsche Aussagen zu machen. Die drei jungen Männer räumten ein, sich verabredet zu haben, den Ermittlern zu erzählen, nicht mit H. gefahren, sondern zu Fuß zu ihrer Übernachtungsgelegenheit gegangen zu sein.
Egal was da für ein Urteil gesprochen wird, es kann nicht annähernd gerecht sein!