Es war ein Paukenschlag am Ende der jüngsten Stadtratssitzung in Röttingen, mit dem die Mitglieder des Gremiums wohl ebenso wenig gerechnet hatten, wie die rund zwei Dutzend Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal. In einer sehr persönlichen Erklärung forderte Bürgermeister Hermann Gabel die Stadträtinnen und Stadträte zu konstruktiver Zusammenarbeit und einer "anderen Diskussionskultur" auf. Gabel sieht dies als Voraussetzung dafür an, dass er sein im Mai 2020 angetretenes Amt über den Jahreswechsel hinaus weiter ausübt.
Gerüchte waren schon in den Tagen zuvor durch den südlichen Landkreis gegeistert. Nach Informationen der Redaktion wollte Hermann Gabel am Dienstag der Vorwoche in einer Personalversammlung seinen Rücktritt zum 31. Dezember verkünden. Zweiter Bürgermeister Josef Geßner habe ihn in einem konstruktiven Gespräch davon abbringen können.
Schon zu Beginn der Amtsperiode war das Verhältnis schwierig
Doch worum geht es? Bereits nach Gabels Amtsübernahme 2020 knisterte es im Stadtrat, vor allem im Verhältnis zu seinen Stellvertretern Josef Geßner (CSU/FB) und Erich Mittnacht (UBR). Er habe es damals als Chance für Röttingen angesehen, als unabhängiger Bürgermeister das Amt auszuüben, so Gabel. Doch dass der ausgebildete Verwaltungsfachmann, der früher auch schon mal Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde Riedenheim war, ohne eigene Hausmacht und Fraktion dasteht, erwies sich zunehmend als Problem.
In seiner Erklärung kam Gabel auf die "emotional und physisch sehr angespannte Situation" während des jüngsten Gauvolksfests zu sprechen, in der er sicherlich unangemessen reagiert habe. Dafür entschuldigte er sich. Der Kern des Konflikt liegt aber tiefer. Dass ihm von Teilen des Stadtrats die Kompetenz abgesprochen werde, sei eine Sache – "die Bürger haben seinerzeit mit deutlicher Mehrheit anders entschieden."
Auch aus den gesundheitlichen Problemen, die ihn seit vergangenem Dezember beschäftigen, machte Gabel keinen Hehl, stellte aber zugleich einen Zusammenhang zu seinem Arbeitspensum und der schwierigen Situation im Stadtrat her. Dass die Stadt manche Aufgabe nicht in der gewünschten Eile erledigen könne, liege unter anderem daran, dass ein Mitarbeiter im Bauhof und eine Mitarbeiterin im Tourismusbüro weggefallen seien, und der Stadtrat eine Nachbesetzung bisher nicht für erforderlich angesehen habe.
Bei der Information des Stadtrats ist "immer Luft nach oben"
Die Kritik, den Stadtrat nicht ausreichend zu informieren, nimmt Gabel ernst. Da sei "sicherlich immer Luft nach oben". Es liege allerdings in der Natur der Sache, dass er als hauptamtlicher Bürgermeister über mehr Informationen verfüge als seine Stellvertreter, und erst recht als die übrigen Mitglieder des Stadtrats. "Dafür gibt es den Posten des Bürgermeisters, und dann muss man am Stammtisch auch mal sagen, dass das Sache des Bürgermeisters ist." Er sehe den Stadtrat nicht als Aufsichtsrat, sondern als Gremium mit großer eigener Gestaltungsmacht.
Auf den unterschwelligen Vorwurf, dass in Röttingen "alles zu langsam geht", reagierte der Bürgermeister mit dem Hinweis auf die in den vergangenen Jahren umgesetzten Projekte, von der Sanierung der Tauberbrücke und der Alten Schule bis zur Erneuerung der Hauptwasserleitung. Demnächst steht die Sanierung der Untergasse an, und für 2024 ist die dringend erforderliche Sanierung der Oberen Siedlerstraße angedacht.
Auch bei der Übernahme des Seniorenheimes Röttingen durch das Kommunalunternehmen des Landkreises sei er als Bürgermeister maßgeblich beteiligt gewesen. Die Quartierbebauung Taubergasse 4 sei ebenfalls im Gange. Hier dankte er den örtlichen Investor. Bei den Festspielen habe man innerhalb von drei Jahren die Besucherzahlen der Abendveranstaltungen deutlich steigern können. Auch das komme nicht von ungefähr. Dabei zitierte Gabel Wilhelm Busch, wonach Neid die größte Anerkennung sei.
"Schulneubau wäre zum Millionengrab geworden"
Die Entscheidung, den bereits geplanten Neubau einer Grundschule zugunsten der Sanierung im Bestand zu kippen, verteidigt Gabel weiterhin gegen die Kritik, dadurch den Schulstandort zu gefährden. Für Röttingen und die übrigen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft wäre der Neubau zum "Millionengrab" geworden. Dieser Umschwung sei nur möglich geworden, weil in der Gemeinschaftsversammlung Vertrauen herrsche. Eine solch vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit wie mit Verwaltung und Bauhof wünsche er sich auch vom Stadtrat.
2020 sei er mit Ziel zur Bürgermeisterwahl angetreten, für zwei Wahlperioden im Amt zu bleiben, sagt Gabel – "so Gott will". Allerdings sei er derzeit leider nicht davon überzeugt, ob seine Energie und seine Gesundheit für eine zweite Amtszeit reichen.
Gabel würde sich einem Misstrauensvotum stellen
Mit seiner Erklärung gehe es ihm nicht darum, den Rücktritt eines demokratisch gewählten Stadtrats zu erzwingen, betonte Gabel abschließend, sondern um eine menschliche und konstruktive Zusammenarbeit zum Wohl der Stadt. "Wenn jedoch eine Mehrheit des Stadtrates der Meinung ist, ich würde der Stadt Röttingen schaden, so würde ich mich einem geheimen Votum des Stadtrates stellen und dieses akzeptieren, auch wenn die Gemeindeordnung so etwas nicht vorsieht." Sein Herz hänge an Röttingen und seinen Menschen.
Sowohl die Stadtratsmitglieder als auch die Zuhörerinnen und Zuhörer bedachten Hermann Gabels Worte mit großem Beifall. Zweiter Bürgermeister Josef Geßner versprach, sich nach Kräften für eine bessere Zusammenarbeit einzusetzen und bedankte sich bei Gabel für sein bisheriges Engagement.