An diesem Freitag haben wir im Klinikum Würzburg Mitte 23 Corona-Patienten behandelt, einen davon auf der Intensivstation – er wird aber nicht mehr beatmet. Und leider haben wir am Donnerstag einen Covid-Patienten verloren.
Der Mann hatte eine geistige Behinderung, und sein Fall hat gezeigt, wie herausfordernd es ist, sich um diese Menschen zu kümmern, wenn sie von Corona betroffen sind. Um den Patienten gerecht zu werden, braucht es sehr viel Fürsorge und man muss deutlich mehr Zeit am Bett investieren. Das bestätigt auch der Austausch mit den ärztlichen Kollegen, die in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung tätig sind.
An ihrem Beispiel zeigt sich auch das Problem der Impf- Priorisierung. Im ersten Schritt werden ja vorwiegend Senioren über 80 Jahren geimpft – was natürlich sinnvoll ist, da sie bei einer Corona-Infektion ein erhöhtes Sterberisiko haben und Ausbrüche in Pflegeheimen verhindert werden sollen. Auf der anderen Seite sind die räumlichen Bedingungen in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung ähnlich. Wenn das Virus dort ausbricht, ist es ebenfalls schwer zu kontrollieren. Dennoch wurden diese Einrichtungen nicht priorisiert mit Impfungen versorgt. Das belegt, wie schwierig es vor dem Hintergrund der noch beschränkten Verfügbarkeit des Impfstoffes ist, die richtigen Impf-Entscheidungen zu treffen.
Wieder mehr planbare Operationen im Klinikum
Generell fragen bei uns im Moment auch sehr viele jüngere Patienten mit schweren Lungenerkrankungen an, ob wir sie nicht impfen könnten. Wir müssen die Betroffenen dann an die Impfzentren verweisen, denn Kliniken dürfen nur Mitarbeiter mit Sondergenehmigung impfen.
Entscheidend ist: Bei allen Schwierigkeiten müssen wir die Hygienemaßnahmen weiter einhalten. Dafür wird auf den Intensivstationen oder in den Pflegeheimen jeden Tag Großartiges geleistet. Viele Leute gehen da weit über ihre Belastungsgrenze hinaus.
Erfreulich ist, dass wir den OP-Betrieb im Klinikum wieder etwas ausbauen können. Das ist wichtig, da noch viele Patienten auf den Wartelisten stehen. So können wir zum Beispiel im urologischen, gynäkologischen und thoraxchirurgischen Bereich mehr planbare Eingriffe anbieten. Die Bettenkapazität auf den normalen Stationen bleibt aber noch etwas eingeschränkt, da wir zugunsten der Corona-Patienten nach wie vor Personal vorhalten müssen. Insgesamt aber sehe ich das hoffnungsvoll.
Ich weiß, dass sich derzeit jeder – und da schließe ich uns in der Klinik als Menschen natürlich ein – sehnlichst wünscht, zu einem normalen Leben zurückkehren zu können. Nur muss man dabei aus meiner Sicht sehr vorsichtig sein und sich schrittweise der Normalität nähern. Es wäre voreilig, leichtfertig alle Maßnahmen zu lockern und dann vier Wochen später festzustellen, die Zahlen steigen wieder und wir müssen zurückrudern.
Positiv ist aber sicher, dass der Druck im Bereich der intensivmedizinischen Versorgung deutlich nachlässt. Mit Blick auf die Zahlen und die – wenn auch langsam – fortschreitenden Impfungen sehe ich daher durchaus Grund zum Optimismus.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er seit vielen Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag: www.mainpost.de/corona-tagebuch