Zum Start in die neue Woche behandeln wir im Klinikum Würzburg Mitte 28 Corona-Patienten, zwei davon müssen intensiv versorgt werden. Über das Wochenende ist die Zahl damit stabil geblieben.
Bei einem der beiden Corona-Intensivpatienten haben wir heute Morgen beim Blick auf das CT-Bild seiner Lunge eine Überraschung erlebt. Der Mann konnte nach einem schwerem Covid-Verlauf und vielen Wochen künstlicher Beatmung von der Atemmaschine entwöhnt werden. Allerdings hatten Aufnahmen seiner Lunge immer wieder Narbenbildungen infolge der Pneumonie vermuten lassen. Folgeschäden waren deshalb eigentlich zu erwarten. Jetzt haben sich die Veränderungen weitgehend zurückgebildet. Das ist ein wirklich erstaunlicher und erfreulicher Befund! Und er zeigt, dass man nicht vorschnell von irreversiblen Folgeschäden bei Covid-19 ausgehen sollte.
Positiv war auch mein Eindruck bei der Visite auf der normalen Corona-Station. Fast alle Covid-Erkrankten sind auf dem Weg der Besserung. Einzig einem älteren Patienten geht es nicht so gut, da er neben Corona mit einer schweren chronischen Lungenerkrankung kämpft. Wir fürchteten zunächst, dass er das möglicherweise nicht überleben würde – aber sein Zustand hat sich insgesamt deutlich verbessert. Mit zusätzlichem Sauerstoff, Medikamenten und Physiotherapie versuchen wir nun, seine geschwächte Atempumpe zu unterstützen.
Sportliche Übungen unter Isolationsbedingungen
Besonders beeindruckt hat mich eine Patientin mit Unterschenkelprothese. Die Frau hat als Jugendliche nach einem Zugunfall einen Unterschenkel verloren. Am Montag stand sie trotz Prothese an der Laufstange im Zimmer und hat mit unserem Stationsarzt Sport gemacht. Der Kollege ist Arzt und ausgebildeter Fitnesstrainer und versucht, die Patienten ganz bewusst zu mehr Bewegung zu motivieren – auch auf der Corona-Station. Für mich war es schön, zu sehen, dass auch die Isolationsbedingungen und Masken dieses Sportprogramm nicht aufhalten.
Im Team der Ärzte haben wir uns zu neuen Therapiestrategien abgestimmt. Dabei ging es um die Verwendung sogenannter monoklonaler Antikörper, die jetzt zur Verfügung stehen. Sie könnten nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen in einer sehr frühen Phase nach einer Corona-Ansteckung genutzt werden, wenn ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf besteht. Die Datenlage ist aber noch schwach, und aus meiner Sicht ist das nur in Ausnahmefällen für die Krankenhausmedizin hilfreich.
Weiter diskutiert wird natürlich das Thema Impfungen. Den Vorschlag, Männer aufgrund ihres etwas erhöhten Sterberisikos bei Corona zuerst zu impfen, sehe ich kritisch. Ich denke, es gibt wesentlich härtere Faktoren als das Geschlecht, das Lebensalter etwa. Daher wäre es sinnvoller, beispielsweise jüngere Patienten mit sehr schweren Lungengrunderkrankungen stärker zu berücksichtigen.
Generell ist das Impf-Nadelöhr im Moment sicher die Produktion und Lieferung. Trotzdem sollten wir alle versuchen, die Wogen zu glätten. Ich kann verstehen, dass man ungeduldig ist – aber ich glaube, dass man niemandem Versagen vorwerfen kann. Und wir dürfen nicht vergessen: Vor einem Jahr war an einen Impfstoff noch gar nicht zu denken.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er seit vielen Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag: www.mainpost.de/corona-tagebuch