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Würzburg
Die Augustinerstraße 9 in Würzburg: Wie weit sind die Pläne für das frühere Ämterhochhaus gediehen?
Es sollte ein 36 Meter hoher Neubau werden, doch diese Pläne vereitelten Nachbarklagen. Was geschieht nun mit dem Ämterhochhaus in der Augustinerstraße 9?
Der Blick von der Krangalerie am Ämterhochhaus in der Augustinerstraße 9 in der Würzburger Innenstadt. Das Haus ist seit Jahren baufällig. Bis zur endgültigen Klärung der Bebauung wird es notdürftig instand gehalten.
Foto: Thomas Obermeier | Der Blick von der Krangalerie am Ämterhochhaus in der Augustinerstraße 9 in der Würzburger Innenstadt. Das Haus ist seit Jahren baufällig. Bis zur endgültigen Klärung der Bebauung wird es notdürftig instand gehalten.
Ernst Lauterbach
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:17 Uhr

Der Blick über die Stadt ist grandios von der Außengalerie des Krans am früheren Ämterhochhaus in der Augustinerstraße 9. Über die Balthasar-Neumann-Kanzel hinweg schweift er zum Dom mit der Residenz rechts dahinter, in der anderen Richtung reicht er bis zum Käppele und dem Nikolaushof darüber und bis der Festung Marienberg auf der anderen Seite.

Nur der große, grüne Kran überragt einen mit seinem Ausleger noch ein Stück. Er fußt auf einem großen Betonfundament rund 30 Meter weiter unten im Keller des Hauses. Ein Betonklotz von fünf mal fünf Metern im Quadrat und etwa 1,5 Meter hoch ist davon sichtbar, vom sieben mal sieben Meter großen Quader darunter, der das Ganze im Boden verankert, sieht man nur die Oberseite. "Drei Lkw-Ladungen Baustahl wurden darin vergossen, um den Kran zu sichern", sagt Hausmeister Thomas Summa.

Durch alle Decken des Hauses hindurch reicht der Gittermast hinauf bis übers Dach, wo sich der Drehkranz und die Kabine samt Ausleger befinden. Weil sich der Mast durch die Windlast seitlich bewegt, mussten die Durchlässe in den Stockwerksdecken von unten nach oben immer größer geschlagen werden, berichtet Summa. Sobald man das weiß, spürt man den Kran in der Tat plötzlich schwanken und zusammen mit dem Wissen, dass das Haus 2005 wegen akuter Einsturzgefahr von heute auf morgen geräumt worden war, macht sich ein leicht flaues Gefühl im Magen breit.

Die Bleiverglasung hinter Isolierglasscheiben im Treppenhaus.
Foto: Thomas Obermeier | Die Bleiverglasung hinter Isolierglasscheiben im Treppenhaus.

Ein Stockwerk darunter knistert es, knackt und tröpfelt es von der Decke. In einer Ecke wächst ein Farn. "Das Haus ist doppelt und dreifach gesichert, damit uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt", beruhigt Summa. Rund eine halbe Million Euro hat die ArbaNova Familienstiftung, seit 2016 Eigentümerin des Hauses, in die Absicherung des Gebäudes aus dem Jahr 1930 investiert. Zwischen 300 und 400 sogenannte Spriegel, lange verstellbare Metallstützen, sichern das Haus. Je höher man kommt, desto weniger werden es, weil die Last darüber abnimmt.

Zudem wurde das Haus komplett "ausgeräumt". Selbst von den Fußböden wurde eine drei Zentimeter dicke Schicht entfernt."Das Haus musste asbestsaniert werden", so Summa. Die gusseisernen Heizkörper waren so schwer, dass ein Mann sie alleine nicht mehr aufstellen konnte, wenn sie umgefallen waren, berichtet er. "Einen musste ich mit der Flex in vier Teile schneiden, dann ging es." Taubenkot liegt immer wieder auf dem Boden. Die Holzbretter des Gerüstes rund ums Haus waren alle durchgefault vom Taubenmist, sie wurden komplett durch Aluminiumtrittflächen ersetzt. "Die Viecher waren eine große Plage, jetzt ist es besser geworden", sagt Summa.

Hausmeister Thomas Summa kontrolliert regelmäßig die Teleskopstützen in allen Stockwerken.
Foto: Thomas Obermeier | Hausmeister Thomas Summa kontrolliert regelmäßig die Teleskopstützen in allen Stockwerken.

Den Feuersturm des 16. März 1945 überstand das Haus unter anderem wegen seiner für die damalige Zeit neuartigen Zwischendecken aus Eisenbeton. Doch auch daran nagte der Zahn der Zeit. In einem der Stockwerke kann man sehen, dass die freigelegte Baustahlarmierung der Deckenträger angefangen hatte zu rosten.

Fotoserie

Nachdem mehrere statische Gutachten zu dem Ergebnis gekommen waren, dass das 36 Meter hohe Gebäude vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nicht sanierungsfähig sei, hatte das Landesamt für Denkmalpflege bereits 2013 seine Bedenken gegen den Abbruch zurückgestellt.

Thomas Summa zeigt die Bohrkerne der Bodenuntersuchung. Bis in sechs Meter Tiefe fand man Sand und Geröll, danach besteht der Untergrund aus massivem Muschelkalk.
Foto: Thomas Obermeier | Thomas Summa zeigt die Bohrkerne der Bodenuntersuchung. Bis in sechs Meter Tiefe fand man Sand und Geröll, danach besteht der Untergrund aus massivem Muschelkalk.

Je weiter man hinauf steigt, desto niedriger werden die Decken, wobei das bei einer geschätzten Deckenhöhe im Erdgeschoss von fünf bis sechs Metern natürlich relativ ist. Den Fenstern aus Isolierglas im Treppenhaus wurde teilweise eine Bleiverglasung wie zur Bauzeit des Hauses vorgesetzt. In einem der Räume liegen in Holzkisten die Bohrkerne von der Bodenuntersuchung für die Tragfähigkeit. "Die ersten sechs Meter sind bröselig, dann ist es massiver Muschelkalk", so der Hausmeister.

"Wir sind näher beieinander als wir es seit Jahren waren."
Frank Barlian, ArbaNova-Familienstiftung

Den Plänen der Eigentümerin, das Gebäude, wie schon nebenan geschehen, abzureißen und in ähnlicher Höhe wieder neu zu bauen, erteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München im Frühjahr 2023 eine Absage. Er erklärte nämlich - nach Nachbarklagen - den von der Stadt Würzburg für die Nummern 9 und 11 der Augustinerstraße erstellten vorhabenbezogenen Bebauungsplan aus formalen Gründen für unwirksam.

Der Gittermast des Krans geht von seinem Fundament im Keller durch das gesamte Haus.
Foto: Thomas Obermeier | Der Gittermast des Krans geht von seinem Fundament im Keller durch das gesamte Haus.

Das bedeutet, dass sich nach einem Abriss nun ein Neubau an Trauf- und Firsthöhen der umgebenden Bebauung orientieren muss. Die Bauherrin hatte auf eine zeitaufwändige Neuaufstellung eines vorhabenbezogenen Plans verzichtet. Das erste Hochhaus in Franken und das zweite in Bayern - nur ein Gebäude in München wurde ein Jahr früher fertiggestellt - wird damit über kurz oder lang aus der Würzburger Dachlandschaft verschwinden.

Die niedrigere Bauweise habe Vor- und Nachteile, hatte Frank Barlian, Geschäftsführer der Bona Wohnbaugesellschaft, einer hundertprozentigen Tochter der ArbaNova, schon im Frühjahr erklärt. Ein Nachteil sei, dass man nicht so hoch hinaus könne und vermarktbare Flächen entfallen würden, ein Vorteil sei, dass man dann nicht so tief in den Untergrund gehen müsse. Barlian hatte im Frühjahr noch gehofft, nach einer Einigung mit den Nachbarn vielleicht schon im Herbst 2023 den Bauantrag stellen zu können. Daraus ist nichts geworden, dennoch ist er zuversichtlich. "Die Nachbarn und wir haben uns angenähert, unsere Anwälte tauschen sich aus", sagt er am Telefon.

Das Nachbarhaus mit der Nummer 11 ist bereits verschwunden, es soll zusammen mit der Nummer 9 neu entstehen.
Foto: Thomas Obermeier | Das Nachbarhaus mit der Nummer 11 ist bereits verschwunden, es soll zusammen mit der Nummer 9 neu entstehen.

Ziel sei eine nachbarschaftliche Vereinbarung, ohne die man nicht in die Bauwerberphase gehen wolle. "Das sieht gerade sehr gut aus, zwar ist noch nichts unterschrieben, aber wir sind auf einem guten Weg", hofft er. "Wir sind näher beieinander als wir es seit Jahren waren."

Wenn das eingerüstete Hochhaus in der Augustinerstraße 9 verschwunden ist, wird sich die Dachlandschaft der Innenstadt ein wenig verändern.
Foto: Archivfoto Johanna Heim | Wenn das eingerüstete Hochhaus in der Augustinerstraße 9 verschwunden ist, wird sich die Dachlandschaft der Innenstadt ein wenig verändern.

"Ich hoffe, dass wir das dann im 1. Quartal 2024 abschließen", fährt er fort. Anschließend könne mit der Planung begonnen werden, sodass der Bauantrag Ende desselben Jahres bei der Stadt eingereicht werden könne. "Bisher haben wir ja nur eine Objektstudie gemacht und noch keine Architektur", erläutert er. 

Hat der Abriss begonnen, für ihn sind vier Monate eingeplant, wird es rund zwei Jahre dauern, bis der Neubau bezogen werden kann, schätzt Frank Barlian. Geplant sei nach wie vor eine gemischte Nutzung mit Einzelhandel, Praxen, Büros, Wohnen und einer Tiefgarage.

Hinweis: In einer ersten Version den Textes hatte der Autor dem Kran versehentlich die Farbe rot "verpasst". Das ist nicht richtig, wie uns Leser hinwiesen, der Kran ist grün. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Das ehemalige Ämterhochhaus von außen.
Foto: Thomas Obermeier | Das ehemalige Ämterhochhaus von außen.

Die Augustinerstraße 9 und 11

Erbaut wurde das Haus in der Augustinerstraße 9 anstelle des barocken "Haus Oppenheimer" in den Jahren 1929 bis 1930 nach Plänen des Regierungsbaurates Franz Kleinsteuber und des Architekten Christoph Mayer. Die Bombennacht des 16. März 1945 überstand das Haus relativ unbeschadet. Im Lauf der Nachkriegsjahre wurde es mit Tiefbauamt, Hochbauamt, Liegenschaftsamt, Schulamt und Planarchiv der Stadt auch im Volksmund zum Ämterhochhaus. 1974 wurde es als Zeugnis der „Neuen Sachlichkeit“ unter Denkmalschutz gestellt.
2004 löste sich ein Stück Beton aus einer Konsole des Kranzgesimses, das Haus wurde eingerüstet. 2005 musste das Haus infolge von Statik-Gutachten von heute auf morgen geräumt werden. Es begann eine wechselvolle Geschichte mit mehreren Eigentümer-Wechseln, Abriss- und Neubauplänen und zahlreichen Diskussionen im Stadtrat.
Seit 2016 ist die ArbaNova Familienstiftung mit Sitz in der Kantstraße in Würzburg die Eigentümerin des Hauses. Künftige Bauherrin ist die Bona Wohnungsgesellschaft, eine hundertprozentige Tochter der Stiftung. Ursprünglich war geplant, an der Stelle des Hochhauses und auf dem Nachbargrundstück Augustinerstraße 11 ein rund 35 Meter hohes Haus samt 21 Meter hohem Nebengebäude zu errichten. Nach der Entscheidung des Bayerischen  Verwaltungsgerichtshofes dürfen beide Häuser nun nicht mehr höher als die umgebende Bebauung werden. Abrisszeitpunkt und Beginn des Neubaus sind noch ungewiss.
Quelle: www.wuerzburgwiki.de/ella
 
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Kommentare
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  • Ruth Hesse
    So langsam sollte man mal loslegen, nicht dass die Ruine samt Kran als Ensemble unter Denkmalschutz gestellt wird. Immerhin ist der Kran seit über zwei Dekaden stadtbildprägend und auf Myriaden von Touristenfotos verewigt.

    Ein herausragendes Denkmal der Deutschen Zaudrigkeit beim Bauen…
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  • Helmut Vierneusel
    Hallo Herr Heim

    Grunsätzlich haben Sie ja Recht. Nur hat sich in den letzten 60-70 Jahren eine rechtliche Situation eingestellt, die ein solches Handel, mit den Nachbarn und Wer da noch alles mitspricht, sehr verkompliziert. Des weiteren ist ja auch seit Jahrzehnten der Würzburger Stadtrat für seinen Diskussionbedarf bekannt, der halt auch mal 20 Jahre respektive auch Open End bedeuten kann.
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  • Hans-Georg Heim
    Diese Stadt ist praktisch innerhalb von 20 Jahren fast komplett wieder aufgebaut worden, aber man schafft es nicht, ein einziges Gebäude im gleichen Zeitraum abzureißen. Die Nachbarschaftsklagen müssten doch unwirksam sein, dieses Haus steht vermutlich länger als deren Häuser, wo also ist das Problem dort wieder einen ähnlichen Bau in moderner Architektur hinzustellen? Unsere Enkelkinder würden heute noch, so wie wir in den Kriegsruinen spielen, wenn nach dem Krieg so gehandelt worden wäre.
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  • Roland Hofmann
    Hallo Herr Lauterbach,
    wenn sich nichts geändert hat und darauf lassen die Fotos schließen ist der Kran immer noch grün und nicht rot, auch wenn er mittlerweile für einige vielleicht zum "roten" Tuch im Stadtbild geworden ist ,-).
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  • Ernst Lauterbach
    Hallo Herr Hofmann,
    Ich kann eine gewisse rot-grün Schwäche nicht verleugnen, da haben sie recht. Oh weh.

    Wobei das von innen noch deutlicher sichtbar wird, als wenn man die verwitterte Farbe im Außenbereich betrachtet. Da geht es schon in gräuliche.

    Aber rot sieht anders aus. Mea culpa!

    Grüße aus der Redaktion.
    Ernst Lauterbach
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  • Roland Rösch
    ist das so wichtig für sie?
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  • Barbara Fersch
    Makaber, was hier geschehen ist, da wartet man bis ein Hochhaus derart verkommen ist, und einsturzgefährdet , ehe man endlich Beschlüsse an den Tag legt !!!
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