Im Prozess um den Unfalltod von Gisela K. in Erlabrunn verdichtet sich der Eindruck immer stärker, dass die 71-Jährige am Morgen des 5. Januar 2016 vor ihrem Haus an einer Engstelle der Ortsdurchfahrt versehentlich unter die Räder eines Streufahrzeuges geriet. Der Mann, der den Traktor fuhr, bestreitet den Vorwurf der fahrlässigen Tötung ebenso wie den Verdacht, Unfallflucht begangen und versucht zu haben, den Unfall zu vertuschen.
Staatsanwältin macht ernst
Nach zähem Beginn ging es am vierten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Würzburg turbulent zu. Staatsanwältin Martina Pfister-Luz machte Ernst: Mehrere Zeugen, die sich an eindeutigen Aussagen vorbei manövrieren wollten, müssen jetzt mit Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Falschaussage rechnen. „Sie decken den Angeklagten mit einer Lüge,“ machte einem von ihnen Peter Auffermann, einer der Rechtsanwälte der Opfer-Familie, zum Vorwurf.
Am Mittag schickte die Staatsanwältin – erzürnt über die erkennbare Unlust eines Zeugen, sich zu erinnern – die Polizei zum Erlabrunner Bauhof. Dort beschlagnahmten die Beamten die Arbeitsnachweise jenes Mannes, der nach dem Unfall auf Anweisung des Angeklagten den Streuer frisch lackiert hatte – und sich dabei an eigene wichtige Aussagen während der Ermittlungen offenbar nicht mehr erinnern konnte. Entgegen seiner Aussagen im Zeugenstand sagt das Buch: Er habe in der Woche des Unfalls keineswegs Urlaub gehabt, sondern jeden Tag gearbeitet. Allerdings sind die Nachweise am Unfalltag in einer anderen Schrift eingetragen.
Korrektur in letzter Minute
Schon er entging nur mit einer Korrektur seiner Aussagen in letzter Minute der Festnahme. Bereits da ging ein Raunen durch die dicht gefüllten Reihen der Zuschauer, unter denen viele Erlabrunner Bürger waren. Am Nachmittag eskalierte das Verfahren dann – obwohl sich das Gericht um die Vorsitzende Richterin Christine Stoppel, die Staatsanwältin sowie die Anwälte geduldig bemühten, von den Zeugen brauchbare Aussagen zu bekommen.
Gespannt warteten die Prozessbeteiligten auf die Aussage eines Leinacher Feuerwehrmannes, die für den Fall große Bedeutung hat: Der Angeklagte (der ebenso ranghoher Feuerwehrmann in der Nachbargemeinde Erlabrunn ist) soll nämlich etwa zwei Wochen nach dem Unfall bei seinem Leinacher Kollegen Aussagen gemacht haben, die ein Anwalt der Familie des Opfers als „eine Art Geständnis“ wertete: Er habe beim Streuen an der Unfallstelle „etwas Weiches” bemerkt, sei aber weitergefahren und habe seine Frau telefonisch gebeten, an der bezeichneten Stelle nachzuschauen.
Was wusste der Leinacher Feuerwehrmann?
Dies soll der Leinacher Feuerwehrmann am Tag nach dieser Begegnung seinem Bürgermeister Uwe Klüpfel bei einer Autofahrt erzählt haben. Der blieb bei dieser Aussage auch jetzt im Zeugenstand. Aber der Feuerwehrmann selbst hatte diese Äußerung schon bei ihrem Bekanntwerden bei der Polizei bestritten. Auch jetzt sagte er vor Gericht, da müsse der Bürgermeister „etwas missverstanden“ haben. Ihm habe der Angeklagte nichts dergleichen gesagt.
„Einer von beiden lügt“, sagte Anwalt Hanjo Schrepfer, der mit zwei Kollegen die Familie der Getöteten vertritt. „Wenn Sie mir hier nicht die Wahrheit sagen, nehme ich Sie hier im Sitzungssaal fest,“ drohte die Staatsanwältin. „Der Angeklagte hat mir niemals so etwas gesagt. Das stimmt nicht,“ sagte der Zeuge – und beharrte weiter auf Erinnerungslücken und Missverständnissen. Da setzte sie die Drohung in die Tat um, der Zeuge kam in eine Zelle im Keller des Gerichtsgebäudes.
Bürgermeister im Zeugenstand
Zwei Stunden (und einige Zeugen) später wurde er erneut vorgeführt. Jetzt ruderte er zurück: Wenn der Bürgermeister und ein weiterer Zeuge im Auto das damals so gehört hätten, „kann ich das nicht ausschließen“. Er kam auf freien Fuß, muss aber mit Ermittlungen rechnen.
Erlabrunns Bürgermeister Thomas Benkert hatte zuvor als Zeuge die Bemühungen geschildert, seine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber des Angeklagten zu wahren und gleichzeitig der Familie der Getöteten gerecht zu werden, die sich zu Unrecht Anfeindungen ausgesetzt sah. Auf Nachfrage habe ihm der Angeklagte erklärt, mit Gisela K.s Tod nichts zu tun zu haben: „Warum sollte ich da rückwärts fahren?“, habe er gesagt.
Der Erlabrunner Bürgermeister korrigierte eine Aussage des Witwers im Zeugenstand, die diese Redaktion wiedergegeben hatte: Benkert habe mit der Familie des Opfers ein Gespräch geführt – aber erst, nachdem bekannt war, dass Gisela K. nicht durch einen Sturz gestorben war. Er habe nicht gebeten, den Verdächtigen zu schützen, sondern Ruhe zu bewahren. Schließlich gelte die Unschuldsvermutung.
Der Prozess wird am Montag fortgesetzt. Dann soll auch entschieden werden, ob das von der Verteidigung in Auftrag gegebene Gutachten eines Kfz-Sachverständigen für den Prozess relevant ist.
Unschuldsvermutung bedeutet, dass jemand nicht gleich und sofort eingesperrt wird, sondern er ein gerechtes Verfahren bekommt. Strafanträge immer nur wenn ein begründeter Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung besteht. Es wird auch im Vorfeld geprüft, ob Ermittlungen aufgenommen werden oder eingestellt werden. Wer genau das Wort "Unschuldsvermutung" liest, dann liest er auch, dass vermutet wird, dass er unschuldig ist. Es steckt aber dahinter die Vermutung, dass er nicht unschuldig ist (Fifty-fifty). Unschuldsvermutung und Gerechtigkeit verlangen das Tätigwerden in beiden Richtungen. Wer eine Richtung blockiert, macht es eventuell mitschuldig. Schlussfolgerung, es muss etwas getan werden in beiden Richtungen. Die eine Richtung blockioeren und ausschließen oder verhindern, hat mit Ruhe beahren nichts zu tun. Das ist Parteinahme für einen Schuldigen oder Unschuldigen. Nur der allein weiß, ob er schuldig oder unschuldig ist. Schweigen/Reden?