Manchmal hat es auch Vorteile, wenn sich ein Projekt ungewollt verzögert. Hätte es Corona nicht gegeben, dann stünde die Multifunktionsarena östlich der Grombühlbrücke in Würzburg wohl bereits. Aber dann hätten die Planer auch nicht die Zeit gehabt, noch einmal zu grübeln und auch andere darüber nachdenken zu lassen.
Die "anderen" sitzen in diesem Fall am Hubland und arbeiten im Center for Applied Energy Research (CAE), einem nicht-universitären Forschungsinstitut, das 2013 als Zentrum für angewandte Energieforschung eröffnet worden war. Herausgekommen sind Pläne für die, wie es Oberbürgermeister Christian Schuchardt in der jüngsten Stadtratssitzung bezeichnete, "modernste Halle Deutschlands, bezogen auf die Energie-Autarkie".
Was heißt das genau? Thomas Oehler, Geschäftsführer der Projektgesellschaft, die im Auftrag der Zukunftsstiftung Würzburg die Halle bauen soll, erklärt es. Durch den russischen Angriff auf die Ukraine und die damit steigenden Energiepreise sei es notwendig geworden, das energetische Konzept nochmals zu überdenken. Das habe man beim CAE am Hubland getan. Und zwar gründlich. "Als die losgelegt haben, habe ich gedacht, wir haben doch schon eine Wärmepumpe, wir haben Fernwärme und wir haben Photovoltaik, was wollt Ihr uns noch erzählen", sagt er. "Aber herausgekommen ist jetzt ja etwas ganz was anderes."
Das Energiekonzept der Multifunktionsarena soll auf mehreren Säulen basieren
Was heißt das genau? Das Energiekonzept der Halle soll nun auf mehreren Säulen basieren, erklärt Oehler. Eine davon ist die Geothermie, also Wärme aus dem Boden. Durch die Lage der Arena im Einzugsgebiet der Bahnhofsquellen benötigt die Halle eine besondere Gründung, erläuterte er. Weil man nicht tief im Untergrund bauen darf, um das Trinkwasser nicht zu gefährden, wird die Halle auf vielen Pfählen stehen, sogenannten Rüttelstopfsäulen, die im Gebäude dann hoch hinauf ragen und ihm so Stabilität verleihen. "Wenn man die in den Boden rammt, bekommen sie eine sogenannte Energiesonde mit, über die man Geothermie gewinnen kann. Da muss man gar nicht tief in den Boden", erklärt Oehler.
Das Wasservorhaltebecken soll im Brandfall als Löschwasserspeicher dienen
Diese durch die vielen Säulen so gewonnene Wärme wird in einem großen Wasserbecken im Erdboden gespeichert werden. Dieses wird zu großen Teilen über Regenwasser vom Dach der Halle befüllt, wo auch Wärmepumpen sitzen. Mit diesem Wasser, das bei der sogenannten Bauteilaktivierung durch Rohrleitungen in Decken und Wände der Halle geleitet wird, werden diese nach Bedarf erwärmt oder auch gekühlt.
"Bei den langen Vorlaufzeiten, die man da bei Veranstaltungen hat, müssen die Temperaturunterschiede nicht so groß sein", sagt Oehler. "Ich weiß ja Montag schon, dass ich Donnerstag eine Veranstaltung habe, da kann ich schon beginnen, aufzuheizen", erklärt er. Zugleich diene das Wasservorhaltebecken im Brandfall als Löschwasserspeicher.
Das Dach überspannt den Innenraum mit einer Spannweite von 70 Metern ohne Säulen
Das Dach selbst, das mit einer Spannweite von 70 Metern den Innenraum ohne Säulen überspannt, muss aus schwerem Stahlbeton gegossen werden. "Das muss sein, um Bassresonanzen zu verhindern, die nach außen dringen könnten", sagt Oehler. Dieses massive Dach sei zwar teuer, ermögliche dann aber die Installation von zahlreichen Photovoltaikmodulen darauf. Und zugleich könne die Dachfläche begrünt werden, wobei die Verdunstungskühle der Begrünung zugleich den Wirkungsgrad der Photovoltaik erhöhe.
Da dadurch gewonnene Strom soll in großen Batteriespeichern sozusagen "zwischengelagert" werden. "Das teuerste auf der Stromrechnung sind die sogenannten Stromspitzen, wenn also schnell viel Strom verbraucht wird", erklärt Oehler. Diese Stromspitzen sollen durch die Batteriespeicher abgefangen werden. Im späteren Betrieb könnte mit der Energie aus den Speichern die erste Stunde von großen Konzerten völlig autark "gefahren" werden. Das führe auf lange Sicht zu deutlich niedrigeren Energiekosten, weil man den gespeicherten Strom ja auch zuvor schon jederzeit nutzen könne.
Ganz auf einen Anschluss an das Fernwärme- und Stromnetz der WVV kann man nicht verzichten
Dazu gebe es zusätzliche Ansätze, wie eine teilweise begrünte Fassade, durch die man bestimmte Bereiche temperieren könne. Ganz auf einen Anschluss an das Fernwärme- und Stromnetz der WVV könne man aber selbstverständlich auch nicht verzichten, so der Geschäftsführer. Sicherlich würden diese Einzelheiten auch ihren Teil zu den höheren Baukosten beitragen. "Aber die Halle steht 50 Jahre. Alles, was man dort jetzt macht und was mehr kostet, wird sich auf diesen Zeitraum hin gesehen schnell amortisieren", gibt er zu bedenken.
Das Ergebnis ist eine fast klimaneutrale und nahezu energieautarke Multifunktionsarena
"Man ist von Seiten des Bauherren auf uns zugekommen, und wir haben uns überlegt, was braucht die Halle, und vor allem, wann", fasst Hans-Peter Ebert, Vorstandsvorsitzender des CAE, das Vorgehen seiner Einrichtung kurz zusammen. "Wir haben dann aufgrund unserer Erfahrungen und Informationen das System 'neu aufgesetzt', wenn man das so sagen will", erläutert er. Im Zusammenspiel mit den Architekten sei das Ergebnis einer fast klimaneutralen und nahezu energieautarken Multifunktionsarena, die im Betrieb so wirtschaftlich wie nur möglich arbeite, erreicht worden.
"Aus unserer Sicht soll die Arena eine bundesweite Leuchtturmrolle nicht nur bei der hervorragenden Architektur, sondern auch bei der Klimaneutralität bekommen", fährt Ebert fort. "Und wir würden als Forschungseinrichtung eine Bewerbung des Bauherren mit den innovativen Teilen des Gebäudes für eine Förderung unterstützen", sagt der Vorstandsvorsitzende.
sollte sich mMn lieber mal fragen, wie man sich den Bürger/innen lebenswert macht.
Ich bezweifle, dass das mit Gimmicks funktioniert, deren Besuch sich ein großer Teil der Leute nicht wirklich leisten kann (und trotzdem mit dafür zur Kasse gebeten wird), insbesondere wenn es dafür an den Basics (w. z. B. erschwingliche Mieten, vernünftiger ÖPNV, Radwegenetz das seinen Namen verdient etc.) krankt...
https://de.wikipedia.org/wiki/Ratiopharm-Arena
Neuer Schnickschnack ist zusätzlich.
Was gerade geplant wird, kann noch nicht in den Kosten enthalten sein.
Da bleibt nicht viel Geld in der Stadt.
Schöne Nebelkerze. Am Wichtigste wäre es doch, wenn sich diese zum Architekturtempel aufgeblasene Veranstaltungshalle erstmal selbst halbwegs rechnen würde.
Laut einer durchgeführten Studie geben die Besucher im Schnitt pro Kopf und Tag 61,10 Euro aus, 23,90 Euro davon in der Arena und 37,20 Euro in der Stadt Würzburg. Bei knapp 340.000 veranschlagten Besuchern wären das rund 21 Millionen pro Jahr, und zwar UMSATZ, KEIN GEWINN. Da kann man sich leicht ausrechnen, dass die Multifunktionsarena genauso wie das Theater immer eine finanzielle Belastung für die Stadt bleiben wird. Und die Stadt Würzburg schwimmt ja nicht gerade im Geld.
Bevor man noch etwas an Kosten draufpackt, sollte man das Bauwerk nochmals auf Einsparungsmöglichkeiten untersuchen. Es soll ja eine Multifunktionsarena werden, keine Multiarchitekturarena.
"Rechnet man mit einer Betriebsdauer der Arena zwischen 30 und 50 Jahren kommt man auf eine stattliche Summe zwischen 600 Millionen und einer Milliarde Euro, die bei dem Verzicht auf den Hallenbau dann in anderen Städten hängenbleiben würde.
Beachtenswert sei laut dwif auch die Anfangsinvestition beim Bau der Arena, die der regionalen Bauwirtschaft und Handwerksbetrieben wesentliche Impulse verschaffen werde. Und die Stadt Würzburg und die Region verdienen durch Gewerbesteuer, Lohn- und Einkommensteuer und den, wenn auch geringen, Umsatzsteueranteil immer mit."
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/multifunktionsarena-wuerzburg-was-bringt-sie-der-stadt-und-der-region-finanziell-art-11462378
Ich gönne ja den Würzburgern so eine Arena, aber man sollte schon ehrlich sagen, was die Folgen für die Stadt sind, wenn sie sich dieses Projekt auflädt. Eine Investition in den Wohnungsbau würde auch Bauwirtschaft u. Handwerk beleben und das Lohn-/Einkommensteueraufkommen in der Stadt heben. Und das wesentlich nachhaltiger u. risikoärmer.
Hans Sartoris