Ein warmer Sommerabend in Eibelstadt. Das Mainufer ist zur Freizeitzone geworden: Radler auf dem Mainradweg, planschende Kinder im Wasser, Sonnenanbeter im Gras. Dazwischen eine erstaunliche Anzahl Stand-Up-Paddler, und auf dem Fluss: Schiffe. Wo sich die einen entspannen wollen, sind die anderen bei der Arbeit. Das Miteinander auf dem Fluss kann nur mit festen Regeln funktionieren. Deshalb bekommen die Stand-Up-Paddler, für die es seit Kurzem in Eibelstadt eine unbemannte Mietstation mit Boards samt Zubehör gibt, bei einem Kurs genaue Instruktionen von Trainer Christian Hüttich.
"Da, schau mal, was das Wasser macht." Die Reporterin hat sich samt Board und Paddel gerade wieder in die seichte Bucht geflüchtet, da macht Christian Hüttich auf ein merkwürdiges Phänomen aufmerksam: In der Fahrrinne des Mains tuckert ein Frachtschiff flussaufwärts. Und das zieht das Wasser ganz plötzlich aus der Bucht. Mit Derartigem muss jeder rechnen, der seine Freizeit auf dem Fluss verbringt.
Viele Gemeinden setzen auf Tourismus
Dass es von solchen Menschen immer mehr gibt, ist durchaus im Sinne vieler Maintalgemeinden. Nicht nur für Einheimische machen sie ihre Uferbereiche hübsch, sondern sie setzen auch auf Tourismus. Die Fränkisches Weinland Tourismus GmbH sieht darin eine "systemrelevante Branche", die in der Region Jahr für Jahr einen positiven Trend verzeichne.
Die Stadt Eibelstadt ist auf diesen Zug aufgesprungen und macht aus ihrer Mainlände derzeit ein Freizeitgelände mit Badebucht, natürlich auch für Einheimische. Dort haben Christian Hüttich und Volker Waßmuth in Kooperation mit der Herstellerfirma eine kontaktlose Mietstation aufgebaut, die sie betreuen. Die Boards können per Handy reserviert und ausgeliehen werden. Die beiden Trainer bieten auch Kurse an.
Viele Wassersportler besitzen bereits ein eigenes Board. Bevor an diesem Freitag der Kurs startet, lassen neben der Miet-Box zwei Paddler gerade die Luft aus ihren aufblasbaren Boards. Zur selben Zeit verstauen andere geliehene Boards wieder in der containerartigen Box. Ein Luftpumpen-Service vor Ort wäre auch schön, hört Hüttich von einer der Sportlerinnen mit eigenem Brett. Oder eine Miet-Box für eigene Boards. Interesse an dem Sport scheint also vorhanden zu sein.
"Stand-Up-Paddling ist voll im Mainstream angekommen", sagt Christian Hüttich. Die auf Hawaii entstandene, mit "SUP" abgekürzte Sportart sei etwa 2008 auch nach Deutschland herüber geschwappt. Seit zehn Jahren macht Hüttich den Sport. Zunächst in Jena, wo er an der Saale ebenfalls eine SUP-Station betreute, jetzt in Eibelstadt, wo der Geograf seit zwei Jahren lebt. Bei der ACA (American Canoe Association) hat er sich zum Trainer ausbilden lassen.
Der Stadt Eibelstadt sei es gelegen gekommen, dass ein Bürger mit der Idee von der Mietstation an sie herangetreten sei, sagt Bürgermeister Markus Schenk. Denn der Stadtrat habe das Thema Wassersportangebote an der Mainlände ohnehin schon auf dem Schirm gehabt. Warum also nicht mit einem ortsansässigen Anbieter zusammenarbeiten? Zwischen Christian Hüttich und der Stadt sei daher eine Nutzungsvereinbarung für die Fläche unterzeichnet worden, so Schenk. Und auch am Hochseilgarten gebe es Boards.
Für den Bürgermeister ist das rege Leben am Main gar kein so neues Phänomen. Er hält es für eine Rückkehr zu den Wurzeln. "Wir sind wieder da, wo wir vor 70 Jahren schon waren", sagt er. Damals, als Urlaub in der Ferne noch nicht üblich war, habe sich in Eibelstadt das Leben zu einem großen Teil am Main abgespielt.
"Die Mädchen spielten Handball, die Jungen Fußball, und es gab das Bubelesbad mit einem Sprungturm. Tagsüber schwammen die Gänse im Main, die Fuhrwerke wurden im Fluss sauber gemacht, und im Winter wurde Schlittschuh gelaufen", sagt Schenk. Auch im Verein organisierte Wassersportler wie etwa Kanuten oder Kajakfahrer aus der Umgebung nutzten Anlegestellen am Main schon seit Jahrzehnten.
Corona hat den Trend noch verstärkt
Julia Moutschka vom Ochsenfurter Stadtmarketingverein hätte in ihrer Stadt ebenfalls gern einen Anbieter für SUP. "Es ist einfach ein Riesen-Hype", sagt sie. Allerdings fehle noch ein passender, ebener Zugang zum Main. Zwar werde im Zuge der Mainufergestaltung sicher auch an so etwas gedacht, doch Julia Moutschka möchte so lange nicht warten. "Wir brauchen eine schnelle Lösung, am besten noch in diesem Jahr. Durch Corona hat sich der Trend noch verstärkt."
Das Angebot an Mietstationen und Kursen ist in der ganzen Region mittlerweile üppig. Obwohl auch Anfänger mit den Boards relativ schnell zurecht kommen, braucht es doch ein bisschen mehr, um sich auf einer Bundeswasserstraße wie dem Main sicher fortbewegen zu können. Gedankenlos hin- und herschippern ist nicht.
Grundsätzlich gelte auch auf dem Fluss das Rechtsfahrgebot, sagt Trainer Hüttich. Zwar darf der Main überquert werden, dabei muss aber der Schiffsverkehr genau beobachtet werden. "Jeder hat Vorfahrt, außer ich", fasst Hüttich die Regeln für Stand-Up-Paddler in einem scherzhaften Merksatz zusammen. Insbesondere um die großen Flussschiffe hat man als Paddler einen ordentlichen Bogen zu machen.
"Konflikte mit Schiffen kommen schon vor", sagt Hüttich. Deshalb der Aufruf, unbedingt Abstand zu halten. Denn selbst bei bester Absicht kann ein Kapitän auf Wassersportler nicht so schnell reagieren, wie er gerne möchte. Was sich vor seinem Bug abspiele, könne der Kapitän aufgrund der Länge seines Wasserfahrzeugs schlicht nicht sehen, erklärt Hüttich. Und ein eingeleiteter Bremsvorgang ist auf dem Wasser erst nach hunderten von Metern zu Ende.
Deshalb sollten Stand-Up-Paddler mit ihrem Sportgerät umgehen können, um sich nötigenfalls zügig entfernen zu können. Christian Hüttich und sein Kollege Volker Waßmuth zeigen, wie man das Paddel effektiv einsetzt, wie man lenkt und einen Bogen fährt. Hüttich selbst braucht für seinen Sport übrigens nicht einmal einen schönen warmen Sommertag: In einem entsprechenden Anzug wagt er sich sogar im Winter mit seinem Board auf den Main.