Quarantäne ist für Patienten eine außergewöhnliche Situation. Das hat mir ein Gespräch bei der Morgenvisite wieder einmal verdeutlicht: "Die Isolation habe ich mir ganz anders vorgestellt. Wenn man selbst betroffen ist, dann nimmt man das ganz anders wahr", sagte ein Patient zu mir. Als ich ins Zimmer kam, machte er gerade mit dem Thera-Band krankengymnastische Übungen. Sie sind sicher neben der sehr wichtigen Therapie zum Erhalt der Muskulatur auch eine Abwechslung, wenn man plötzlich aus seinem Alltag geworfen - und meist alleine ist. "Trotz Internet, Smartphone, Fernsehen und Radio macht Isolation doch irgendwie mürbe", beschrieb mir der Patient seine Gefühlslage. Diese gilt es wahrzunehmen.
Isolierte Patienten haben besonders in Zeiten von Besuchsbeschränkungen wenig Ansprache. Sie reden mit Ärzten, Schwestern, Physiotherapeuten - und mit "der netten Mitarbeiterin vom Blutentnahmedienst". Der Patient meinte die Laborfachkraft. Jeder, der ins Zimmer kommt, ist ein willkommener Gesprächspartner. Wobei es keine normale Unterhaltung sein kann. Bei Mundschutz und Visier ist die Kommunikation eingeschränkt. Es fehlt der Gesichtsausdruck, die Mimik.
Matthias Held: Wir bieten Patienten Gespräche mit Klinikseelsorge und Psychologen an
Wie können wir unseren Corona-Patienten Zuwendung und Fürsorge geben in Zeiten der Isolation? Wie erfassen wir die emotionalen und kommunikativen Bedürfnisse auch bei älteren Patienten, die eine demenzielle Erkrankung haben? Wir bieten generell und insbesondere den isolierten Patienten Gespräche an. Wenn sie es wünschen, dann informieren wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinikseelsorge und klinischen Psychologie, die den Patienten dann zur Seite stehen.
Oft sagen Patienten das aber nicht von sich aus. Deshalb haben wir mit dem Pflegepersonal vereinbart, dass es aktiv nachfragt. Alleine im Zimmer zu sein, soll nicht bedeuten, alleine gelassen zu werden mit Ängsten und Sorgen.
Doch nicht nur Patienten brauchen eine Form des Miteinanders, wir müssen uns auch um unser eigenes Personal kümmern. Wir haben schon im Frühjahr für jeden, der möchte, Gespräche mit Psychologen angeboten. Damals gab es neben der belastenden Arbeit im Isolationsbereich große Unsicherheiten, was die Ansteckungsgefahr betrifft. Mittlerweile hat sich vieles eingespielt und ist zur Routine geworden. Gesprächstermine werden kaum noch angefragt. Der Austausch findet momentan vielmehr häufig bei den täglichen Begegnungen auf den Gängen der Stationen statt.
Ebenso wichtig sind die Ärztebesprechungen. Wir Internisten und Pneumologen stimmen uns täglich mit den Anästhesisten zu den Patienten, die beatmet werden müssen, auf der Intensivstation ab.
Mein Fazit: Im Gespräch bleiben ist essentiell wichtig. Nur so können wir gut arbeiten und gemeinsam den bestmöglichen Weg für die uns anvertrauten Patienten einschlagen.
Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er in den nächsten Wochen täglich Einblicke in den Klinikalltag unter: www.mainpost.de/corona-tagebuch