Lautlos gleiten die bunten Bretter über den Main. Vom wolkenlosen Himmel strahlt die Sonne mit ihrer ganzen Kraft herunter. Unter den Füßen glitzert verlockend die erfrischende Abkühlung. Doch der Sprung ins kühle Wasser muss noch ein bisschen warten.
Erst mal steht die Theorie auf dem Stundenplan des Anfängerkurses beim Stand-up-Paddling in Würzburg. Denn auch wenn das Paddeln im Stehen sehr lässig und entspannt aussieht, ohne einige Grundkenntnisse geht es nicht. Wie lenke ich das Brett? Wie halte ich das Brett an? Und wie halte ich überhaupt das Gleichgewicht? Die 23-jährige Theresa Schweickert und ihre Freundin, die 21-jährige Rebecca Brunner, wollen genau das lernen. „Ich bin mal gespannt, wie lange ich stehenbleibe“, sagt die 23-Jährige bevor es losgeht.
Auf den Knien paddeln sie und die anderen Kursteilnehmer mit ihren Brettern in einen Seitenarm des Mains. Die Festung im Blick, stechen sie immer wieder mit den Paddeln ins Wasser und drücken sich vorwärts. Während der ersten Schläge zeigt sich die fehlende Erfahrung. Immer wieder kommen die Bretter leicht ins Schwanken. Auch das Lenken klappt noch nicht. Aber nach einigen Metern stellt sich Routine ein.
Gleichmäßig gleiten die Bretter den Main entlang. Ein paar Meter flussaufwärts albern einige erfahrene Stand-up-Paddler auf ihren Brettern herum. Von einem Steg am Flussufer springen Jugendliche ins Wasser. Wassertropfen funkeln im Licht der Abendsonne. Urlaubsstimmung.
„Zum Stand-up-Paddling braucht man exakt zwei Dinge: Ein Brett und ein Paddel“, erklärt Micha und holt mit seinen Worten alle Teilnehmer in die Realität zurück. Micha heißt eigentlich Michael Mommertz – aber beim Stand-up-Paddling duzt man sich. Seit diesem Jahr bietet er gemeinsam mit seinem Kollegen Gunnar Hartmann Kurse in dieser in Würzburg recht neuen Sportart an. „Wir haben den Main hier mitten durch die Stadt. Das ist ideal“, findet der 33-jährige Geschäftsführer. Und ganz nebenbei trainiere er dabei genau die Muskeln, die er beim Wellenreiten brauche, sagt Micha, der jedes Jahr zum Surfen an verschiedene Orte reist. Schon im vergangenen Sommer kam ihm die Idee, Stand-up-Paddling anzubieten. Ein Jahr nahmen er und sein Kumpel sich Zeit für die Vorbereitungen: einen geeigneten Platz suchen, Gespräche mit dem Ordnungsamt und dem Wasserwirtschaftsamt, Versicherungen abschließen .
. . Im Frühjahr ging „Bugwelle“ dann an den Start. Heute haben die beiden rund zehn der aufblasbaren Bretter, die sie verleihen können. Sie betreiben das Geschäft nur nebenberuflich und arbeiten zusätzlich in der Gastronomie. Auch wenn sie schon viele weitere Ideen wie etwa einen Yogakurs auf den schwimmenden Brettern oder Touren auf dem Main haben, werden sie ihren Beruf nicht an den Nagel hängen, sagen sie. Ein bisschen Sicherheit brauchen offensichtlich auch Surfer.
Die weite Badehose lässig auf die Hüfte gezogen, ein Tattoo auf dem Oberarm, die Sonnenbrille in die Haare geschoben – Micha entspricht ziemlich genau dem gängigen Bild eines Surferboys. Entspannt wirkt er, gut gelaunt. Und genauso unterrichtet er auch.
Der wichtigste Warnruf: "Fahrwasser"
Die wichtigsten Regeln gibt es vorneweg. Erstens: der Warnruf für Ruderer und Paddler auf dem Main heißt „Fahrwasser“. Da weiß jeder, dass er seinen Kurs einmal überprüfen muss. Zweitens: Auf dem Main gilt Motorkraft vor Muskelkraft. Das bedeutet, Stand-up-Paddler müssen genau wie Ruderer den motorbetriebenen Schiffen ausweichen. Auch sonst gilt auf dem Main das Prinzip der Rücksichtnahme. „Die Bretter sind viel wendiger als die Ruderboote, daher weichen wir aus“, erklärt Micha.
Und die Kreuzfahrtschiffe? „Die sind so langsam, dass man genügend Zeit hat, auszuweichen. Außerdem haben sie kaum Wellen“, sagt er. Die kleinen Motorboote hingegen, die machen Wellen. Da könne man dann auch schon mal reinfallen.
„Wir trainieren jetzt die drei Grundschläge: den Basispaddelschlag, den Stoppschlag und den Bogenschlag“, erklärt der Trainer. Dazu geht es erst einmal wieder an Land. Trockenübungen auf sicherem Boden. Schritt für Schritt erklärt der Würzburger, worauf man achten muss, kontrolliert bei jedem noch einmal die richtige Technik, korrigiert die Körperhaltung. Wichtig ist, dass man nicht nur mit den Armen paddelt, sondern mit dem Oberkörper. „Von der Ferse bis zum Ohrläppchen trainiert man alles, die Beine, den Oberkörper, die Arme.“
Erstmal geht's auf die Knie
Schnell sitzt die Technik und es geht wieder aufs Wasser – zum Üben. Zunächst noch einmal auf Knien. Diesmal fühlt sich das Brett schon ganz vertraut an, gar nicht mehr wackelig. Kein Wunder, dass es nun niemanden mehr lang auf den Knien hält. Einer nach dem anderen stellt sich auf. „Das Brett ist stabiler, wenn es ein bisschen Geschwindigkeit hat“, erklärt Micha.
Noch zwei, drei Paddelschläge, um Schwung zu kriegen, dann das Paddel in beide Hände, in die Hocke gehen und langsam aufrichten. „Meine Knie zittern noch“, sagt Theresa und fühlt sich offensichtlich noch nicht ganz sicher auf dem Brett. Vorsichtig sticht sie mit dem Paddel wieder ins Wasser, nimmt Fahrt auf. Und schon nach wenigen Metern gleitet sie souverän über den Fluss. „Ich habe es mir viel schwieriger vorgestellt“, sagt Rebecca, und Theresa nickt. Im Seitenarm des Mains schippern sie umher, als hätten sie schon Stunden auf dem Brett zugebracht. Sie wenden, halten an, fahren vorwärts. Und natürlich trauen sie sich raus aus ihrem geschützten Übungsbereich auf den offenen Fluss.
Langsam verschwindet die Sonne hinter der Festung. Doch Abkühlung bedeutet das noch keine. Gemächlich schippert die kleine Gruppe den Fluss hinauf. „Auf dem Main hat man kein Handy dabei. Man ist so ein bisschen weg vom Alltagsstress. Eine kleine Auszeit“, wird Gunnar später beschreiben, was ihn an diesem Sport so begeistert. In diesen Minuten bekommt man einen Eindruck davon, wie recht er hat. Nach gut einer Stunde paddeln die Teilnehmer des Anfängerkurses sicher über den Fluss.
Die Wellen der entgegenkommenden Boote meistern fast alle. Sie plaudern, sie albern herum, sie hängen ihren Gedanken nach. Unter ihren Füßen glitzert die lang ersehnte Abkühlung. Nun müssen sie nicht länger warten. Mit einem Satz springen sie in den kühlen Fluss. Endlich.
Stand-up-Paddling
Die sportliche Mischung aus Surfen und Kanu fahren, stammt ursprünglich von polynesischen Fischern, die schon vor mehreren Hundert Jahren stehend gepaddelt sein sollen. Im Zuge des wachsenden Erfolgs des Surfens auf Hawaii nutzen viele Lehrer diese Technik, um ihre Schüler besser im Blick zu behalten, erklärt Trainer Michael Mommertz. Durch die Entwicklung im Bereich der Bretter gibt es heute auch sogenannte Inflatable Boards, also aufblasbare Bretter. Diese Bretter sorgen dafür, dass Stand-up-Paddling weitab der typischen Surfregionen Verbreitung findet. In der Region wird dieser Sport unter anderem in Würzburg von „Bugwelle“ und in Schweinfurt von der Kanuabteilung der DJK Schweinfurt angeboten.