Die Impfzahlen stagnieren, die Inzidenz steigt. Für Aufregung hatte vergangenes Wochenende die Stadt Würzburg gesorgt, die mit 21,9 zeitweise den höchsten Inzidenzwert in ganz Deutschland aufwies. Dabei könnte die bloße Inzidenz künftig an Bedeutung verlieren. Darauf lässt zumindest ein Dokument auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums schließen.
In der Corona-Pandemie sei eine Abnahme des Anteils schwerer Fälle zu verzeichnen, heißt es dort in einer Analyse des Robert Koch-Instituts. Zudem gebe es aufgrund der hohen Impfquote immer weniger Menschen, die anfällig für das Coronavirus sind. "Erwartet wird ein schrittweiser Übergang in eine endemische Situation mit saisonalen Epidemien", so das Dokument.
Restriktive Maßnahmen laut RKI nur bei Überlastung des Gesundheitssystems
Restriktive Maßnahmen für die Gesamtbevölkerung seien fachlich schwer begründbar, solange keine Überlastung des Gesundheitssystems drohe. Die Bedrohung durch die Pandemie müsse verstärkt an den Folgen einer Infektion gemessen werden.
Ein wichtiger Leitindikator könne in Zukunft die sogenannte Hospitalisierung sein. Dabei geht es um die Zahl der Krankenhausaufenthalte wegen Corona. "Weiterhin sind mehrere Indikatoren zur Bewertung notwendig, aber die Gewichtung der Indikatoren untereinander ändert sich", heißt es dazu im RKI-Dokument.
Die Belastung des Gesundheitssystems bemisst sich laut RKI anhand der Anzahl der durch Corona verursachten Arztbesuche, der Auslastung der Krankenhäuser und Intensivstationen sowie anhand der Todesfälle. Anhand der hospitalisierten – also im Krankenhaus behandelten – Fälle lassen sich laut RKI detaillierte Informationen über das lokale Infektionsgeschehen ermitteln. Aufschluss über die Schwere der Pandemie könnten etwa der Anteil der hospitalisierten Fälle in der Bevölkerung, der Anteil des intensivmedizinischen Bedarfs sowie der Anteil der Todesfälle geben.
Damit diese Details künftig zuverlässig zur Verfügung stehen, hat das Gesundheitsministerium Anfang der Woche eine Verordnung erlassen. Krankenhäuser sollen detaillierte Informationen hospitalisierter Corona-Patienten an die Gesundheitsämter melden und somit das Intensivregister des Robert Koch-Instituts, an das Krankenhäuser ihre Auslastung melden, ergänzen.
Intensivstation: Corona-Patienten in Würzburg, Schweinfurt, und Rhön-Grabfeld
Sechs Corona-Patienten gibt es laut Intensivregister in Unterfranken aktuell auf Intensivstationen – jeweils zwei in den Städten Würzburg und Schweinfurt, jeweils eine in der Stadt Aschaffenburg und im Kreis Rhön-Grabfeld. Wie mit diesen Daten umzugehen ist, scheint für die Gesundheitsämter jedoch noch unklar, wie eine stichprobenartige Umfrage in der Region zeigt.
"Die Hospitalisierungsquote in der Region Würzburg spielt in der Arbeit des Gesundheitsamtes nur eine geringe Rolle", schreibt das Gesundheitsamt Würzburg auf Anfrage. "Entsprechend der Verordnung über die Erweiterung der Meldepflicht auf Hospitalisierungen werden die eingehenden Meldungen zu bewerten sein."
Man wisse von der neuen Meldepflicht, schreibt das Gesundheitsamt Schweinfurt. Aber: "Dem Gesundheitsamt liegen noch keine konkreten Angaben vor, dass diese Meldepflicht für die Eindämmung der Pandemie und verschiedener zukünftiger Corona-Regeln, eine Rolle spielen wird." Und aus Kitzingen ist zu vernehmen: "Nähere Informationen haben wir auch noch nicht vorliegen."
Würzburger Virologe Dölken: Inzidenz-Schwellenwerte sollten angepasst werden
Aufschluss über die mögliche künftige Relevanz von Inzidenz und Hospitalisierung gibt Professor Lars Dölken, Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Universität Würzburg: "Die Hospitalisierung ist ein zusätzlicher Indikator, kann die Inzidenz aber nicht ersetzen." Zwar stelle sich angesichts der sinkenden Zahl schwerer Verläufe die Frage, wann welche restriktiven Maßnahmen noch gerechtfertigt seien. Jedoch tauge die Hospitalisierung dafür nur bedingt als Anhaltspunkt. Entsprechende Daten seien häufig erst spät in Datenbanken verfügbar.
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums stellt klar, dass die Hospitalisierung künftig eine Rolle bei der Bewertung der Pandemie spielen werde. Jedoch bleibe die Inzidenz "hauptausschlaggebender Faktor" in der Bewertung der Corona-Pandemie.
"Es wäre gut, die Inzidenz-Schwellenwerte anzupassen", sagt Virologe Dölken. Wenn es immer weniger Hochrisikopersonen gebe, stellten auch mäßig steigende Inzidenzwerte kein Problem dar. Steigende Zahlen im Herbst seien unausweichlich, für vollständig geimpfte Personen jedoch kaum gefährlich. "Aus diesem Grund sollte sich jeder, der noch nicht geimpft ist, jetzt noch vor dem Sommerurlaub impfen lassen."